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Caroline und Frank Lüdecke sind die neuen Chefs des Kabarett-Theaters „Die Stachelschweine“ im Europa-Center.

© Thilo Rückeis

Betreiberwechsel in Traditionsbühne: Kabarett-Theater "Die Stachelschweine" startet neu

Kabarettist Frank Lüdecke und seine Frau übernehmen "Die Stachelschweine" in Charlottenburg. Sie planen eine zweite Bühne und lassen die Premiere proben.

Für Frank Lüdecke schließt sich jetzt ein Kreis. Im Kabarett-Theater „Die Stachelschweine“ hatte er 1979 als Schüler seine „erste Kabarettveranstaltung gesehen“, war spontan begeistert und dachte sich: „Das will ich auch machen.“ Und so kam es. Mit Auftritten im Fernsehen und auf vielen Bühnen im In- und Ausland wurde Lüdecke selbst ein bekannter Kabarettist. 40 Jahre später übernimmt Lüdecke nun die künstlerische Leitung der „Stachelschweine“ im Europa-Center am Charlottenburger Breitscheidplatz.

Seine Frau und Managerin Caroline fungiert als Geschäftsführerin. Sogar die vier erwachsenen Kinder der beiden wollen mithelfen, zum Beispiel an der Kasse. Außerdem gibt es ein neues junges Ensemble. In der Silvesternacht dieses Jahres hörte Lüdecke, den Tagesspiegel-Leser auch als Autor der Fußball-Kolumne „Auslaufen mit Lüdecke“ kennen, zum ersten Mal, das Theater werde angeboten. Noch am selben Abend rief er dessen geschäftsführende Gesellschafterin Charlotte Reeck an, die ihm bestätigte, dass sie nach 30 Jahren aufhören wolle. Spätere Treffen führten zur „freundlichen Übernahme“, wie beide es ausdrücken. Der Abschied „tut schon etwas weh“, sagt Reeck. Andererseits ist es für sie eine „große Beruhigung“, den Betrieb auch in Zukunft in guten Händen zu wissen.

Mit einer Premiere wird bald auch das 70. Theaterjubiläum gefeiert

Derzeit laufen Proben für das von Lüdecke geschriebene Stück „Viel Tunnel am Ende des Lichts“, dessen Premiere am 31. August nicht nur die Übernahme des Theaters erkennbar machen wird, sondern auch als Jubiläums-Inszenierung zum 70-jährigen Bestehen der Stachelschweine gedacht ist.

Erstmals stehen damit Melissa Anna Schmidt, Steven Klopp und Julian Trostorf gemeinsam auf der Bühne. Die drei Schauspieler im Alter zwischen Ende 20 und Anfang 30 wählte Lüdecke in einem Castingverfahren aus. „Bei mir lief es noch ein bisschen anders“, erzählt Trostorf, der zuletzt in der „Vaganten Bühne“ aufgetreten war. Dort hatte Lüdecke ihn gesehen, nach einer Vorstellung angesprochen und danach gecastet.

„Wir lernen uns jetzt erst kennen“, sagen die Ensemblemitglieder. Trostorf verrät auch etwas über den Ausgangspunkt der Handlung: Drei Menschen, die Suizid begehen wollen, begegnen sich zufällig auf dem Dach des Europa-Centers. Statt herunterzuspringen, kommen sie sich näher. Das klingt ähnlich wie in Nick Hornbys Roman „A Long Way Down“. Aber natürlich spinnt Frank Lüdecke die Handlung anders weiter.

Extra-Spielstätte für junge Talente

Auch baulich verändert sich das Kabarett-Theater im Untergeschoss des Europa-Centers. Der Berliner Designer Werner Aisslinger will das Foyer behutsam modernisieren. Es soll „luftiger und lässiger“ werden, „ohne mit der Tradition zu brechen“. Als wichtigste Neuerung entsteht an der Stelle einer bisherigen Sitzecke eine kleine zweite Bühne für junge Kabarettisten und Schauspieler. Noch unbekannte Nachwuchstalente, welche die Hauptbühne mit 330 Sitzplätzen nicht füllen können, dürfen in der zusätzlichen Spielstätte künftig vor bis zu 80 Zuschauern auftreten.

Im 1965 eröffneten Europa-Center waren Die Stachelschweine einer der ersten Mieter – und sind inzwischen der älteste. Eigentlich seien Kabarettbühnen ja „ertragsseitig nicht das, was sich ein Immobilieneigentümer vorstellt“, sagt Centermanager Uwe Timm. Aber: „Das Theater passt unheimlich gut in den Zeitgeist.“ Denn heutzutage hätten Einkaufsbummel für viele Kunden einen Erlebnischarakter, Kultur gehöre dementsprechend dazu. Das Europa-Center hat den Mietvertrag gerade um zehn Jahre verlängert.

Die Kabarettisten Wilfried Herbst (li.) und Wolfgang Gruner 1980 in dem Stück „Kreishauptstadt Berlin“.
Die Kabarettisten Wilfried Herbst (li.) und Wolfgang Gruner 1980 in dem Stück „Kreishauptstadt Berlin“.

© imago/United Archives

Mehrmals zog die Bühne um

Die Geschichte der Stachelschweine reicht bis 1949 zurück. Damals waren sie das erste Berliner Kabarett-Theater in der Nachkriegszeit. Zu den Gründern des Kabaretts gehörten die Schauspieler Rolf Ulrich, Alexander Welbat, Klaus Becker und Joachim Teege. Anfangs trat man im Künstler- und Studentenlokal „Badewanne“ an der Nürnberger Straße auf. Später ging es im „Burgkeller“ am Ku’damm, in der Kneipe „Ewige Lampe“ in der Rankestraße und im „Nürnberger Trichter“ an der Nürnberger Straße weiter, bis schlussendlich der Umzug ins Europa-Center folgte. Zu den langjährigen Ensemblemitgliedern gehörten Wolfgang Gruner, der auch Mitgesellschafter war, Günter Pfitzmann und Edith Hancke.

Tipps von Dieter Hallervorden

Frank Lüdecke sagt, das Theater sei „immer eine Ensemblestätte und kein Gastspielhaus“ gewesen. Dabei soll es bleiben. Für ihn ist politisches Kabarett weiterhin „absolut lebendig“. Den ersten großen Bühnenauftritt in Berlin hatte ihm Dieter Hallervorden 1991 in seinem Charlottenburger Kabarett „Die Wühlmäuse“ verschafft. Es wurde Lüdeckes Hauptspielort, er will dort auch in Zukunft weiter auftreten. Als er Hallervorden von seinen Plänen für ein eigenes Kabarett-Theater erzählte, gab dieser ihm Tipps.

Hallervorden selbst tritt normalerweise in seinen eigenen zwei Häusern auf, zu denen auch das Steglitzer Schlosspark-Theater gehört. Doch aus Verbundenheit mit Lüdecke will er am 27. Oktober ausnahmsweise einmal bei den Stachelschweinen auf der Bühne stehen.

Im dritten bekannten Berliner Kabarett, „Die Distel“ an der Friedrichstraße, war Lüdecke in den Jahren 2006 bis 2008 der künstlerische Leiter. Auch mit der Distel sieht er sich weiterhin „freundschaftlich verbunden“.

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