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Ernst Lubitsch spricht mit Greta Garbo am Filmset von "Ninotchka" 1939.

© AFP

125. Geburtstag des Regisseurs: Ernst Lubitsch: Vom Berliner Stoffverkäufer zum Hollywood-Regisseur

Ernst Lubitsch hat in Amerika großartige Filme geschaffen. Seine Anfänge lagen in Berlin, zuletzt war er im Bayerischen Viertel gemeldet. Heute vor 125 Jahren wurde Lubitsch geboren. Dies wird mit einer Preisverleihung und einer Filmreihe gefeiert.

Im Büro der Berlinale klingelt das Telefon: „Hier Bruno Mendelsohn. Ich rufe wegen Ernst Lubitsch an, der doch jetzt 75 wäre... Ich kannte ihn gut, ich war sein erster Chef und Lehrherr.“ Berlinale-Sprecher Hans Borgelt ist irritiert. Lubitschs erster Chef? War das nicht Max Reinhardt vom Deutschen Theater? Oder Ufa-Chef Paul Davidson? Skeptische Rückfrage also, in welcher Firma Herr Mendelsohn denn mit Lubitsch zusammengearbeitet habe. „Na, bei Hoffmann und Co., in der Königstraße, direkt neben Israel in der Nähe vom Alex.“

Königstraße, Israel, Hoffmann und Co. – das war schon 1967, dem Jahr des überraschenden, von Borgelt im Tagesspiegel geschilderten Anrufs, seit langem Geschichte. Die Königstraße wurde zur Rathausstraße, das Warenhaus N. Israel an der Ecke Spandauer Straße, rechts neben dem Roten Rathaus und zeitweise das größte der Stadt, wurde erst „arisiert“, dann ausgebombt.

Das längst vergessene Stoffgeschäft Hoffmann und Co. schließlich, nach Mendelsohns Schilderung einst zweitgrößtes in Berlin, hatte 1908 einen neuen Lehrling, damals noch „Stift“ genannt, bekommen: den 16-jährigen Ernst Lubitsch, den Expeditionsleiter Mendelsohn zum „Commis“, zum kaufmännischen Angestellten ausbildete. Keine leichte Aufgabe: „Wenn ich nicht aufpasste, hockte er hinter den Stoffballen und lernte Schiller oder so was Ähnliches. Einmal, als ich zu ihm trat, brüllte er mich an: ,Was willst du mit dem Dolche, sprich?’“

Lubitsch-Preisträger ist diesmal Peter Simonischek

Selbstverständlich hatte sich der ehemalige, damals 83-jährige Textilkaufmann damit eine Einladung zur Verleihung des Ernst-Lubitsch-Preises im Gloria-Palast verdient, der noch von Billy Wilder angeregt wurde und vom Club der Filmjournalisten Berlin seit 1958 traditionell am 29. Januar, Lubitschs Geburtstag, verliehen wird.

An diesem Sonntag ist es wieder so weit, Preisträger ist Peter Simonischek, Hauptdarsteller in dem nun auch für den Oscar nominierten Kinohit „Toni Erdmann“, und es ist sogar ein runder Geburtstag: 125 Jahre wäre Regisseur Ernst Lubitsch an diesem Tag geworden. Der Gloria-Palast am Kurfürstendamm existiert bis auf wenige denkmalgeschützte Reste nicht mehr, Ort der Preisverleihung ist vielmehr das Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz, eröffnet 1929, sieben Jahre nach Lubitschs Wechsel nach Hollywood.

Ich bin zwei Lubitschs. Diese Holzfigur, einst für das Kino „Notausgang“ in Schöneberg geschaffen, schmückt heute das Kino Babylon in Prenzlauer Berg.
Ich bin zwei Lubitschs. Diese Holzfigur, einst für das Kino „Notausgang“ in Schöneberg geschaffen, schmückt heute das Kino Babylon in Prenzlauer Berg.

