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Ins Unendliche reflektiert: Bianca Froese-Acquaye vor dem Spiegel, in den auch David Bowie und Iggy Pop schauten - und natürlich Edgar Froese.

© Kai-Uwe Heinrich

Spaziergang - eine Runde Berlin: Ein Traum von Schöneberg

Erinnerung an Edgar Froese und die Berliner Band Tangerine Dream: Ein Kiezspaziergang mit der Künstlerin und Managerin Bianca Froese-Acquaye.

Von Markus Hesselmann

Vor unserer Runde Berlin hat die Spaziergängerin einen Hinweis: Im Hausflur gebe es einen interessanten Spiegel, sagt Bianca Froese-Acquaye, dort könne man sich treffen, auch zum Fotografieren. Der besondere Spiegel, das klingt vertraut. Wer Pascale Hugues’ Buch „Ruhige Straße in guter Wohnlage. Die Geschichte meiner Nachbarn“ gelesen hat, der weiß, was das für ein Spiegel ist. In dem Buch erklärt Edgar Froese, Gründer der Band Tangerine Dream, der Spiegel sei interessant, weil David Bowie, Iggy Pop „und viele andere Zeitgenossen hineingeschaut haben, um festzustellen, dass der Zeitzahn wieder faltentief an ihnen gearbeitet hat“. David Bowie war hier nicht nur immer wieder zu Besuch, sondern kam mit Iggy Pop in der Schwäbischen Straße bei Edgar Froese für ein paar Wochen unter, als er 1976 nach Berlin zog. Denn die Wohnung in der Hauptstraße, nur wenige Häuserblocks weiter, war noch nicht einzugsbereit.

Auf dem Klingelschild steht „Froese“, damals wie heute. Hier war und ist die Zentrale von Tangerine Dream, Pioniere der elektronischen Musik, die auch nach Edgar Froeses Tod vor drei Jahren weitermachen. Auch das Tangerine-Dream-Label „Eastgate“, gemanagt von Bianca Froese-Acquaye, hat hier seine Adresse. Jetzt steht Bianca Froese-Acquaye in dem Hausflur vor dem Spiegel, genauer: zwischen den beiden Spiegeln, die sich gegenüber hängen. Ihr Bild wird ins Unendliche reflektiert. Der Hausflur-Effekt passt perfekt zur repetitiven, kosmischen Musik von Tangerine Dream, fand auch Pascale Hugues, die Schriftstellerin aus der Nachbarschaft.

Edgar Froese und Bianca Froese-Acquaye.
Edgar Froese und Bianca Froese-Acquaye.

© privat

„Edgar und ich haben in den Neunzigerjahren nur gut hundert Meter Luftlinie voneinander entfernt hier in Schöneberg gewohnt“, erzählt Bianca Froese-Acquaye, „ohne dass wir voneinander wussten.“ Am Ende der Schwäbischen Straße, gegenüber der Apostel-Paulus-Kirche, zeigt sie in die Grunewaldstraße, dorthin, wo sie damals gelebt hat, gleich um die Ecke. „Das Schicksal hat uns dann eh zusammengeführt.“ Gleich nach der Jahrtausendwende hatten sich der Musiker und die Künstlerin auf einer Messe kennengelernt. Sie gestaltete bald darauf für Tangerine Dream das Cover-Artwork für deren Vertonung der „Göttlichen Komödie“. Obwohl Cover-Artwork eher ein Understatement ist, denn es kamen 16 großformatige, farbreiche Acrylbilder dabei heraus, die eine eigene Ausstellung hergaben.

Edgar Froese, Gründer der Band Tangerine Dream, Pionier der elektronischen Musik.
Edgar Froese (1944 - 2015)

© picture alliance / dpa

Fast am Anfang der Schwäbischen Straße liegt die Trattoria Belmonte, die Bianca Froese-Acquaye ihren „Lieblingsitaliener“ nennt. Die Inhaber empfangen sie herzlich, beinahe familiär, das Essen schmeckt ausgezeichnet, für sie eine italienische „Wohlfühlinsel“ mitten im Berliner Kiez. Die Schwäbische Straße gehört zwar, nicht nur laut Pascale Hugues, noch zum Bayerischen Viertel, doch wer hier wohnt, ist eher in Richtung Akazien- und Winterfeldtkiez orientiert. Hin zur Akazienstraße mit ihren kleinen guten Läden, ihren Cafés und Restaurants. Und zur Winterfeldtstraße zum Beispiel mit dem Restaurant „April“, wo sie oft mit ihrem Mann Edgar saß, und natürlich dem Wochenmarkt auf dem Winterfeldtplatz.

