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Einmalige Mischung. 300 Medizintechnikbetriebe, 230 Biotech-Firmen und 30 Pharmaunternehmen haben ihr Hauptquartier in der Region.

© imago/Westend61

Medizinberufe: Die Gesundheitswirtschaft in Berlin floriert

Der Anteil der älteren Bevölkerung wächst im ganzen Land – nur in der Hauptstadt nicht. Keine andere Stadt hat so viele qualifizierte Berufseinsteiger.

Immer mehr Menschen zieht es in die Hauptstadtregion. Sie alle brauchen Pfleger, Sanitäter, Ärzte, Apotheker und Therapeuten. Schließt man Techniker und Juristen, die in Kliniken arbeiten, mit ein, gibt es derzeit 250 000 Beschäftigte in diesem Sektor. Das Cluster Gesundheitswirtschaft Berlin Brandenburg „Health Capital“ zählt sogar 370 000 Angestellte in insgesamt 21 000 Firmen. Sie erwirtschaften 25 Millionen Euro pro Jahr.

Für Berufsanfänger bieten die zahlreichen Arbeitgeber beste Aussichten: 30 Pharmaunternehmen haben ihr Hauptquartier in der Metropolregion, 230 Biotech-Firmen, 300 Medizintechnikbetriebe. Sie alle bilden aus und suchen kontinuierlich nach guten Leuten. Zahlreiche Start-ups tüfteln an der Spree an digitalen Hilfsmitteln wie Service-Robotern und entwickeln neue Geschäftsmodelle. Zu den größten Arbeitgebern der Region gehört die Charité mit 17 000 Beschäftigten und das Klinikum Vivantes mit 16 000.

Bürgermeister Michael Müller (SPD) spricht von einem „echten Pfund für Berlin“. Damit das auch in Zukunft so bleibt, bemüht sich eine Expertenkommission unter der Leitung von Karl Lauterbach darum, die Branche noch besser zu machen. Zum Beispiel, indem Charité und Vivantes nicht als Konkurrenten agieren, sondern enger kooperieren. Dann könnten die beiden Schwergewichte international führend in der Krankenversorgung und medizinischen Forschung sein, ist die Kommission überzeugt. Lauterbach wünscht sich eine „Patientenversorgung auf europäischem Spitzenniveau“.

Pflegedienste suchen händeringend Fachkräfte

Bereits angeschoben wurde eine gemeinsame Ausbildungsstätte beider Kliniken für Gesundheitsberufe wie Pflegekräfte. Die Grundstückssuche laufe, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD). Zudem tritt ab Januar 2020 das Gesetz zur Reform der Pflegeausbildung in Kraft. Damit wird eine generalistische Ausbildung eingeführt, die mit dem Abschluss „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“ endet. Am Evangelischen Krankenhaus KEH beginnt das Ausbildungsjahr hierfür zwar erst am 1. Oktober 2020, aber ein Jahr vorher startet die Bewerbungsphase. Bei Charité und Vivantes geht es ab dem 1. April nächsten Jahres los, Bewerbungen werden bereits angenommen.

In der Altenpflege fehlen derzeit rund 900 Kräfte. Stationäre Heime und ambulante Pflegedienste suchen händeringend Fachkräfte und rekrutieren inzwischen auch in Osteuropa. Einige Einrichtungen können aufgrund des Personalnotstands keine neuen Bewohner aufnehmen.

Neben der Pflege stellt Kai Bindseil, Clustermanager Gesundheitswirtschaft bei Berlin Partner, die vielen weiteren Ausbildungswege für junge Menschen in den Vordergrund: „Die Arbeit eines Notfallsanitäters wird immer anspruchsvoller. Durch moderne Technik kann schon im Rettungswagen eine erste Diagnose gestellt und an die Klinik weitergegeben werden.“ Und das sei nur ein Beispiel. Viele Teilbereiche der Gesundheitswirtschaft bieten beste Zukunftsperspektiven. Dazu gehören neben Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten auch die Medikamentenherstellung und die Medizintechnik, Apotheken sowie Sport, Wellness und der Gesundheitstourismus. Um sich einen Überblick zu verschaffen, empfiehlt Bindseil die gerade aktualisierte, vierte Auflage des Ausbildungsatlas für die Branche (siehe unten). „Eine fundierte berufliche Ausbildung bietet Berufseinsteigern heute mehr denn je hervorragende Chancen, sich in dieser stark wachsenden Branche zu entwickeln“, sagt er.

Ob Wellness, Sport oder Tourismus: Für Berufsanfänger bieten diese Sparten beste Zukunftsperspektiven.
Ob Wellness, Sport oder Tourismus: Für Berufsanfänger bieten diese Sparten beste Zukunftsperspektiven.

© Getty Images

Das Berlin Institute of Health schafft viele neue Planstellen

Damit das so bleibt, muss sich der Standort im internationalen Wettbewerb beweisen – nicht nur in der Patientenversorgung, auch in Forschung und Lehre. Laut der Expertenkommission habe die Charité als Forschungsstätte eine gute Ausgangslage. Das Universitätsklinikum sei ökonomisch stark, schreibe schwarze Zahlen, könne viele Drittmittel einwerben und kann mit 4000 Publikationen pro Jahr punkten.

Anders sehe es bei der „Schwester“ Vivantes aus: Das IT-Konzept wurde gelobt, das Klinikum sei aber nicht für die Forschung geeignet. Demnach könnte die Charité ihre Studien viel schneller und besser durchführen, wenn sie auf die Patienten von Vivantes zurückgreifen könnte. Dieser einmalige Vorteil würde bisher nicht ausreichend genutzt. „Das Potenzial in Deutschland ist nirgendwo so groß wie in Berlin, wenn man bereit ist, die Struktur radikal und langfristig zu ändern“, sagt Karl Lauterbach.

Mit einer gemeinsamen IT- und Dateninfrastruktur sollen Fortschritte in der Digitalisierung erzielt werden. Das Berlin Institute of Health habe sich als Exzellenzsäule innerhalb der Charité bewährt und schaffe viele neue Aufträge und Planstellen. Detaillierte Vorschläge liefert der Bericht auch für Weiterentwicklungen beim wissenschaftlichen, medizinischen und administrativen Personal – von der Ausbildung bis zur Verbesserung von Karrierewegen. Hier entstehen für Berufsanfänger viele neue Chancen.

Am Arbeitsmarkt habe Berlin die geringsten Probleme. Der Grund ist der demografische Wandel. Der Anteil der älteren Bevölkerung wächst im ganzen Land – nur in Berlin nicht. „Die Wirtschaft in Berlin wird florieren, weil keine einzige Stadt in Deutschland einen solch großen Bestand an gut qualifizierten 20- bis 25-Jährigen hat“, ist sich Lauterbach sicher.

Alle Berufe der Gesundheitswirtschaft auf einen Blick: Der Atlas „Ausbildung Gesundheit in Berlin und Brandenburg“ stellt die regionalen Ausbildungsberufe in der Gesundheitswirtschaft vor. Zeitgleich geht das Internetportal überarbeitet online: www.atlas-ausbildung.de.

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