©  Doris Spiekermann-Klaas

Aber ein Zeitzeuge, der Lubitsch noch kannte, wird auch diesmal dabei sein: Tochter Nicola Lubitsch, in den USA geboren, also ohne eigene Erinnerungen an die Berliner Anfänge ihres Vaters, wie sie ohnehin zwar Erinnerungen an ihren Vater hat, bei dessen Tod 1947 sie zehn Jahre alt war, „aber nicht die, die die Leute wollen. Erinnerungen an den Mann, nicht an den Regisseur“ – so hatte sie es erzählt, als sie 1992, zum 100. Geburtstag ihres Vaters, Berlin besuchte. Damals war sie mit einer Holzfigur ihres Vaters, die Gunter Rometsch für sein Kino „Notausgang“ in der Schöneberger Vorbergstraße in Auftrag gegeben hatte, durch die halbe Stadt kutschiert worden, hin zum Wohnhaus Schönhauser Allee Ecke Lottumstraße in Prenzlauer Berg, wo Lubitsch von 1896 bis 1919, also auch während seiner Zeit als Stift bei Hoffmann und Co., mit seinen Eltern gelebt hatte.

Heute hängt dort eine „Berliner Gedenktafel“. Das nur einen Block entfernte Eckhaus in der Lothringer Straße 82 A, der heutigen Torstraße, wo der kleine Ernst am 29. Januar 1892 um sieben Uhr morgens als Sohn des Schneidermeisters Simon Lubitsch und seiner Frau Anna geboren wurde, existiert dagegen nicht mehr – anders als das Haus von Lubitschs letzter Berliner Adresse, Kufsteiner Straße 13 im Bayerischen Viertel in Schöneberg. Das „Berliner Adreßbuch“ von 1922 weist ihn als „Oberregisseur“ aus und nennt auch seine Geschäftsadresse: Ernst Lubitsch Filmgesellschaft m.b.H. in der Hardenbergstraße 29a.

Man findet noch weitere Orte, die direkt mit Lubitschs Berliner Jahren verbunden sind. Zum Beispiel in der Weinmeisterstraße 15 in Mitte einen Klinkerbau in der Tradition des Klassizismus, das Direktoratsgebäude des ehemaligen Sophien-Gymnasiums, das Lubitsch von 1902 bis 1908 besuchte.

Sein Vater hatte für ihn eine Laufbahn in der Bekleidungsbranche vorgesehen, Lubitsch selbst allerdings will schon mit sechs Jahren den Wunsch geäußert haben, Schauspieler zu werden, soll sich auch der Theatergruppe seiner Schule angeschlossen und dort erste Erfolge gesammelt haben. Spezialität des Pennälers: alte Männer.

Nach der Lehre trat er aber erst mal ins Geschäft seines Vaters ein, wenngleich nur für kurze Zeit. Er lernte Victor Arnold kennen, Schauspieler am Deutschen Theater, der sein Talent sah und ihm Schauspielunterricht erteilte, was Lubitsch umgehend auf kleinen, dem Slapstick nahestehenden Bühnen ausprobiert. Arnold empfahl den 19-Jährigen demTheaterchef Max Reinhardt, der ihn im August 1911 als Kleindarsteller im Haus in der Schumannstraße engagierte.

Eine seiner ersten Rollen: Lehrling in einem Textilgeschäft

Bereits zwei Jahre später kam das Kino dazu. Der erste Film, in dem Lubitsch mitspielte, war wohl die kurze Komödie „Die ideale Gattin“, die lange Zeit als verschollen galt, aber wiederaufgetaucht ist - anders als „Die Firma heiratet“, gedreht im Herbst 1913 bei der Projektions-AG Union in Tempelhof, am Südrand des Tempelhofer Feldes, und am 23. Januar 1914 uraufgeführt im U.T. Friedrichstraße, zwischen Tauben- und Mohrenstraße.

Es war Lubitschs Durchbruch als Schauspieler, mit der Rolle kannte er sich ja auch aus: Er war „Der kleine Abramowsky“, Lehrling in einem Berliner Textilgeschäft, etwas naseweis, etwas schlitzohrig, der zuletzt das Liebesglück seines von Victor Arnold gespielten Chefs auf den Weg bringt. Die Fortsetzung „Der Stolz der Firma“ folgte umgehend.

Parallel blieb der aufstrebende Leinwandheld bis Mai 1918 Ensemblemitglied im Deutschen Theater, festgelegt auf kleinere, oft komische Rollen, während sein Stern im Kino schnell immer höher stieg. Bald war er auch sein eigener Autor und Regisseur – während der Kriegsjahre in Ein- bis Dreiaktern, danach mit Filmen wie „Die Augen der Mumie Ma“ oder „Carmen“ schon im ganz großen Rahmen mit Stars wie Pola Negri, Henny Porten und Emil Jannings.

