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So sieht das "Schwarze Haus" von innen aus.

© Thomas Heimann

Besonderes Wohnen: Das „Haus des Jahres“ steht in der Uckermark

Der Berliner Architekt Thomas Kröger hat das "Haus des Jahres" gebaut - in der Uckermark. Und noch ein preisgekröntes dazu.

Man muss nicht in die Berge fahren, um in den Genuss einer schönen Aussicht zu kommen. Die Uckermark tut’s auch. Etwas Verwunschenes hat die sanft gewellte Endmoränenlandschaft, fast etwas Geheimnisvolles. Erst recht, wenn man, wie an diesem Morgen, vor lauter Nebel Wald und Wiese nicht mehr sieht. Das erhöht die Stimmung nur. Und die Spannung.

Die Landschaft hat es Thomas Kröger angetan. Drei Häuser mit Aussicht hat der Berliner Architekt hier schon (um-)gebaut, demnächst kommt noch ein kleines für ihn selbst dazu. Nicht, weil er es braucht, überhaupt nicht – nur weil der Ort so schön ist! Allein die Obstbäume, das Pflücken der Äpfel – Boskop, die in seinen Augen aussehen wie Christbaumschmuck – sind ihm eine Freude.

Als Saft stehen sie jetzt auf dem Tisch beim Frühstück im Schwarzen Haus. Das trotz seines Namens nichts Furchterregendes an sich hat, ganz im Gegenteil. Der gegossene Fußboden, die Küche, das gebeizte Fichtenholz sind so dunkel, auf dass die Umgebung mit ihren Farben, auch den blassen, noch intensiver leuchten kann, wie der Architekt strahlend erklärt. Er schafft den Rahmen, „damit man die Landschaft fast gemäldeartig erlebt“.

Weg vom luxuriösen Designerhaus

Für seine Arbeiten wurde der 44-Jährige schon vielfach prämiert, zuletzt beim diesjährigen Wettbewerb „Häuser des Jahres“. Für das schwarze Ferienhaus bekam er eine Auszeichnung, für das nahe gelegene Werkhaus Schütze, eine Schreinerei mit Showroom und Wohnungen, gar den ersten Preis. Das hat es noch nicht gegeben: dass ein Architekt gleich zweimal unter den Ersten ist. Die Jury will es als Signal betrachtet wissen: weg vom luxuriösen Nullachtfünfzehn-Designerhaus, möglichst weiß, hin zu einer sinnlichen, nicht zu teuren Behausung.

Schwarzes Haus. Schiebetüren teilen den Gang in Zimmer. Der Bau war den Juroren eine Auszeichnung wert.
Schwarzes Haus. Schiebetüren teilen den Gang in Zimmer. Der Bau war den Juroren eine Auszeichnung wert.

© Ina Steier

Es klingelt, zwei japanische Location Scouts stehen vor der Tür. Das Schwarze Haus wurde schon häufiger zu Fotoshootings und Dreharbeiten genutzt. Preissegen und hohe Medienaufmerksamkeit verdankt der Architekt nicht zuletzt seiner Sensibiliät. Seine größte Angst: „dass man die Maßstäbe nicht trifft“. 24 Meter lang, sechs Meter tief – als er die Pflöcke in den Acker schlug, wurde ihm ganz mulmig.

So modern und ungewöhnlich, so weltläufig Krögers maßgeschneiderte Bauten sind, sie wirken nicht wie Fremdkörper, die aus dem Irgendwo auf den märkischen Sandboden gefallen sind, sondern beziehen sich auf den Ort und seine Traditionen. Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums und Mitglied der Jury, lobt ihn im Buch „Häuser des Jahres“ (Callwey Verlag) denn auch für seinen „selbstbewussten, aber auch kritischen Regionalismus“. So hat Kröger heimisches Lärchenholz verbaut und die Form der Giebelhäuser aufgegriffen – sie aber um 90 Grad gedreht.

Eines der prämierten Häuser kann jeder mieten

Diese Grundidee des Schwarzen Hauses von Johanna Michel und Dirk Preuß, das jeder mieten kann, ist so einfach wie genial: Statt wie üblich quer zur Straße steht es längst dazu, statt auf die Nachbarn guckt man in die uckermärkische Landschaft. Und zwar vom Bett im Alkoven aus (ein Element, das Kröger besonders zu lieben scheint) ebenso wie aus der Badewanne. Letzteres hat die Hausherrin, die Modedesign unterrichtet, ausdrücklich gewünscht. Eine romantische Vorstellung, wie die 50-Jährige erzählt: Man kommt vom Spaziergang zurück, legt sich ins warme Bad und ist immer noch irgendwie draußen, guckt im Schaumbad der Sonne beim Untergehen zu. Einen Fernseher braucht die Familie hier draußen nicht.

Den unmittelbaren Nachbarn, erzählt das Berliner Paar, gefällt das Haus, dessen Längsseiten praktisch nur aus Fenstern bestehen. Andere empfinden die Transparenz offenbar als Affront. Da kann man Ihnen ja auf die Schlüpper gucken, empörte sich eine Frau. In Brandenburg lässt man gern die Rollläden runter, zieht die Vorhänge zu.

