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Der Bettenturm am Charité-Campus in Berlin-Mitte.

© hoch3media

Berlins landeseigene Krankenhäuser: Charité und Vivantes schließen zweites Pandemiejahr mit schwarzer Null ab

Berlins landeseigene Krankenhäuser schließen 2021 besser als das erste Corona-Jahr ab. Nun stehen Charité und Vivantes millionenteure Modernisierungen bevor.

Die Berliner Charité hat das zweite Pandemiejahr mit 7,8 Millionen Euro Plus abgeschlossen. Das teilte Vorstandschef Heyo Kroemer am Freitag mit. Angesichts 2,3 Milliarden Euro Jahresumsatzes aus Krankenkassen-Honoraren, Drittmitteln und staatlichen Investitionen wird ein solches Ergebnis üblicherweise als „schwarze Null“ bezeichnet.

Auch Berlins ebenfalls landeseigene Vivantes-Krankenhäuser verzeichnen für 2021 circa 3,3 Millionen Euro Plus. Das sagte Vivantes-Vorsitzender Johannes Danckert bei einem Besuch im Vivantes-Auguste-Viktoria-Klinikum (AVK) in Schöneberg. Der Vivantes-Jahresumsatz betrug 1,6 Milliarden Euro.

Wie die meisten Krankenhäuser haben Charité und Vivantes in der Pandemie von Senat und Bund diverse Corona-Zuschüsse erhalten. Allerdings verbuchten beide Unternehmen auch im zweiten Pandemiejahr monatelang Einnahmeausfälle in Millionenhöhe, weil planbare Operationen verschoben wurden. Im Sommer 2021 streikten in beiden Häusern zudem die Pflegekräfte, weshalb weitere nicht-zeitkritische Behandlungen abgesagt wurden. Wie viele dieser Eingriffe nach Corona-Notbetrieb und Pflegestreik in den beiden Klinikketten nachgeholt wurden, ist nicht bekannt.

Das Personal und die Medikamente zahlen, so schreibt es das Gesetz vor, die Krankenkassen. Die Gelder werden über sogenannte Fallpauschalen pro Diagnose abgerechnet. Besonders planbare Eingriffe werden dabei meist auskömmlich vergütet. Andere Behandlungen, insbesondere in den Notaufnahmen, gelten dagegen oft als „Zuschussfälle“. Im ersten Pandemiejahr war die pekuniäre Not in beiden Häusern größer: Das Jahr 2020 schloss Vivantes mit 30,5 Millionen Euro Verlust ab, die Charité verzeichnete 1,3 Millionen Euro Minus.

Vivantes erhält vom Eigentümer 260 Millionen Euro zur "Stabilisierung"

Zur „Stabilisierung“, schreibt der rot-grün-rote Senat in seinem Haushaltsentwurf, sollen dieses Jahr bis zu 260 Millionen Euro an Vivantes gehen. Der Senat als Gesellschafter erhöht so das Eigenkapital des klammen Landesbetriebs.

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Der Vivantes-Vorstand investiert demnächst Millionensummen. So entstehen derzeit im Schöneberger AVK neue OP-Säle. Vivantes-Danckert kündigte „eine Dekade der Investitionen und des Neudenkens von Versorgungsstrukturen“ – gemeint ist unter anderem: mehr Fälle möglichst ambulant zu versorgen.

Auch an der Charité wird kostspielig gebaut, insbesondere der Virchow-Campus in Wedding soll baulich und technisch voll modernisiert werden. Der Charité-Vorstand verhandelt gerade mit seinen Ärzten über Gehälter und Dienste.

Eine der Vivantes-Baustellen am Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin-Schöneberg.
Eine der Vivantes-Baustellen am Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin-Schöneberg.

© Vivantes promo/ Monique Wüstenhagen

Vivantes und die Charité sollen in einer vom Senat avisierten „Gesundheitsstadt 2030“ enger zusammenarbeiten. Entscheider anderer Kliniken fühlten sich durch den Senat zuletzt zurückgesetzt. Auch privat, konfessionell und frei-gemeinnützig geführte Krankenhäuser, die für die Versorgung als notwendig anerkannt werden, haben Anspruch auf staatliche Investitionen. Und die sollen 2022 mit circa 150 Millionen Euro nur ungefähr so hoch ausfallen wie 2021.

Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) hatte vor einigen Tagen eingeräumt, dass es wegen jahrelanger Sparhaushalte klare Defizitein der Krankenhausfinanzierung gebe. Ärzte und Pflegekräfte kritisierten immer wieder, dass öffentliche, dem Gemeinwohl verpflichtete Krankenhäuser überhaupt derart knapp wirtschaften müssen.

Neuer Vivantes-Aufsichtsratschef kennt auch die Charité gut

Aus der Kritik an den erwähnten Fallpauschalen entstand um die in der Gewerkschaft Verdi organisierten Pflegekräfte eine „Krankenhausbewegung“, die zum erwähnten Streik 2021 mobilisierte. Erst am Mittwoch hatten Verdi-Vertreter dem Vivantes-Aufsichtsrat, dem Gesundheitssenatorin Gote und Finanzsenator Daniel Wesener (ebenfalls Grüne) angehören, eine Protestnote überreicht. Darin fordern sie, dass Vivantes den 2021 erstreikten Entlastungstarifvertrag umsetzen soll. Wie berichtet gilt demnach auf Intensivstationen, dass eine Pflegekraft statt bislang 2,5 Patienten im Schnitt pro Schicht maximal 1,8 Patienten versorgt.

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Der Vivantes-Aufsichtsrat setzt sich aus je acht Vertretern der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite zusammen. Dem Gremium steht seit dieser Woche der renommierte Chirurg Eckhard Nagel vor. Nagel ist Professor für Medizinmanagement in Bayreuth und saß bis 2020 im Charité-Aufsichtsrat. Er gehörte auch der noch von Ex-Senatschef Michael Müller (SPD) eingesetzten Kommission „Gesundheitsstadt 2030“ an.

Die Charité ist samt Tochterfirmen mit fast 21.000 Beschäftigten und 3000 Betten die größte Hochschulklinik Europas, Vivantes mit 18.000 Beschäftigten und 6000 Betten wiederum die größte kommunale Klinikkette Deutschlands. Zu Vivantes gehören acht Krankenhäuser, 18 Pflegeheime, ein ambulanter Dienst und eine Reha.

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