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Wissenschaftsklotz: Das Futurium.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berlins neuer Wissenschaftstempel Futurium: Zu Gast im Haus der Zukünfte

Mit dem Futurium eröffnet 2019 ein einzigartiges Gebäude. Zur Langen Nacht der Wissenschaften können Besucher schon jetzt erleben, was auf sie zukommt.

David Weigend hockt vor einer rosa Röhre, die vor ihm aus dem Boden ragt. An ihrem Ende ist sie zu einem Trichter geformt. Auf einmal singt er laut hinein: „La la la la.“ Auf der schwarzen Wand gegenüber ist eine animierte Landschaft zu sehen. Als Weigend singt, erscheinen plötzlich farbenfroh gezeichnete Würmchen auf der Wand, fliegen kreuz und quer durchs Bild. Jedes von ihnen trägt andere Bausteine in seinem Schweif – eine kunterbunte DNA. Vögel schwirren umher, teilen die Würmchen und setzen sie neu zusammen. Derweil drehen sich Windräder und verschwinden wieder, als Weigend in die Hände klatscht.

Weigend leitet das Zukunftslabor im Untergeschoss des Futuriums, Berlins neuem Wissenschaftstempel. Er nennt den Ort „Batcave“, inspiriert vom Geheimlabor des Comic-Helden Batman. Zu den schwarzen Betonwänden, dem dunklen Asphaltboden und den Leuchtschirmen passt die bunte Installation mit dem Arbeitstitel „Ideenwürmer“ nur bedingt, trotzdem ist sie nicht nur bei Kindern ein Hit.

Und sie fasst die Idee des Futuriums treffend zusammen: Es ist ein Raum zum Experimentieren, zum Ausprobieren, zum Wiedereinreißen und Neuerschaffen. Aber es ist noch viel mehr. Das Futurium ist ein monumentaler Bau direkt am Spreebogen, zwischen Hauptbahnhof und Charité. Schon die Architektur des 58-Millionen-Euro-Baus lässt erahnen, dass hier nichts weniger als die Zukunft wartet.

Die Außenhaut besteht aus mehr als 8000 Kassettenelementen aus keramisch bedrucktem Gussglas, das Dach dient als Regenwasserschale, die das Wasser in eine Zisterne leitet, um es für die Gebäudekühlung einzusetzen. Zudem deckt das Haus den Großteil seines Energiebedarfs aus Sonnenlicht. Und das ist nur die äußere Hülle des Gebäudes. Wenn das Futurium im Frühjahr 2019 eröffnet, soll auf drei riesigen Etagen ausgelotet werden, wie wir künftig leben wollen.

Haus der Zukünfte

„Wir sind Ausstellung, Labor, Debattenraum und auch Bühne“, sagt Stefan Brandt. Der promovierte Musikwissenschaftler übernahm vor einem Jahr die Leitung des Futuriums. Schon 2009 hatte die Koalition aus Union und FDP das weltweit einzigartige Projekt im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Das Ziel war und ist, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und vor allem Bürger zusammenzubringen.

Eine Formulierung verwendet Brandt dabei immer wieder: Haus der Zukünfte. „Wir gehen nicht davon aus, dass es nicht nur eine Zukunft gibt, die unabweisbar auf uns zurollt, sondern dass es viele unterschiedliche Visionen gibt, über die wir uns austauschen sollten.“

Wie es aussieht, wenn Leben in die 5000 Quadratmeter Ausstellungsfläche kommt, können Besucher seit Ende Mai bei den „Werkstattwochen“ erleben. Die sind so etwas wie die Generalprobe für die Eröffnung im nächsten Jahr. Jeden Tag stehen Diskussionen, Kunstinstallationen, interaktive Führungen oder Bürgerwerkstätten auf dem Programm. Die Themen reichen von der Zukunft der Demokratie bis zum Klima-Mitmachtag.

Mitmachen – das ist Brandt besonders wichtig. Viele wüssten nicht, was die Wissenschaft mit ihrem Alltag zu tun hat. „Wir versuchen, auch komplexe Inhalte verständlich rüberzubringen, damit wirklich jeder mitmachen und mitdiskutieren kann“, sagt Brandt. Ob das Futurium dem großen Anspruch gerecht wird, muss sich zeigen. Es wird auch auf die Eintrittspreise ankommen, die aber noch nicht feststehen.

Seit Ende Mai können sich Besucher in Berlins jüngstem Wissenschaftstempel umschauen.
Seit Ende Mai können sich Besucher in Berlins jüngstem Wissenschaftstempel umschauen.