Zu den Dreharbeiten in Tempelhof kam sogar Reichspräsident Ebert

Die Tempelhofer Dreharbeiten zu „Anna Boleyn“ im Oktober 1920 besuchten sogar Reichspräsident Friedrich Ebert und der Maler Lovis Corinth. Der Schriftsteller Paul Eipper hat Lubitschs Regiestil in einer Szene zwischen der von Henny Porten dargestellten Titelheldin und ihrem von Paul Hartmann gespielten Liebhaber anschaulich beschrieben: „Lubitsch kommandiert ,Ruhe!’ und schreit von neuem: ,Hartmann, fass ihre Hand höher, fester, Porten abwenden! Hartmann zupacken! Einreden! Fest packen! Kopf zurück, Porten! Er sagt dir was, du freust dich, wehrst ab, Hartmann greif zu, heftiger, heftiger! Du liebst sie, du zitterst, dein Mund flüstert, Porten werde ängstlich! Jetzt Hartmann, auf die Knie! – Gut! Licht aus!’“ Das Tempelhofer Studiogelände allein genügte da nicht mehr. Für „Anna Boleyn“ zog Lubitsch zum Lipnitzsee bei Wandlitz, die Schlachtszenen zwischen Ägyptern und Äthiopiern in „Das Weib des Pharao“ wurden in den Gosener Bergen östlich des Seddinsees gedreht.

Wenig später, im Dezember 1921, besuchte Lubitsch mit seinem Produzenten Paul Davidson, ehemals Ufa-Generaldirektor, nun Boss der aber bald gescheiterten Europäischen Film-Allianz, erstmals die USA – eine Stippvisite, da Streit in der Firma sie vorzeitig zur Rückreise zwang, aber die geknüpften Kontakte reichten offenbar aus für einen Neustart in den USA, zumal „Das Weib des Pharao“ dort großartig lief.

Ein Abschied von Berlin für immer - bis auf zwei Besuche

Nur einen Film, das Kammerspiel „Die Flamme“ mit Pola Negri, sollte Lubitsch in Berlin noch drehen, kurz vor der Hochzeit mit seiner ersten Frau Irnie. Danach blieben ihm nur noch wenige Monate in seiner Heimatstadt: Mary Pickford hatte ihn eingeladen, mit ihr in der Hauptrolle als spanische Straßensängerin den Kostümfilm „Rosita“ zu drehen. Am 2. Dezember 1922 wurden Lubitsch und seine Frau am Lehrter Bahnhof von Freunden verabschiedet, für ein kurzes Gastspiel in Amerika, wie er glaubte. Es war, bis auf zwei Besuche 1927 und 1932, ein Abschied für immer.

Anlässlich des 125. Geburtstages gibt es im Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz eine Reihe von Veranstaltungen zu Lubitsch. Sie beginnen an diesem Donnerstag, 20 Uhr, mit einer bis 9. Februar laufenden Reihe von Filmen von Lubitsch selbst und solchen, denen der berühmte „Lubitsch-Touch“ nachgesagt wird. Titel: „How would Lubitsch do it“ – so stand es auf einem Schild in Billy Wilders Büro; das Original ist, neben anderen Lubitsch-Memorabilia, im Filmmuseum am Potsdamer Platz ausgestellt. Die Reihe beginnt mit Lubitschs „Ninotchka“, in Anwesenheit der Tochter Nicola Lubitsch und Laura von Wangenheim, Enkelin des Schauspielers Gustav von Wangenheim, den Lubitsch 1936 im Moskauer Exil besucht hatte. Seine Erlebnisse dort gingen in den Film ein. Am Sonntag, dem 125. Geburtstag des Regisseurs, ist um 14 Uhr, als Teil der Aktion „Berlin sagt danke“, bei freiem Eintritt „Sein oder Nicht-Sein“ zu sehen. Um 18 Uhr beginnt die Verleihung des Ernst-Lubitsch-Preises, bei der erst Lubitschs „Blaubarts achte Frau“ und nach der Verleihung Maren Ades „Toni Erdmann“ gezeigt werden (Eintritt 12 Euro). Weitere Programminfos: www.babylonberlin.de.

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