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Beim Einsatz klagen Polizisten immer wieder über schlechte Ausstattung.

© Zinken/dpa

Besuch im IT-Zentrum: Berliner Polizei wird digitaler

Die Polizei – eine moderne Behörde? Diese Einschätzung überrascht. Ein Besuch im IT-Zentrum zeigt aber, dass sich trotz der vielen Pannen etwas tut.

Zum dritten Mal an einem Abend fährt der Streifenwagen durch diese eine Straße in Charlottenburg. Das ist kein Zufall. Ein Algorithmus hat ausgerechnet, dass es dort signifikant mehr Einbrüche gegeben hat. Ein Verantwortlicher in der Polizeidirektion entschied daraufhin, dort verstärkt Kräfte hinzuschicken. „Predictive Policing“ heißt die Technik, die in immer mehr Bundesländern eingesetzt wird.

In Berlin ist sie seit mehr als einem Jahr im Einsatz. Sie soll keine konkreten Straftaten voraussagen, aber helfen, Kräfte an besonders kriminalitätsbelasteten Orten zu koordinieren. Es ist nur ein Beispiel, wie moderne Technik die Arbeit der Polizei beeinflusst. Die Daten für die Analyse kommen aus dem eigenen IT-System der Polizei. Das erfasst Straftat und Ort so, dass sich später sogenannte Heat-Maps, eine Art Landkarte, etwa für Wohnungseinbrüche erstellen lassen.

In das System fließen auch die Anzeigen der Internetwache mit ein. Seit 2005 können Bürger Strafanzeigen online stellen, etwa, wenn das Fahrrad gestohlen wurde. Mehr als 100.000 Anzeigen wurden im Jahr 2016 online gestellt.

Es klingt wie ein Widerspruch: Die Berliner Polizei ist digital gut aufgestellt. Die Landesbehörden der Hauptstadt haben nicht unbedingt den Ruf, in Digitalisierungsfragen vorne dabei zu sein. Und doch lobt die Chefin des landeseigenen IT-Dienstleistungszentrums (ITDZ), Ines Fiedler, die Behörde. Der ITDZ ist für die Digitalisierung der Berliner Verwaltung zuständig.

Bei der Polizei betreut das Zentrum die IT-Infrastruktur und kümmert sich um die Sicherung hochsensibler Daten. Rund 16.000 Arbeitsplätze gibt es für genauso viele Vollzugsbeamte. Die müssen nicht, wie in anderen Behörden, vom ITDZ koordiniert werden. Die Polizei könne sich aus eigener Kraft der neuen Technik annähern, heißt es.

"Wir hinken Jahre hinterher"

Eine Einschätzung, die eher überrascht. Gefühlt überwiegen die Meldungen von Polizisten, die ihre privaten Handys im Dienst nutzen müssen. Doch auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist zuversichtlich, dass sich nun langsam etwas tut, wenn auch viel zu spät. „Wir hinken Jahre hinterher“, heißt es. Man befände sich gerade mal in den Kinderschuhen, aus denen man so schnell nicht herauswachsen werde.

Was meint also das ITDZ, wenn es die Polizei lobt? Es geht vor allem um die digitale Infrastruktur, die ein digitales Arbeiten erst möglich macht. Hier läuft es bei der Berliner Polizei – im Gegensatz zu anderen Behörden in der Stadt – recht gut.

Oliver Knecht ist der Leiter der Serviceeinheit Informations- und Kommunikationstechnik. Der gelernte Kriminalbeamte hat im Laufe seiner Karriere gemerkt, wo Technik bei der täglichen Polizeiarbeit einen Unterschied macht. „Früher hat man gesagt, Technik ist einsatzbegleitend. Heute kann man in jeder Hinsicht sagen, Technik ist einsatzbestimmend“, sagt er.

Damit meint er nicht nur den Digitalfunk, der immer wieder in Berlin nicht funktionierte. „Es gibt Situationen, wo der Digitalfunk rein physikalisch nicht optimal funktionieren kann“, sagt Knecht. Das hängt etwa mit der Architektur der Gebäude zusammen. Stahlwände blockieren den Empfang, ähnlich wie bei W-Lan. Die Politik will mehr Sendemasten bauen, hat dafür 20 Millionen Euro bereit gestellt. Und die Beamten mit Smartphones ausstatten. Knechts Vision ist, dass bald alle Polizisten die Anzeigen am Handy ins System eintippen können. Einiges an Schreibtischarbeit könnte dann wegfallen.

Über 30 Millionen Euro will die Innenverwaltung ausgeben

Wichtig ist es, sagt Knecht, Systeme und Kommunikation zu vereinheitlichen. Das Vorgangsbearbeitungssystem „Poliks“ ist ein Anfang. Die Polizisten können sich an den Arbeitsplätzen einloggen und haben automatisch die Berechtigungen, die für ihre Position vorgesehen sind. Gleichzeitig kann das System Statistiken erstellen. „Dem Kollegen, der nachts um drei eine Anzeige aufnimmt, erschließt sich nicht unbedingt, warum er bestimmte Informationen eingeben muss“, sagt Knecht. Genau dafür seien aber alle Angaben wichtig. So wird etwa die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik erstellt. Mehr als 30 Millionen Euro will die Innensenatsverwaltung für solche Systeme bei der Polizei ausgeben.

