zum Hauptinhalt
Diese historische Postkarte zeigt die Grunewaldstraße auf Höhe des Bayerischen Platzes. Die Ladenzeile mit Blumen Hübner ist hervorgehoben. Damals machte die Straße samt Tram noch einen Bogen um den Platz. Im Zuge der Anpassung alles Städtischen an den Autoverkehr wurde sie dann begradigt, die Straßenbahnschienen wurden entfernt.

© Fotomontage: Blumen Hübner

Grunewaldstraße: Eine Straße und so viel zu erzählen

Vom Reitweg zur Straße 13 bis zur Grunewaldstraße: Mark Belkin (15) beschreibt die Magistrale seines Kiezes, des Bayerischen Viertels.

Auf der Grunewaldstraße zwischen Martin-Luther-Straße und Bundesallee befinden sich heute eine Reihe einzigartiger Institutionen. Angefangen mit dem historischen Buchladen Bayerischer Platz. Gegründet wurde der Laden 1919 von Benedict Lachmann, einem jüdischen Intellektuellen. Er liebte sowohl die Literatur als auch seine Leser und Kunden. Viele der prominenten Bewohner des Bayerischen Viertels besuchten seinen Laden, darunter Albert Einstein, Gottfried Benn oder Curt Riess. Als Jude wird Lachmann deportiert und stirbt am 4. Dezember1941 an den grauenhaften Verhältnissen im Ghetto Lodz. Der Buchladen wechselte den Besitzer und überstand nicht nur den Zweiten Weltkrieg, sondern auch den Mauerbau und Fall. Seit 1975 und bis heute wird der Laden von Christiane Fritsch-Weith geführt.

Nicht weit entfernt findet sich am Bayerischen Platz der Blumen Hübner. Und zwar seit mehr als 100 Jahren. Die Blumenhändler Hübner sind in Berlin brühmt, einer von ihnen, Max Hübner, der in der Prinzenstraße in Kreuzberg ein Geschäft hatte, gründete 1908 die “Blumenspenden-Vermittlungs-Vereinigung”, um international einfacher Blumen zu verschicken und startete damit eine Erfolgsgeschichte. Heute trägt das Unternehmen den Namen „Fleurop“ und zählt 50.000 Partnerfloristen in 150 Ländern der Erde.

Frisch gebaut steht an der Straße das Café Haberland. Es befindet sich auf dem Neugebauten Pavillon am Bayerischen Platz. Das Haus wurde nach den Gründern des Bayerischen Viertels, Salomon und Georg Haberland, benannt und bietet seinen Besuchern sowohl Speisen und Getränke, als auch Informationen zur Geschichte des Bayerischen Viertels und besonders zum jüdischen Leben. Kiezinteressierte und Touristen finden im zeithistorischen Portal des Café Haberland einen einladenden Ort mit zahlreichen Tipps für die Erkundung der Umgebung.

Allee nach Wilmersdorf

Ihren Anfang nahm die Straße als Reitweg und Hauptverbindung von Berlin zum Grunewald. Außerdem war sie für Schöneberg die Hauptverbindung nach Wilmersdorf. Später wurde aus dem Reitweg die Straße 13. Der Weg wurde von den Bewohnern auch als Allee nach Wilmersdorf bezeichnet. 1877 wurde der Teil von der Hauptstraße bis zur späteren Akazienstraße dann in Grunewaldstraße umbenannt, da dieser in Richtung des Grunewalds führte. Der Teil, der in Richtung Wilmersdorf führte wurde auch weiterhin als Wilmersdorfer Weg oder auch Chaussee bezeichnet. Schlussendlich wurde der komplette Weg in die 1590 Meter lange Grunewaldstraße umbenannt.

Ab 1900 entstand an der Grunewaldstraße das Bayerische Viertel. Es wurde von Salomon und Georg Haberland errichtet und war für wohlhabende Großbürger bestimmt, die dem damalig noch unabhängigen Schöneberg mehr Steuereinnahmen verschaffen sollten. Die meisten Häuser wurden im süddeutschen Renaissancestil gebaut und es wurden Grünanlagen mit Pavillons und Springbrunnen errichtet.

Stolperstein für Benedict Lachmann, Schriftsteller und Gründer des Buchladens Bayerischer Platz.
Stolperstein für Benedict Lachmann, Schriftsteller und Gründer des Buchladens Bayerischer Platz.

© Markus Hesselmann

Das Viertel gewann an Ansehen und Klasse und so zogen viele Ärzte, Rechtsanwälte, gehobene und höhere Beamte, Künstler und Intellektuelle hinzu. Auch wurde das Viertel Anziehungspunkt für jüdische Bürger. Eine Synagoge, jüdische Kindergärten und Schulen wurden errichtet. Aus diesem Grund hieß das Viertel im Volksmund bald auch „Jüdische Schweiz“.

