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Ulf-Martin Schmidt ist altkatholischer Priester.

© Frank Bachner

Besuch bei Altkatholiken in Berlin: „Wir segnen auch Homosexuelle“

Die Altkatholiken sind die tolerante, die demokratische Version einer katholischen Kirche. Ihre Pfarrer dürfen heiraten und Frauen die Priesterweihe erhalten.

Das Pult, an dem Pfarrer Ulf-Martin Schmidt predigt, steht direkt neben vier großen Aquarellen an der Wand. Auf einem Bild sind schemenhaft vier tanzende Personen zu erkennen, auf einem anderen langstielige blaue Blumen. Wenn Schmidt seinen Kopf zur Seite dreht und durchs Fenster blickt, sieht er den Verkehr der Detmolder Straße in Wilmersdorf.

In einer Ecke steht unter dem Bild der Gottesmutter eine große Schale mit Sand, in den eine Kerze gedrückt ist. Die Flamme lodert. Sie sorgt mit dafür, dass der nüchterne Raum die nötige sakrale Stimmung erhält. Denn hier ist das Zentrum der altkatholischen Gemeinde. Hier sagt Pfarrer Schmidt: „Das gemeinsame Tischabendmahl ist mein Highlight.“

Das Abendmahl vor Karfreitag, vor dem Todestag Jesu, das besitzt hier eine besondere Bedeutung. Der Saal ist der zentrale Gebetsraum, hier haben sie am Gründonnerstag eine lange Tafel mit kostbarem Porzellan gedeckt und gemeinsam gegessen, Mitglieder der Gemeinde, aber auch andere Gäste.

Das Essen ging nahtlos über in die „Nacht des Wachens“. Die ganze Nacht über haben die Menschen hier gesungen, geschwiegen, Filme angeschaut. „Sie sollen die Stimmung einfangen, die auch die Jünger auf dem Ölberg erlebt haben“, sagt Schmidt. „Die Stimmung bis zur Todesstunde von Jesus Christus.“ Karfreitag, 15 Uhr. Viele haben die Nacht durchgehalten.

So feiern die Altkatholiken in Berlin den Beginn der Osterfeiertage. 1300 Mitglieder hat die Gemeinde, jährlich gibt es einen Zuwachs von zehn bis 20 Gläubigen. Wer hier seinen Glauben lebt, sucht eine Alternative zur römisch-katholischen Kirche, der Kirche, die jeder kennt. Altkatholiken wenden sich ab von den Hierarchien der römisch-katholischen Kirche, ihren Ritualen, ihren Regeln. Die Altkatholiken bilden ein Kontrastprogramm. Wobei der Name schnell täuscht. „Wir sind nicht 2000 Jahre zurückgeflasht“, sagt Schmidt, „wir sind Menschen im Jahr 2019.“

Kein Papst, aber Spenden

Die Altkatholiken sind die tolerante, die demokratische Version einer katholischen Kirche. Die altkatholische Kirche hat Fesseln gesprengt. 1871 wurde sie von katholische Christen, die das neu geschaffene Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit nicht akzeptierten, gegründet. Eine Verfassung legte bahnbrechende Reformen fest. Abgeschafft wurden: die Pflichten zum Zölibat, zur Beichte, zur Teilnahme am Sonntagsgottesdienst, Fastengebote einzuhalten. Und Priester dürfen auch keine Gebühren mehr nehmen, etwa für Messen oder für Beerdigungen. Spenden allerdings schon.

Die Altkatholiken haben zwar einen Bischof, die eigentliche Macht liegt aber bei der Synode. Die muss zu zwei Dritteln aus Laien bestehen. Seit 1994 erhalten Frauen die Priesterweihe. „Wir segnen auch Homosexuelle“, sagt Schmidt, „aber das ist für uns nichts Besonderes, wir sind kein Gay-Treff.“ Der Pfarrer ist 39, er trägt zur Glatze eine akkurat geschnittenen Vollbart. Er ist verheiratet, Vater einer Tochter, ein lockerer Typ, aufgewachsen in einem altkatholischen Elternhaus. Gelassen sagt er: „Wir sind aus Sicht der römisch-katholischen Kirche gültig, aber nicht erlaubt.“

In dritter Generation

Aber Ostern, der Tod und die Auferstehung Christi, ist für alle Christen bedeutend. Die altkatholische Kirche in Berlin ist sehr mit der Ökumene verbunden, sie feiert häufig zusammen mit deutschen evangelischen Gemeinden sowie Gemeinden der Anglikaner und der schwedischen Lutheraner. Die Altkatholiken, die als Gotteshaus nur die Detmolder Straße haben, können so in drei weiteren Kirchen in Berlin Messe feiern.

Die Andacht am Karfreitag zum Beispiel war ein ökumenischer Gottesdienst. Die Osternacht ist bei der Gemeinde von Pfarrer Schmidt in zwei Teile gespalten: Am Abend des Karsamstags mit einem rund 90-minütigen ökumenischen Gottesdienst in der Detmolder Straße. Der zweite Teil sollte am Ostersonntag um sechs Uhr beginnen, in der Dorfkirche von Alt-Schöneberg. Mit der Auferstehungsfeier auf dem Friedhof, bei der an den Kerzen die Osterfeuer angezündet werden. Von dort zieht die Gemeinde in die Kirche, um die ökumenische Eucharistiefeier zu beginnen. Diesmal mit der Taufe zweier Erwachsener als einen besonderen Höhepunkt.

Für Schmidt sind das besondere Momente in seinem Leben als Pfarrer. Er ist von klein auf in dieses Leben eingeführt worden. Sein Vater und sein Großvater waren altkatholische Pfarrer, sein Urgroßvater amtierte als Bischof. Schmidt, 2007 zum Pfarrer geweiht, hatte in den ersten Jahren Gemeinden im Schwarzwald betreut, 2012 kam er nach Berlin. Wenn man so will eine Rückkehr zu seinen Wurzeln. Seine Ururgroßeltern haben die altkatholische Gemeinde in Berlin mitbegründet.

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