Die Offenheit im Inneren fände die Dame vermutlich ebenfalls unerhört. Der Wohnbereich setzt sich allein durch den Höhenunterschied von der Küche ab, die lila Sitzlandschaft liegt ein paar Stufen tiefer. In der Mitte ziehen sich links und rechts lange Flure, Schiebentüren unterteilen sie in einzelne Zimmerchen. Nicht nur äußerlich erinnert der lang gestreckte Bau an ein Boot, auch das Leben hat was davon, findet der Hausherr Dirk Preuß, der Bauingenieur ist. Die Kinder haben unterm Dach ihr eigenes Reich.

Kuhstall, Villa, Einkaufszentrum - der Alltag eines Architekten

Werkhaus Schütze: Vorne Wohnung, hinten Werkstatt, dafür gab es den ersten Platz.
Werkhaus Schütze: Vorne Wohnung, hinten Werkstatt, dafür gab es den ersten Platz.

© Ina Steiner

Dass die Baukosten der beiden Häuser des Jahres relativ niedrig liegen, hängt auch damit zusammen, dass beide Bauherren vom Fach sind und viele Arbeiten selber übernehmen konnten. Und dass sie mit Kröger zusammen getüftelt haben. Das weiß der Architekt an seinen Klienten zu schätzen: dass sie bereit sind zum Experiment. „Das kann ja auch schiefgehen.“ Dass sie gewillt sind, den Preis für etwas Besonderes zu bezahlen. So bedeutet die Offenheit Geräuschempfindlichkeit, im Sommer kann es ganz schön warm werden im Schwarzen Haus und die Fenster mit den fast unsichtbaren Rahmen lassen sich nur nach außen öffnen.

Geld verdient Kröger mit solchen Experimenten nicht. Dafür hat er andere Projekte, vom Café im Einkaufszentrum über Galerien bis hin zu Villen im Süden Berlins, die er behutsam ins 21. Jahrhundert führt.

Man könnte den stets lächelnden Thomas Kröger für ein Glückskind halten. Aber er hat sein Glück schon immer in die eigene Hand genommen. Mit 21, da hatte er nicht mehr als ein Vordiplom aus Braunschweig in der Hand, marschierte er zu Norman Foster, weil er unbedingt bei dem Meister der Eleganz arbeiten wollte – und bekam tatsächlich einen Job. In London hat er sich gleich noch einen Traum erfüllt: in einem Hausboot zu wohnen. Dabei tritt der gebürtige Niedersachse von schmächtiger Gestalt eher leise auf, ist ein ruhiger Redner. Sein Examen hat er dann an der UdK in Berlin gemacht, seine Abschlussarbeit wurde gleich mit dem Max-Taut-Preis ausgezeichnet, danach heuerte Max Dudler ihn an. Den späteren Sprung in die Selbstständigkeit hatte er sich allerdings wesentlich leichter vorgestellt. Inzwischen hat Kröger elf Mitarbeiter in seinem Büro am Schöneberger Ufer.

Der Bau war Schlosserei und Schmiede einer LPG

Weiter geht’s: An Krögers jüngstem Projekt, dem Umbau eines riesigen Kuhstalls zum Feriendomizil, vorbei über einen malerischen kleinen Feldweg zum Werkhaus Schütze. Es nebelt schon wieder: In der Dämmerung sieht man dem Bau erst recht nicht an, was er mal war (Schlosserei und Schmiede einer LPG) und was er nun ist: Werkstatt und Zuhause. Kröger hat dem Bau, der auch eine Industriehalle sein könnte, eine grüne Wellblechhaut übergezogen. Ein Haus wie aus einem weichen Guss, dort, wo sonst eine Kante Wand und Dach trennt, ist der Übergang ganz rund.

An einem Ende arbeitet der Hausherr in seiner großen Schreinerei, in der gerade ein eleganter Holztisch trocknet, der für Krögers Büro in Berlin gedacht ist, in der Mitte ist der Showroom, ebenfalls mit schwarzem Gussasphaltboden und einem Kaminofen, verbunden mit der Mitarbeiterküche und dem Wohnbereich, in dem noch nicht alles fertig ist. Vorne liegt eine zweite Wohnung.

In Berlin hätte Schütze sich diese Großzügigkeit nicht leisten können. Da arbeitete er mit sieben Kollegen auf 140 Quadratmetern. Jetzt hat allein der Showroom 70 Quadratmeter. Vor dem Rausziehen aber hatte der Städter Angst. Jetzt ist Gehard Schütze begeistert, kommt sich wie ein Dauercamper in der Natur vor, nur mit Fußbodenheizung, die er mit Abfällen aus seiner Schreinerei anfeuert. Ob Sonne oder Nebel, jedes Wetter findet Schütze hier „toll“, auch den ständigen Wind. Im Herbst guckt er durch seine Fensterfront Schwalben und Störchen, Kranichen und Kormoranen zu, wie sie sich sammeln. Aber das Allerschönste für ihn, das ist der Winter, wenn alles tief verschneit ist. Die reine Poesie.

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