Deportationen und Bombenangriffe

Der Zweite Weltkrieg hat das Viertel stark verändert. Ein Großteil der jüdischen Bevölkerung des Bayerischen Viertels wurde während des Krieges in Vernichtungslager deportiert und ermordet. Die Synagoge in der Münchener Straße, die auch den Krieg überstand, wurde 1956 abgerissen, da kaum noch jüdische Bevölkerung im Viertel übrig blieb.

63 Menschenleben forderte der Bombenangriff auf den Bayerischen Platz und dessen Umgebung am 3. Februar 1945 allein im zerstörten U-Bahnhof Bayerischer Platz. Es war an dem Tag einer der schwersten Luftangriffe auf Berlin. Nur ein Kiosk auf dem Platz überstand den Angriff. Die Zerstörung war so verheerend, dass Bürger ihre eigenen Straßen nicht mehr wieder erkennen konnten.

Die Wiederaufbau-Arbeiten kamen nach dem Krieg langsam voran. Später waren sie überwiegend am Straßenverkehr orientiert. Es wurden vierstöckige Neubauten gebaut, den historischen Fassadenschmuck entfernte man bei Renovierungen der Altbauten. Vor der Begradigung der Grunewaldstraße fuhr noch eine Straßenbahn um den Platz herum. Wegen der leichten Neigung der Straße ist die Bahn jedoch immer wieder entgleist. Später wurde die Straße im Sinne des Autoverkehrs und wegen der geplanten U- Bahn Strecke, der U7, die unter dem Platz fährt, begradigt. Ab 1958 ergänzte dann der bronzene Löwe an der Grunewaldstraße, der Berlin vom Freistaat Bayern gewidmet wurde, den Bayerischen Platz. Gestalter des Löwen war der Bildhauer Anton Rückel.

Politisches Zentrum West-Berlins

Der Mauerbau brachte dem Viertel Aufschwung und Ansehen, denn das Rathaus Schöneberg wurde zum politischen Zentrum West-Berlins. Somit kamen mehr Menschen in die Geschäfte und es wurden viele Neue gebaut. Doch so schnell die Menschen kamen, gingen sie auch wieder, denn nach dem Mauerfall verlor Schöneberg wieder an Bedeutung. Zurück blieben viele leerstehende Geschäfte und Wohnungen.

Walter Momper auf dem Balkon des Rathauses Schöneberg am 10. November 1989, einen Tag nach dem Mauerfall.
Walter Momper auf dem Balkon des Rathauses Schöneberg am 10. November 1989, einen Tag nach dem Mauerfall.

© Kai-Uwe Heinrich

Selbst 1987 hatte die Grunewaldstraße noch teilweise einen Eindruck unmittelbarer Nachkriegszeit, da an der Straße halb bewohnte Gebäude standen, die eigentlich zum Abriss bestimmt waren. Auch gab es kaum Grün, da die Stadt den Fokus auf den Bau legte. Später erst wurde ein Programm gestartet, mit dem Grünanlagen und Parks gebaut wurden. Mit der Zeit wurden viele Gebäude nach ihrem alten Vorbild Wiederhergestellt und die Straße ähnelte wieder ihrer alten Form.

Abriss und Neubau des U-Bahnhofs

Der Bayerische Platz und der U- Bahnhof wirkten lange Zeit sehr heruntergekommen. Die Zahl der Besucher und Einkäufer rund um den Platz nahm ab. Nach einem Vorschlag des Vereins Quartier Bayerischer Platz wurde der Park dann neu hergerichtet. Der Bahnhof wurde wie so viele Gebäude vor den früherer Jahrzehnte aus unzuverlässigen Baumaterialien errichtet, oft wurde unter den Zement noch Bauschutt gemischt.

Deshalb konnte der Bahnhof laut BVG nicht restauriert werden, wurde stattdessen abgerissen und neu gebaut. Langsam kamen mehr neue Läden dazu, wie Betten Nordheim oder das traditionelle griechische Restaurant Taverna Ousia. Langsam war das Viertel wieder im Aufschwung. Es zogen mehr und mehr junge Familien hinzu und immer mehr Reisebusse hielten am Bayerischen Platz. Doch das Ganze brachte auch Nachteile mit sich, denn die Mieten begannen zu steigen.

Dieses und mehr über die Grunewaldstraße kann man im Archiv des Bezirks finden. Die Sammlung besteht aus den beiden ehemaligen Heimatarchiven der inzwischen zusammengelegten Alt-Bezirke Schöneberg und Tempelhof. Die Schöneberger Sammlung musste nach Zerstörung im Zweiten Weltkrieg seit den 50er Jahren wieder neu aufgebaut werden.

Mark Belkin (15), der im Bayerischen Viertel lebt, hat im Rahmen seines Schülerpraktikums beim Tagesspiegel diesen Text recherchiert und geschrieben.

Zur Startseite