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Große Vorfreude war die dominierende Gemütslage beim sommerlichen ersten Spatenstich für den Neubau der Clay-Schule.

© SINISSEY/Bezirksamt Neukölln

Berlins Asbestschulen: Neubau in Sicht – nach 33 Jahren im Provisorium

Teuer und lang ersehnt: Eine der letzten „Asbestschulen“ Berlins konnte jetzt den Grundstein für ihren Neubau legen. Dafür fehlte jahrzehntelang das Geld.

Die düstere Geschichte der Berliner Asbestschulen geht allmählich zu Ende: Mit bunten Luftballons und viel Musik haben am Donnerstag hunderte Schüler den ersten Spatenstich für den 60-Millionen-Euro-Neubau der Neuköllner Clay-Schule gefeiert. Es wird die teuerste Schule sein, die der Bezirk jemals baute. Wenige Asbest-Schulen haben derart lange in ihrem Behelfsbau ausharren müssen: Wenn die Schüler 2022 das neue Gebäude im Ortsteil Rudow beziehen, werden 33 Jahre seit dem Auszug aus den Asbesträumen vergangen sein.

Die Geschichte dieser Schulplanung ist aber noch in anderer Hinsicht etwas Besonderes: Da eine Anwohnerinitiative den zunächst geplanten Standort auf den Rudower Feldern vereitelte, musste auf eine Gewerbebrache am Neudecker Weg ausgewichen werden. Dann wurde es richtig spannend – so spannend, dass die Archäologen anrücken mussten.

Denn auf dem Gelände hatten sich Zwangsarbeiterbaracken befunden, und in den zugeschütteten Splittergräben, die den Arbeitern als Schutz vor Bombenangriffen dienen sollten, fand man nicht nur deren Habseligkeiten, sondern auch Gegenstände aus Römischer Zeit. Kein Wunder also, dass die Clay-Schüler bald an Ausgrabungen teilnahmen und somit seit Jahren mit ihrem künftigen Schulgrundstück Bekanntschaft schließen konnten.

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Zwar wird sich das wüste Gelände nach dem ersten Spatenstich allmählich in eine Lernlandschaft verwandeln, aber etwas soll bleiben von dem, was war: In der breiten „Schulstraße“, die das neue Gebäude durchquert, soll es eine begehbare Holzbox geben, in der einige der ausgegrabenen Fundstücke an die nahe und ferne Vergangenheit erinnern.

Mauerfall und Sparjahre verhinderten die Neubauten

Es waren allerdings nicht die Ausgrabungen, die den Neubeginn so lange verhinderten. Vielmehr erging es der Clay-Schule ähnlich wie den anderen Asbestschulen: Nachdem die krebserregenden Eigenschaften des Stoffes nicht mehr zu bestreiten waren, mussten alle Schulen dieses Bautyps Ende der 80er Jahre in provisorische Schuldörfer ziehen, die für fünf bis zehn Jahre gedacht waren. Mauerfall und Sparjahre durchkreuzten aber die geplanten Investitionen in den betroffenen Westbezirken, so dass es 25 Jahre dauerte, bis die ersten Neubauten entstanden. Selbst für die Beseitigung der Ruinen fehlte jahrzehntelang das Geld.

Die Heinrich-Böll-Schule braucht den längsten Atem

Zu denen, die besonders lange warten mussten, gehörten die Neuköllner Leonardo-da-Vinci-Schule, die Spandauer Heinrich-Böll-Schule, die wohl erst 2023 umziehen kann, und eben die Clay-Schule, und auch jetzt werden noch mindestens drei Jahre bis zum Umzug vergehen.

Diese lange Dauer hängt mit den vielen Besonderheiten der Clay-Baugeschichte zusammen: Das Gewerbegelände, auf dem sie entsteht, hat nämlich ein Gefälle von sechs Metern, und daher muss das Gebäude „unterbaut“ werden, was umfangreiche Erdbewegungen erzwingt. Zudem wird die Clay-Schule für mehr als 1150 Schüler geplant, so dass schon die reine Zahl an Quadratmetern dazu führt, dass der Bau nicht nur besonders teuer, sondern auch sehr zeitaufwändig ist.

Der "Zwölf-Millionen-Song"

Zunächst waren die Planer aber weit von den genannten 60 Millionen Euro entfernt: Es wurden 42 Millionen veranschlagt – eine Summe, die 2013 zu weiteren Verzögerungen der Planungen führte. Denn der damalige Finanzsenator Ulrich Nußbaum (für SPD) wollte nur 30 Millionen geben. Die Folge waren unendliche Briefwechsel zwischen Bezirk und Bildungs- sowie Finanzverwaltung und eine große Demonstration von Schülern und Lehrern zu Nußbaums Behörde im Jahr 2013.

An diese schwierige Episode erinnerte die Clay-Musicalklasse am Donnerstag mit dem „Zwölf-Millionen-Euro-Song“, um anschließend ihrem Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) feierlich eine Baukelle zu überreichen: Denn dieses große Bauvorhaben, zu dem auch eine Mensa und eine Doppelsporthalle gehören, verantwortet nicht der Senat, sondern der Bezirk Neukölln selbst.

Der zweigeschossige Entwurf des Büros Staab-Architekten beherbergt einen modernen Schulgrundriss mit baulichen Einheiten für die Jahrgänge und Foren statt endloser Flure.
Der zweigeschossige Entwurf des Büros Staab-Architekten beherbergt einen modernen Schulgrundriss mit baulichen Einheiten für die Jahrgänge und Foren statt endloser Flure.

© Repro: Staab-Architekten

Pilotschule für nachhaltiges Bauen

Das Architekturbüro Staab plant eine Außenfassade mit Sichtziegeln und Holzelementen. Der Innenraum gliedert sich in das steinerne Erdgeschoss und ein Obergeschoss, in dessen Lernlandschaften und Dachterrassen Holz dominieren soll. Zudem wird der Bau nicht mehr zum Typ der „Flurschulen“ gehören, sondern sich in Lernbereiche mit Foren für die einzelnen Jahrgänge gliedern. Und noch etwas ist neu: Die Clay-Schule ist eines von drei Pilotprojekten Berlins beim nachhaltigen Bauen.

Aber erstmal geht es ganz prosaisch im Provisorium weiter: mit maroden Toiletten, einem undichten Dach, einer kränkelnden Heizungsanlage und ständigen Reparaturen. Damit Schüler und Lehrer immer den Baufortschritt auf dem zwei Kilometer entfernten Gelände vor Augen haben, sollen dort zwei Kameras installiert werden, „und diese Webcams schicken die Bilder zu uns in die Schule“, kündigte Schulleiter Thorsten Gruschke-Schäfer am Donnerstag vorfreudig an.

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