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Silke Gebel ist Fraktionschefin von Bündnis90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. 

© Bündnis 90/Die Grünen

Berlins grüne Fraktionschefin Silke Gebel: „Sei eine Corona-Kämpferin, teste dich!“

Im Gespräch kritisiert die Fraktionschefin die zögerliche Zulassung von Selbsttests und schlägt eine bundesweite Kampagne vor, die zum Mitmachen animiert.

Schon Anfang Januar hat Berlin als erstes Bundesland die massenhafte Anwendung von Selbsttests gefordert. Jetzt ist März, aber die Tests kommen nur langsam an. Woran hakt es?
Die Zulassung der Selbsttests vom Bund hat sehr, sehr lange gedauert. Es fehlt eine strategische Planung. Wir hätten schon im Herbst schauen müssen, welche Bedarfe wir haben und welche Produktionskapazitäten. Es hätte einen frühzeitigen Plan gebraucht, wie viele Tests wir für Schulen, Kitas oder medizinisches Personal brauchen. In Deutschland waren Selbsttests ja bis Anfang Februar per Gesetz überhaupt nicht möglich, deshalb hat sich auch kein Hersteller um Lizenzen dafür beworben.

In anderen Ländern ging das zu diesem Zeitpunkt längst.
Ja. Stattdessen haben nun deutsche Unternehmen mit Steuergeld finanzierte Tests zum Beispiel nach Österreich exportiert. Andere Länder waren einfach mutiger bei der Zulassung. Es fehlt in Deutschland an Mut, Weitsicht und einer nationalen Test-Strategie – das ist der Grund, warum gerade alles so ungesteuert läuft.

Sie kämpfen seit Monaten für mehr Schnell- und Selbsttests. Wie stellen Sie sich strategisches Selbsttesten vor?
Jeder in Deutschland könnte ein oder zwei Selbsttests pro Woche mit seiner Krankenkassenkarte bekommen. Auch das müsste aber Gesundheitsminister Jens Spahn mit den Krankenkassen vereinbaren, das können wir in Berlin nicht allein machen. Die Selbsttests müssen jetzt außerdem so günstig werden, dass sie sich jeder leisten kann – das muss der Bund subventionieren. Gerade kosten sie noch um die zehn Euro, sie müssten kostenlos sein oder vielleicht einen, maximal zwei Euro kosten. Erst dann wäre eine umfassende Test-Strategie mit den drei Säulen möglich.

Die wären?
Erstens hätten wir die Selbsttests, die jeder möglichst oft zu Hause nutzen kann. Das ist für die privaten Kontakte wichtig. Zweitens gibt es ja jetzt die Test-Zentren und drittens hoffentlich bald verpflichtende Tests durch Arbeitgeber. Dann hätten wir ein sehr gutes Viren-Screening in der Gesellschaft. Unser Ziel muss sein, dass sich jeder in Deutschland zwei- bis dreimal in der Woche testen kann.

Kurzer Virus-Check. Das Selbertesten vor dem Schulunterricht könnte die Ansteckungsgefahr deutlich senken. 
Kurzer Virus-Check. Das Selbertesten vor dem Schulunterricht könnte die Ansteckungsgefahr deutlich senken. 

© Matthias Balk/dpa

In Österreich sind Selbsttests seit Herbst erlaubt. Hier wurden Anfang März die ersten zugelassen, Dutzende hängen im Genehmigungsverfahren fest. Warum dauert das so lange?
In Deutschland sind die Zulassungsverfahren drei Schritte langsamer als in anderen Ländern. Was ich kurios finde: Wir achten hier trotz Pandemie auf bestimmte technische Vorgaben sehr, setzen aber andere Gesetzmäßigkeiten – wie Präsenzunterricht in der Schule – einfach aus. Schulschließungen sind punktuell richtig, um Infektionen zu verhindern, aber es muss klar sein, dass das ein Ausnahmezustand ist. Und dass wir verpflichtend alle Mittel der Pandemiebekämpfung nutzen, damit dieser Ausnahmezustand nicht länger anhält als unbedingt nötig.

Sie verweisen die ganze Zeit auf die Bundesebene. Warum geht denn Berlin nicht allein voran?
Wir haben als erstes Bundesland, und auf eigenes Risiko, Millionen Schnelltests für die Schulen gekauft. Leider hat der Senat aber auf einen Test gesetzt, der zwar in Österreich als Selbsttest eingesetzt werden darf, in Deutschland aber noch nicht. Deshalb testen sich die Lehrerinnen und Lehrer gerade gegenseitig. Die Selbsttests einer anderen Marke für die Schülerinnen und Schüler sollten jetzt an die Schulen ausgeliefert worden sein. Jetzt bauen wir zügig die Test-Zentren aus. Ein nächster Schritt wäre dann die freie Abgabe der Tests an Apotheken oder anderen Orten. Das ist aber eigentlich eine bundesweite Aufgabe. Wir springen aber natürlich ein, wenn weiter nichts passiert. Dadurch, dass wir jeden Tag etwas anderes hören, wird die Planung erschwert.

Viele Öffnungen, gerade im Kulturbereich, sollen mit negativen Tests der Besucher verbunden werden. Werden die Menschen dann nicht unvorsichtig? Ein Besucher, der trotzdem positiv ist, reicht ja, um viele zu infizieren.
Die Coronaregeln gelten ja weiterhin. Und ich rate auch weiterhin zur Vorsicht. Schnelltests als Türöffner sollen erstmal dort, wo es einen Präsenzdruck gibt, also in Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, eingesetzt werden. Ich werbe deshalb so für den massiven Einsatz von Schnelltests, weil wir Infizierte so schneller entdecken, Ausbrüche verhindern und die Inzidenzen senken können.

Verstehen Sie denn den wachsenden Unmut in der Bevölkerung über die Versäumnisse der vergangenen Monate?
Ich verstehe das Gefühl, dass nicht alles getan wurde, um Infektionen zu verhindern, die Inzidenzen zu senken – und damit mehr Freiheiten zu ermöglichen. Das gilt für die Schnelltests genauso wie für das Impfen. Aber wir haben ja jetzt mit den Selbsttests ein weiteres Tool in der Hand, wo alle mitmachen können. Das kann die Motivation nochmal erhöhen, weil das viel aktivierender ist als nur eine Maske zu tragen. Ich will nicht zu pathetisch klingen, aber warum sagen wir nicht: Sei eine Corona-Kämpferin, teste dich! Dafür bräuchte es jetzt eine bundesweite Kampagne nach dem Motto: Deutschland testet sich!

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