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Das Schild über dem Eingang des Prater-Biergartens in der Kastanienallee.

© Reinhart Bünger

Bau-Affäre um Berlins ältesten Biergarten: Prater-Betreiberin fordert "Plan B" vom Bezirksamt

Mieterin Dagmar Hillig wehrt sich gegen den Umbau ihres Prater-Biergarten in Prenzlauer Berg. Sie sucht einen Kompromiss, doch der Bezirk Pankow bleibt hart. Warum?

Von Christian Hönicke

Die Betreiberin des Prater-Biergartens in Prenzlauer Berg fordert das Bezirksamt auf, im Streit um die Umbaumaßnahmen gemeinsam mit ihr nach einer Lösung zu suchen. „Wir sind gesprächsbereit, aber nicht unter diesem Druck“, sagt Dagmar Hillig. „Man muss auf unsere Bedürfnisse eingehen und der Biergartenbetrieb muss auf jeden Fall weiterlaufen können.“

Das Bezirksamt will Berlins ältesten Biergarten wie berichtet weiträumig umgestalten. Dabei sollen zahlreiche Bäume auf dem Gelände in der Kastanienallee gefällt werden, Ziel ist die Wiederherstellung eines temporären Zustands wie zu DDR-Zeiten in den 1950er Jahren. Dagegen wehrt sich Hillig, inzwischen wird der Streit gerichtlich ausgetragen.

[Dieser Text stammt aus dem Pankow-Newsletter vom Tagesspiegel. Den kompletten Pankow-Newsletter gibt es kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]

Zuletzt kassierte der Bezirk dabei vor dem Landgericht eine schwere Niederlage. Er wollte Hillig durch ein Urteil zur Duldung der Baumaßnahmen verpflichten. Das Gericht gab jedoch Hillig vollumfänglich Recht und kritisierte das Vorgehen des Bezirks als Vermieter in schärfsten Worten. Das Bezirksamt hat dagegen Berufung eingelegt.

Hillig zeigt sich vom Vorgehen des Bezirks schwer enttäuscht und irritiert. Von Beginn an habe das Bezirksamt in dieser Frage nicht partnerschaftlich und auf Augenhöhe, sondern „hoheitlich“ gehandelt. „Man hat nie mit uns geredet, sondern uns alles einfach vor den Latz geknallt“, sagt sie. „Es wurde einfach nicht gesehen, dass hier ein privatrechtlicher Vertrag besteht, der selbstverständlich auch für den Vermieter verbindlich ist.“

Wer hat die Baupläne veranlasst?

Sie habe zwar im Verlauf der Auseinandersetzung kurz mit Bürgermeister Sören Benn (Linke) und dem für die Bezirksimmobilien zuständigen Stadtrat Torsten Kühne (CDU) gesprochen, aber niemand habe sie wirklich über die Hintergründe und das Ausmaß der Bauarbeiten informiert. Wer die Umgestaltungspläne im Bezirksamt ersonnen hat und warum sie so rigoros verfolgt werden, das hat Hillig bis heute nicht herausgefunden.

Statt der vom Bezirk behaupteten „Sanierung“ ohne Beeinträchtigung ihres Biergartengeschäfts solle jedenfalls eine völlige Umgestaltung der Mietsache bei einer fast einjährigen Bauzeit erfolgen. Der Bezirk habe das Projekt auch zunächst „Neugestaltungs- und Sanierungskonzept des Pratergartens“ genannt, um es dann vor Gericht zur schlichten Sanierung „umzuetikettieren“, so Hillig. „Eine Sanierung ist das nur zum kleinsten Teil, das hat auch das Gericht festgestellt.“

Das Bezirksamt sieht sich als Opfer

Das Bezirksamt blieb auf Tagesspiegel-Anfrage bei seiner Position. Es sieht sich als Opfer einer renitenten Mieterin. Stadtrat Kühne verwies auf die noch laufende gerichtliche Auseinandersetzung und erklärte, an der Sachlage habe sich "nichts geändert". Doch dem Amt ging es laut Kühne "bei allen seinen Handlungen lediglich darum, die auf dem Pratergrundstück für erforderlich gehaltenen Erneuerungs- und Ertüchtigungsarbeiten im Einklang mit dem Mieter durchführen zu können".

Das Bezirksamt sei dabei auch "immer verhandlungsbereit" gewesen, so Kühne. Er verweist auf mehrere Gespräche und einen "intensiven Schriftwechsel". Die Planungen seien auch "mehrfach angepasst" worden. Allerdings habe Hillig "nicht erfüllbare Gegenleistungen" für die Duldung der Baumaßnahmen gefordert. "Entweder sollte eine pauschale Summe in Höhe von 1,8 Millionen Euro gezahlt werden oder eine Vertragsverlängerung bis zum Jahr 2042 für die Biergartenbetreiberin anerkannt werden", so Kühne. "Beide Forderungen kann das Bezirksamt nicht erfüllen." Man habe aber eine Verlängerung um fünf Jahre angeboten, die Hillig ausgeschlagen habe.

Hillig sieht sich als geldgierig dargestellt

Dem widerspricht Hillig entschieden. „Ich bin sehr sauer, dass ich so dargestellt werde“, sagt sie. „Eine Schadenersatzzahlung haben wir zu keiner Zeit gefordert." Man habe vom Vermieter ausschließlich gefordert, "die uns durch die Baumaßnahmen entstehenden Nachteile auszugleichen und mit uns über die Art und Weise einer Kompensation zu reden". Dabei habe sich unter anderem eine Verlängerung des Mietvertrages ins Gespräch gebracht.

Hillig nimmt an, dass ihr bestehender langfristiger Vertrag ein Grund für die wenig mieterfreundliche Vorgehensweise des Bezirksamts ist. Der wurde nach ihren Angaben 2007 vom Bezirksamt verlängert und läuft noch bis Ende 2030. Die Mietkonditionen seien vergleichsweise günstig, räumt Hillig ein, „aber das ist ja nicht meine Schuld“. Das Bezirksamt habe ihr gegenüber deutlich gemacht, dass nach Abschluss der geplanten Umbauarbeiten eine sofortige Anpassung auf die ortübliche Vergleichsmiete erfolgen solle: „Die Miete soll dann mindestens verdoppelt werden.“

"Es muss einen Plan B geben"

Trotz des Ungemachs und der laufenden Gerichtsverhandlungen hofft Hillig, sich demnächst doch gemeinsam mit ihrem Vermieter an einen Tisch setzen zu können. Dabei sei aber nun der Bezirk am Zug, denn „natürlich lasse ich die geplante Umgestaltung in dieser Form nicht zu“, sagt sie. „Es sollte jemand auf uns zukommen, der uns die Pläne erklärt und sie dann mit uns abstimmt. Es muss einen Plan B geben.“

Mit dem aktuellen Bezirksamt wird dieser Plan B wohl nicht mehr zustande kommen. Der aus dem Amt scheidende Stadtrat Kühne macht deutlich, dass er sich eher einen anderen Mieter wünscht. Eine "umstandslose Vertragsverlängerung" über 2030 jedenfalls könne es nicht geben, erklärt er. "Aufgrund der exponierten Lage und der Attraktivität der Immobilie sieht sich das Bezirksamt verpflichtet, vor dem Abschluss neuer Mietverträge einen gewissen Wettbewerb für etwaige Interessenten zu eröffnen."

Zudem solle der künftige Mieter "auch zu den wieder beabsichtigten Nutzungen im Prater-Theater passen", stellt Kühne klar. Hillig hofft, dass sich diese Ansicht nach der Wahl in der neuen Bezirksamtsleitung ändert.

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