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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).

© Christoph Soeder/dpa

Berlins Regierender und die rechtswidrige Razzia: Erst beleidigt, dann Extrawurst – Statistik belegt Müller-Affäre

Die Kriminalstatistik zeigt, was Senatskanzlei, SPD und Justiz bestreiten: Eine Müller-Kritikerin wurde rechtswidrig und mit unüblicher Härte verfolgt.

Im Jahr 2020 hat die Berliner Polizei mehr als 19 000 Ermittlungsverfahren wegen Beleidigungsdelikten geführt – und nur bei einem Anteil von 0,015 Prozent kam es zu Durchsuchungsmaßnahmen. Die Zahlen gehen aus einer Anfrage des CDU-Abgeordneten Peter Trapp hervor.

Sie bestätigen den Verdacht, dass die Justiz für den Regierenden Bürgermeister Michael Müller mit besonderer Härte und großem Eifer gegen eine Frau vorging, von der sich der Sozialdemokrat beleidigt fühlte – bis hin zu einer rechtswidrigen Wohnungsdurchsuchung.

Angeblich soll an diesem von der „Welt“ aufgedeckten Fall nichts „absonderlich“ oder ungewöhnlich gewesen sein. Das sagte jedenfalls vor drei Wochen der Chef der Berliner Staatsanwaltschaft, Jörg Raupach, im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses.

Raupach, die Senatskanzlei und SPD-Vertreter hatten versucht, die Justizaffäre wortreich herunterzuspielen. Doch nun zeigt sich, dass der Fall alles andere als gewöhnlich ist. Wie aus der Kriminalstatistik hervorgeht, hat die Polizei im vergangenen Jahr 19 319 Ermittlungen zu Beleidigungsdelikten abgeschlossen. Aber in nur drei Fällen sind Durchsuchungen vermerkt worden. Betroffen war auch Karina F., über die berichtet wurde.

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Sie hatte im April 2019 ein gefälschtes Foto bei Facebook gepostet: Es zeigte Michael Müller mit einem Schild, auf dem „Alle nach #Berlin“ stand und das den Eindruck erwecken könnte, der Regierende Bürgermeister heiße in Berlin alle Bootsflüchtlinge willkommen. Sie schrieb dazu: „Nie wieder SPD“.

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Müller gefiel das gar nicht: Er schickte dem Leitenden Oberstaatsanwalt Raupach persönlich seinen „Strafantrag des Dienstvorgesetzten“, wenige Tage später teilte die Staatsanwaltschaft dem Landeskriminalamt (LKA) mit: „Die Ermittlungen sind aufzunehmen.“

Im Februar 2020 rückten Staatsschutzbeamte des LKA bei F. mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss an, stöberten in der Wohnung und beschlagnahmten Handys und Tablets – was sich später als rechtswidrig herausstellte: Eine Strafkammer des Landgerichts urteilte, es handele sich bei dem Facebook-Post schlicht „um eine Meinungsäußerung“. Die Staatsanwaltschaft musste die Ermittlungen wegen Beleidigung und übler Nachrede einstellen.

Müllers Sprecherin will sich schon wieder nicht äußern

Selbst erfahrene Kriminalbeamte sagen, dass jeder Jurastudent im dritten Semester erkannt hätte, dass am Post von F. nichts dran sei. Obwohl Beleidigung keine schwere Straftat ist, obwohl die Ermittler ihre Identität längst kannten und sie hätten befragen können, setzten sie auf den schweren Eingriff in ihr Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung.

Schon im Abgeordnetenhaus hatte CDU-Rechtsexperte Sven Rissmann jüngst gefragt: ob und wie viele Fälle es gab, „in denen die Berliner Strafverfolgungsbehörden Durchsuchungen veranlasst haben, um Beweismittel für einen Verdacht der üblen Nachrede oder der Verleumdung aufzufinden“. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sagte, derlei werde im Datensystem der Staatsanwaltschaft nicht erfasst.

Der beleidigte Michael Müller und die Justizaffäre

Zugleich erklärte Behrendt aber noch etwas anderes – dass „Verfahren wegen Verleumdung oder übler Nachrede überwiegend bei der Amtsanwaltschaft“ geführt werden – und nicht bei der Staatsanwaltschaft, wie es Raupach bei Karina F. entschieden hat.

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Die geringe Zahl an Durchsuchungen bei Beleidigungsdelikten „belegt eindrucksvoll, dass es sich dabei um einen absoluten Ausnahmefall handelt“, sagte Rissmann nun. „Daher drängt sich weiter die Frage auf, warum eine Durchsuchung im Fall von Müllers Strafanzeige erfolgte, obwohl es sich um eine bloße Meinungsäußerung handelte.“

FDP-Rechtsexperte Holger Krestel sprach von bemerkenswerten Zahlen, der Senat müsse jetzt für Aufklärung sorgen. Senatssprecherin Melanie Reinsch lehnte – wie bereits zuvor zwei Mal – auch diesmal eine Stellungnahme ab: „Dazu wurde bereits alles gesagt.“

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