© Ali Ghandtschi

Zu den Werkstattwochen ist der Eintritt umsonst. Sie seien laut Brandt ein großer Erfolg, bis jetzt kamen mehr als 3000 Besucher. Im Zukunftslabor diskutierten sie etwa, welche Vorteile die Technik für ihr Leben haben kann – und wo sie ihnen Angst macht. Ihre Ergebnisse konnten sie dann in eine Podiumsdiskussion mit Experten einbringen.

Mit solchen Aktionen will Brandt Kommunikationsbarrieren einreißen, die für ihn ein Hauptgrund für die wachsende Skepsis vieler Bürger an der Wissenschaft sind: „Jeder Besucher bei uns soll mitnehmen: Zukunft geht auch mich etwas an. Und jeder kann etwas tun, um die Zukunft zu verändern.“

Verändern werden sich auch die Ausstellungen im Futurium, kein Besuch wird sein wie der vorige, „weil wir die Zukunft ja morgen schon anders sehen als heute“, erklärt Brandt. Für dieses Konzept sei Berlin das ideale Umfeld, eben weil sich hier ständig alles ändert.

An diesem Sonnabend münden die Werkstattwochen mit der Langen Nacht der Wissenschaften vorerst ins große Finale. Vom Icaros-Flugsimulator samt Virtual-Reality-Brille bis zum Urban-Gardening-Projekt auf dem Vorplatz; vom Zukunfts-Slam über interaktives Theater bis zum 3D-Drucker, der Türme aus flüssigem Porzellan baut: In der Nacht zu Sonntag läuft das Futurium noch einmal zu Höchstform auf, bevor es seine Pforten bis zur offiziellen Eröffnung wieder schließt. Vorher aber sollte jeder, dem die Zukunft nicht ganz egal ist, in die „Batcave“ hinabsteigen, sich vor einen rosa Trichter hocken und hineinsingen. Und mit großen Augen beobachten, was passiert.

An diesem Sonnabend findet zum 18. Mal die „Lange Nacht der Wissenschaften“ statt. Von 17 bis 24 Uhr präsentieren knapp 70 Forschungseinrichtungen in Berlin und Potsdam mit rund 2000 Programmpunkten ihre Arbeit. Eine Auswahl der besten Angebote.

FÜR KINDER

Einmal Pilot sein. Modellluftschiffrennen im Audimax, TU-Hauptgebäude, 17-22 Uhr.

Mit Robotern spielen. Fußballroboter, Kletterroboter und Roboter, die mit Luftballons spielen – das alles gibt es an der Beuth-Hochschule. Zum Ausprobieren und Mitmachen. Haus Grashof, Foyer, ab 17 Uhr.

Energiegeladen. Kann man mit Früchtetee Solarzellen selber bauen? Ja! Lise-Meitner-Haus, Institut für Physik der HU, Raum 3.101, 18 Uhr, 20 Uhr.

Wie die alten Griechen. An den antiken Olympischen Spielen teilnehmen oder töpfern lernen? Das geht im Garten des Topoi-Hauses, 17 bis 22 Uhr.

FÜR WELTRAUMFORSCHER

Ab ins All. Gibt es außerirdisches Leben? Wie sieht das Innere der Sonne aus? Vorträge des Zentrums für Astronomie und Astrophysik, Haus der Physik der TU, R. EW 201, 18 Uhr, 19 Uhr, 21 Uhr, 22 Uhr.

Schwerelos. Wie erzeugt man Schwerelosigkeit? Wie verhalten sich verschiedene Materialien im All? Fallturmexperimente im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Untergeschoss, ab 17 Uhr.

Sterne beobachten. Einmal durch eines der größten Linsenteleskope der Welt schauen. Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam, bei klarem Himmel ab 22 Uhr.

FÜR STADTFORSCHER

Mobilität der Zukunft. Was würde passieren, wenn sich Verkehrsteilnehmer besser miteinander vernetzten? Lenken Sie 10 .000 Verkehrsteilnehmer durch eine fiktive Stadt und schauen Sie in die mobile Zukunft. Wissenschaftszentrum Berlin, Altbau 1. Etage, 17 Uhr.

Street Art. Urbaner Protest oder Marketing-Tool? Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft, 2. und 3. Etage, 18.30 Uhr.

Weitere Informationen und das komplette Programm gibt es online unter www.langenachtderwissenschaften.de.

Tickets kosten für Erwachsene 14 Euro. Mit einem speziellen Familien-Ticket können bis zu zwei Erwachsene und drei Kinder für 27 Euro die Lange Nacht der Wissenschaften besuchen. Die Eintrittskarten gelten von 14 Uhr am Sonnabend bis um 4 Uhr am Sonntag auch als Fahrschein für den öffentlichen Nahverkehr im ABC-Bereich. Miriam Lenz

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