Auch die Einsatzsteuerung wird bereits digital unterstützt. Mit dem Kräftesteuerungsmodul plant die Polizei die Einsatzstunden der Beamten. Wer wo wann hinfährt, wird zentral und nicht mehr aus den Bezirken gesteuert. So gibt es nicht nur einen besseren Überblick, sondern es lässt sich auch auswerten, wo die Polizei mit wie vielen Kräften im Einsatz war. Die Autos werden allerdings nicht automatisch geortet, wie es oft schon in den USA üblich ist. Gerade für die Politik sind solche Einsatzzahlen wichtig, sagt Knecht. Bald soll auch eine Analyse möglich sein, wie erfolgreich ein Einsatz war. In Knechts Abteilung arbeiten 360 Menschen aus ganz verschiedenen Bereichen: Polizisten, Verwaltungsangestellte, Programmierer und IT-Techniker.

Neue Aufgaben gibt es für die Abteilung dann, wenn sie Massendaten nutzen wollen, zum Beispiel Videoaufnahmen aus dem Öffentlichen Nahverkehr. Beim Boston-Marathon gelang es den Ermittlern, tausende Handybilder auszuwerten. „Früher hat man zur Bewältigung großer Datenmengen einfach mehr Festplatten gekauft“, sagt Knecht. Heute dreht sich alles um Cloud-Lösungen, also virtuellen Speicherplatz. Und natürlich müssen die Systeme besonders geschützt werden – nicht nur gegen Daten, die von außen auf die Server gelangen: Das ITDZ muss jährlich acht Millionen Angriffe auf das Berliner Landesnetz abwehren.

Weil auch für die Polizei das Berliner E-Gouvernement-Gesetz gilt, muss sie sämtliche Dienstleistungen online anbieten. Bei der Internetwache funktioniert das schon ganz gut. An anderen Stellen hängt es noch, wie zum Beispiel beim Antrag des Waffenberechtigungsscheins.

Ziel: Einmalerhebung–Mehrfachnutzung

Kompliziert wird es beim Datenschutz. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung muss ebenso eingehalten werden, wie Löschfristen. Da gibt es immer wieder Pannen, wie zum Beispiel bei den Protesten zum G20-Gipfel. Dort wurden Journalisten Akkreditierungen entzogen, weil Daten nach der Löschfrist noch im System vorhanden waren.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte damals, dass die Daten in der Berliner Behörde zwar gelöscht worden seien, das aber nicht an das LKA in Hamburg übermittelt worden sei, die die Daten von den Berlinern bekamen. „Eigentlich informiert das System den Sachbearbeiter automatisch“, sagt Knecht. Doch: „Die besten automatischen Regeln, machen keinen Sinn, wenn die Daten dazu noch händisch eingegeben werden müssen, sich die Eingabekraft im Urlaub befindet und die Daten auf dem Schreibtisch liegen.“ Das Ziel sei ganz klar Einmalerhebung–Mehrfachnutzung.

Genau diese Übermittlungsvorgänge und Schnittstellen zwischen den Systemen sind noch ein Problem. Zum einen müsste das Programm sich merken, an wen es Daten weitergibt, um so dann die Löschung veranlassen zu können. Zum anderen hapert es noch an Schnittstellen zwischen den einzelnen Bundes- und Landespolizeibehörden. Aktuelle Fälle wie der des Attentäters vom Breitscheid-Platz, Anis Amri, der zunächst in Nordrhein- Westfalen gemeldet war, oder auch die Versäumnisse in den Ermittlungen zum sogenannten NSU in verschiedenen Bundesländern zeigen, dass vieles nicht reibungslos funktioniert.

Die Schnittstellen sind eine große Herausforderung, sagt Knecht. Es gibt sie zwischen den Landesbehörden, aber auch zwischen Polizei und Staatsanwalt. Hier gilt es, nicht ständig neue Schnittstellen zu schaffen, sondern auch mal ein System zentral aufzustellen. Die Saarbrücker Agenda, die die Innenminister im November 2016 beschlossen haben, soll ein Anfang sein. Darin wurde beschlossen, dass der Informationsaustausch zwischen den zwei Bundespolizeibehörden und den 16 Länderbehörden bis 2020 vereinheitlicht werden soll.

In Berlin arbeitet die Polizei bereits an weiteren Vernetzungen. Gemeinsam mit der Feuerwehr soll eine kooperative Leitstelle entstehen. Beide Leitstellen sollen einheitliche IT-Verfahren bekommen.

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