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Holger Zahn ist Chef der Späth'schen Baumschulen und versucht, das Unternehmen gut durch die Coronavirus-Krise zu führen.

© Paul Zinken/dpa

Berlins ältestes Unternehmen in Berlin-Treptow: Späth'sche Baumschulen werden 300 Jahre alt

Die Garten- und Balkonsaison hat begonnen. Doch auch der Traditionsbetrieb in Berlins Osten bekommt die Pandemie zu spüren. Dabei wollte man jetzt feiern.

Die schneeweiße „Evita“, die rote „Pretty Woman“ oder die rare „Evergreen“ - 300 Tulpensorten aus aller Welt wollte die älteste Baumschule Deutschlands in Berlin zu ihrem 300. Geburtstag tausenden Besuchern zeigen. Nun ist der Treptower Betrieb mit 60 Mitarbeitern zum Auftakt des Jubiläumsjahres froh, dass er in der Corona-Krise überhaupt noch geöffnet sein darf und Interessierte einzeln, kurz und mit Abstand die Tulpen-Raritäten sehen sowie Pflanzen und Blumenzwiebeln kaufen können.

Alle Mitarbeiter stünden unter großer Anspannung, sagte Geschäftsführer Holger Zahn der Deutschen Presse-Agentur. „Wir wissen ja nicht, was morgen kommt, was nächste Woche kommt.“ In normalen Zeiten hätte rund um Ostern Hochbetrieb geherrscht. Nun wurden an den Kassen Plexiglasscheiben montiert und Abstandsmarkierungen eingerichtet.

Aber es gibt Hoffnung: Mit einem großen Fest soll nach bisherigen Planungen am 19. und 20. September an die lange Tradition des Gartenbaubetriebes erinnert werden. Dieser wurde von Christoph Späth mit 300 Talern als Gemüse- und Blumengärtnerei vor dem Halleschen Tor gegründet, die Urkunde stammt vom 11. September 1720.

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Der mehrmals in Berlin umgezogene Familienbetrieb stieg Anfang des 20. Jahrhunderts nach eigenen Angaben zur weltweit größten Sortiments-Baumschule auf. Die Firma war prägend: Stadtteil und S-Bahn-Station in Berlin wurden Baumschulenweg genannt, der Standort Späthstraße. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen im Ostteil Berlins zum Volkseigentum erklärt.

Der Betrieb wurde in der DDR Teil der Baumschulen Dresden, in den 80er Jahren firmierte die Firma in Ost-Berlin dann als Volkseigenes Gut Saatzucht Baumschulen.

Dutzende Pflanzensorten wurden gezüchtet, so auch mehrere weibliche Sorten Sanddorn sowie die männlichen Bestäuber, nachdem die DDR auf die genügsame Wildfrucht gestoßen war, wie ein früherer Züchter einmal berichtete. Die Beere wurde auch „Zitrone des Ostens“ genannt - wegen ihres enorm hohen Gehalts an Vitamin C sowie neun anderer Vitamine. Produziert wurde gegen Devisen auch für den Westen, etwa für Schleswig-Holstein.

Im Garten der Späth'schen Baumschulen blüht es jetzt und in den kommenden Wochen auch ohne den Ansturm von Besuchern.
Im Garten der Späth'schen Baumschulen blüht es jetzt und in den kommenden Wochen auch ohne den Ansturm von Besuchern.

© Kitty Kleist-Heinrich

Nach der Wiedervereinigung wollte die Treuhand ursprünglich den DDR-Betrieb abwickeln. Der damalige Rechtsstreit um die Rückübertragung sei als aufreibend in Erinnerung geblieben, ist zu hören. 1997 wurde die Gartenbaufirma dann an eine Späth'sche Erbengemeinschaft reprivatisiert.

Zu den heutigen Referenzen gehört das Gästehaus der Bundesregierung im brandenburgischen Meseberg. Die traditionsreiche Berliner Baumschule lieferte für die Sanierung der historischen Barockanlage große Winterlinden, wie sie einst dort standen. Späth sei zu der größeren Lieferung in der Lage gewesen, erinnert sich Architekt Uli Böhme in einem Youtube-Video an die schwierige Suche nach den richtigen Exemplaren.

Wildobst, Sträucher, Stauden, Heckenpflanzen, Laub- und Nadelgehölze sind auch heute gefragt. Vom historischen Standort im Stadtteil Treptow mit etwa 3,5 Hektar Fläche kommen aber nur noch Pflanzen aus Containern. Die Produktion im Freien ist laut Unternehmen auf neue Flächen in Königs Wusterhausen im benachbarten Brandenburg konzentriert worden.

In der Belegschaft wird jetzt umdisponiert

Derzeit versucht Geschäftsführer Zahn entschlossen, das Unternehmen durch die Krise zu steuern. Die zehn Mitarbeiter aus dem geschlossenen Hofcafé arbeiteten nun in der Pflanzenproduktion mit. Sollte dort die Arbeit ausgehen, könnten sie den Gartenservice unterstützen, so der Gartenbauingenieur.

Kurzarbeit habe er noch nicht anmelden müssen. Bislang seien nur einige Aufträge abgesagt. „Im Großen und Ganzen funktioniert es. Alle machen ihren Job. Für mich aber ist die psychische Belastung hoch“, sagt der Inhaber.

Gearbeitet wird auch an einem anderen Strang. Das historische Späth-Buch, das 1920 zum 200. Geburtstag des Unternehmens erstmals erschien, werde erweitert, sagt eine Sprecherin. Im neuen Buch gehe es mit Zeitzeugenberichten und Dokumenten auch um die Jahre im Nationalsozialismus.

Hellmut Späth, Firmeninhaber in sechster Generation, sei nach kritischen Äußerungen zum NS-Regime im KZ Sachsenhausen eingesperrt und dort in den letzten Kriegswochen erschossen worden. (dpa)

Jutta Schütz

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