„Schöneberg ist absolut mein Kiez“, sagt Bianca Froese-Acquaye, Tochter einer Deutschen und eines Ghanaers, der an der Filmhochschule Konrad Wolf studierte. 1964 ist sie geboren, in Babelsberg, als Kind ausgereist aus der DDR nach West-Berlin, ermöglicht durch das KSZE-Abkommen 1975. „Die soziale Mischung hier stimmt und ist natürlich gewachsen, Schöneberg ist nicht abgehoben, die Kiezseele ist kreativ und lebendig.“ Auch wenn sich der Kiez durchaus verändert.

Bianca Froese-Acquaye mit Hund Moana auf dem Barbarossaplatz.
Bianca Froese-Acquaye mit Hund Moana auf dem Barbarossaplatz.

© Kai-Uwe Heinrich

Am Barbarossaplatz zum Beispiel entstanden und entstehen zwei dieser neobarocken Wohnburgen, die von Immobilienfirmen gern als „Palais“ oder „Carré“ angepriesen werden. Dafür wurden zwei Nachkriegsbauten abgerissen. Bianca Froese-Acquaye steht mit Edgar Froeses Hündin Moana – „das ist Hawaiianisch für Ozean, weil sie so gern schwimmt“ – auf der Grünfläche in der Mitte des Platzes. Sie erzählt, dass Edgar und Monika Froese in einem der inzwischen verschwundenen Fünfzigerjahrebauten gewohnt hätten, bevor sie in den Altbau mit dem Spiegel umgezogen seien.

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Bei Youtube ist die NDR-Doku „Signale aus der Schwäbischen Straße“ von 1976 zu sehen. Eine Kameraeinstellung zeigt die Straße von oben, vom Barbarossaplatz her: Graue und schmuddelbeige Fassaden, heruntergekommene Mauerstadt. Der Sprecher leitet über vom kiezigen Bild zum internationalen Erfolg der Band, spricht vom „Aushängeschild der deutschen Rockmusik im Ausland“, von „Schallplatten, die sich nach Millionen verkaufen,“ und von „ausverkauften Konzerten im Ausland“. Nicht zuletzt war damals schon David Bowie Tangerine-Dream-Fan, wie auch John Peel, der große britische Radio-DJ. Und Richard Branson wäre mit seiner Plattenfirma Virgin, heute ein Mischkonzern mit Milliardenumsatz, ohne die Verpflichtung der Berliner Band auch nicht so gut in die Gänge gekommen. Bald gelang Tangerine Dream der Durchbruch auch in Hollywood mit Soundtracks für William Friedkin, Michael Mann oder Ridley Scott sowie später noch einmal auf ganz anderem, innovativem Gebiet mit Musik für das Computerspiel „Grand Theft Auto“.

Dass all dies nicht bedeutet, dass man auch daheim anerkannt wird, erfährt Bianca Froese-Acquaye derzeit wieder. „Es gibt zu wenig Unterstützung aus Berlin“, sagt sie mit Blick auf ihre Idee eines Tangerine-Dream-Museums. Gehört das nicht eigentlich hier in den Kiez, in dem alles begann, hierhin, nach Schöneberg? Zumal es ja auch lokale Anknüpfungspunkte zur nächsten Generation der elektronischen Musik, dem Techno der späten Achtziger, gibt. Gleich um die Ecke zum Beispiel war die Turbine Rosenheim ein wichtiger Schauplatz. Schwierig, sagt Bianca Froese-Acquaye. Dafür sei man in Melbourne interessiert. Und so wird daraus wohl eine internationale Wanderausstellung mit visuellen und musikalischen Exponaten.

Dass dieses Desinteresse in Berlin nichts Neues ist, belegt eine Anekdote aus Edgar Froeses vor kurzem erschienener Autobiographie, die Bianca Froese-Acquaye posthum herausgegeben hat: Vor der 200-Jahr-Feier der Partnerstadt Los Angeles hatte der Berliner Senat 1980 eine Abordnung nach Kalifornien entsandt, die aushandeln sollte, welchen künstlerischen Beitrag Berlin leisten könne. Tom Bradley, damals Bürgermeister von L.A., fand auf der Vorschlagsliste keinen ihm bekannten Namen und schlug vor, doch Tangerine Dream einzuladen. Diese Band wiederum kannten die Berliner Kulturabgesandten nicht.

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