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Der Berliner Theaterkritiker Friedrich Luft im Jahr 1990.

© picture-alliance /

Erinnerung an Friedrich Luft: Freiheitsglocke live und im Radio

Er machte Lust auf Schauspiel und Drama – und bleibt unerreicht. Hier Rüdiger Schapers persönliche Erinnerung an den großen Berliner Theaterkritiker.

Auch an jenem Sonntag verabschiedete er sich mit den legendären Worten: „Wir sprechen uns wieder, in einer Woche. Wie immer gleiche Stelle, gleiche Welle, herzlich auf Wiederhören, Ihr Friedrich Luft.“ Das war im Herbst 1990. Doch er kam nie wieder ins Studio. Zwei Monate nach der letzten Ausgabe der „Stimme der Kritik“ ist er gestorben in Berlin, heute vor 25 Jahren, Heiligabend 1990, in seiner Stadt, die immer schon eine Theaterstadt war. Er war ihr Ausrufer, Deuter, Richter und Schenker. Friedlich Luft schenkte Lust auf Schauspiel und Drama.

Er war lange Zeit Deutschlands populärster Theaterkritiker: Friedrich Luft. Er war über Jahrzehnte eine Instanz, ein Leuchtturm, ein gern gehörter Gast am Sonntagvormittag, auch wenn ich oft nicht seiner Meinung war und ihn altmodisch fand, großväterlich. Damals wohnte ich am Bayerischen Platz, in der Salzburger Straße. Wenn um Zwölf nach der Luft-Sendung die Freiheitsglocke im Rias erklang, hörten wir das Original live vom Turm des Rathauses Schöneberg scheppern. West-Berlin konnte sehr klein sein, auch wenn man sich fühlte wie die große weite Welt.

Einmal Aushilfs-"Stimme der Kritik"

Einmal durfte ich ihn vertreten. Der Rias hoffte auf Lufts Genesung, wollte die Sendung nicht ausfallen lassen. Es war Anfang Dezember 1990. Ich saß im Studio an der Kufsteiner Straße (heute: Hans-Rosenthal-Platz) mit meinem Manuskript, die Aushilfs-„Stimme der Kritik“, und ich fluchte. Fluchte über meinen Text. Rundfunkbeiträge hatte ich schon produziert, aber noch nie knapp vierzehn Minuten am Stück. Zur Sicherheit hatten sie mir einen Aufzeichnungstermin gegeben. Ich holperte durch meine Seiten wie über einen schlecht gepflügten Acker, stolperte, rutschte aus auf umständlichen Formulierungen. Mir blieb die Luft weg ...

Und das Ganze von vorn. Ich schwitzte. Trank ständig Wasser, wurde nervös. Mit Friedrich Luft habe ich nur einmal länger gesprochen. Es war auf Schloss Bellevue, bei einer Feier zu Ehren des Schauspielers Bernhard Minetti; Gastgeber war Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Ich war der Jüngste in der Runde, hörte den Honoratioren zu. Im Studio aber musste ich sprechen. Wenn die Lampe aufleuchtet, gibt es kein Erbarmen. Das Mikrofon will gefüttert sein. Als der Text – es ging um Kinder- und Jugendtheater in Berlin – endlich aufgenommen war, fühlte ich mich müde und leer. Und auch ein bisschen stolz.

Nie wieder Witze über Friedrich Luft

Respekt, das war die Lektion des Tages. Demut. Ich würde nie wieder Witze machen über Friedrich Lufts Kurzatmigkeit, seine Wortschleifen, seinen jovialen Ton. Das muss man erst einmal bringen, allein vor dem Mikro. Er hatte es drauf. Er war die „Stimme der Kritik“, gewiss, aber da gab es auch andere. Er aber war seine eigene Stimme. He was his own voice's master, er liebte die englische Sprache. Unverwechselbar, sein Ton.

Gedenktafel für Friedrich Luft am Rias-/Deutschlandradio-Gebäude am Hans-Rosenthal-Platz in Berlin-Schöneberg.
Gedenktafel für Friedrich Luft am Rias-/Deutschlandradio-Gebäude am Hans-Rosenthal-Platz in Berlin-Schöneberg.

© Wikipedia/OFTW

Die Sendung verschwand mit seinem Tod. Und wir blieben sonntags beim späten Frühstück in der Küche allein mit den Besserwissern von der „Galerie des Theaters“ im SFB. Denen fehlte die Lässigkeit, die Großzügigkeit, die Friedrich Luft ausgezeichnet hatte. 1911 in Berlin geboren, hatte er diesen wunderbaren Namen: Luft! Gibt es einen besseren für einen Radiomann? Immer auf Sendung, on air.

Aus den Rundfunkprogrammen ist Theaterkritik fast ganz verschwunden. Die Radio-Gewaltigen fürchten Wortbeiträge. Neue Formate müssen her, Sender reformieren sich ins Abseits. Es geht vielen Hörern so wie mir: Man würde einschalten, wenn es etwas zu hören gäbe.

Nach der ersten Veröffentlichung des Beitrags von Rüdiger Schaper ergänzte Ursula Luft einige persönliche Erinnerungen an ihren Onkel. Diese lesen Sie hier.

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