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 Festival der Riesendrachen der Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land auf dem Tempelhofer Feld

© Christoph Soeder/dpa

Berliner Volksparks: Die grünen Bühnen der Stadt

In seinen Buch "Stadt.Volk.Park." schreibt Ex-Senatsbaudirektor Hans Stimmann über Vergangenheit und Gegenwart der Berliner Volksparks.

Wer mächtig ist, muss sich Kritik gefallen lassen. Und Hans Stimmann war zu seiner Zeit als Berliner Senatsbaudirektor ein mächtiger Mann in diesem Nachwende-Berlin, als das hiesige Planungsgeschehen im nachsozialistischen Ost-Berlin noch sehr viel mehr Ähnlichkeit mit dem wilden Westen als mit einem geordneten Berliner Verwaltungshandeln hatte. Der streitbare Hans Stimmann hat von 1991 bis 2006 das neue Berlin geprägt wie nur wenige seiner Vorgänger. Mit seinem unerbittlichen Plädoyer für die Proportionen der europäischen Stadt, für Blockrandbebauung und Traufhöhendiktat von 22 Metern. Unendlich viele Architekten haben sich an Stimmann abgearbeitet, die Berliner indessen sind heute froh über das dichte städtische Gefüge und die kleinteiligen Bauprojekte, die Stimmann häufig durchsetzte gegenüber den von Architekten erträumten baulichen Solitären.

Stimmann, der späte Streiter für die Wiederherstellung der historischen Grundrisse zwischen wiedererstehendem Stadtschloss und Fernsehturm, hat freilich auch die riesigen monolithischen Baublöcke in der Friedrichstraße zu verantworten. Gerechtfertigt hat er seine Zustimmung mit der besonderen Situation Berlins nach dem Mauerfall, als alles schnell gehen sollte mit der Wiederbelebung der alten Mitte Berlins. Die Kehrseite seines Wunsches, alte Stadtgrundrisse mit den engen Gassen wieder aufleben zu lassen, zeigt sich aktuell an der Friedrichwerderschen Kirche. Stimmann erlaubte, dass die neu entstandenen Luxus-Lofts so nahe an die Schinkel-Kirche heranrücken durften, dass dadurch schwerste Bauschäden und tiefe Risse die Statik des Gotteshauses bedrohen.

Dass Hans Stimmann sich neben der Bebauung auch um das städtische Grün verdient gemacht hat, ist dagegen weithin unbekannt. Mit einem neuen Buch „Stadt.Volk.Park. Volkspark als Bühne städtischer Selbstinszenierung“ ruft der umtriebige Pensionär das jetzt in Erinnerung. Immerhin stammen die Entwürfe für den Mauerpark in Prenzlauer Berg, den Gleisdreieck-Park und das Tempelhofer Feld aus seiner Amtsperiode. Daneben spürt er der Entstehung und Gestaltung der großen historischen Berliner Parkanlagen nach – vom Tiergarten bis zum Volkspark Friedrichshain. Mit unterhaltsamen Kurzessays, in denen auch die spitze Zunge und die Lust an streitbaren Formulierungen aufscheint, zeichnet Stimmann die Entstehungsgeschichten der grünen Orte Berlins nach. Und den gesellschaftlichen Nutzungswandel: War die Nutzung von Bürgerwiesen in öffentlichen Parks vor über 100 Jahren noch ein emanzipatorischer Akt, überschreitet der maßlose Gebrauch der grünen Orte für private Dramen wie großflächige Grillpartys heute jede Scham- und Nutzungsgrenze.

Stimmann spart etwa beim Tempelhofer Feld nicht mit Kritik an der Umsetzung der ursprünglichen Pläne. „Der Senat agierte hier, als ginge es um Wohn-, Gewerbe- und Grünanteile, um Ökologie und zuletzt noch um einen Standort für die Landesbibliothek und nicht um den Umgang mit einem besonderen Ort, der einst die Freiheit des Fliegens symbolisierte und das Überleben in Demokratie und Freiheit durch Rosinenbomber sicherte“, kritisiert er die Landesregierung: Tempelhof „war ein Ort, an dem sich die Grenzen der Fähigkeit des Senats, für einen Symbolort im wiedervereinigten Berlin Zukunftsvorstellungen zu entwerfen, sichtbar wurden“.

Angereichert wird das großformatige Buch mit informativen Grafiken und historischen Plänen, lebt aber vor allem von den atmosphärisch dichten Bildern des Fotografen Erik-Jan Ouwerkerk. Stimmanns Buch ist daneben auch eine Handreichung für ganz aktuelle politische Konflikte, wenn er etwa über den „Naturpark Lichterfelde“ schreibt. Am südlichen Stadtrand wird seit Jahren darüber gestritten, wie intensiv der Bauunternehmer Groth das Gelände der einstigen Geisterstadt der US-Armee zum Training des Straßenkampfes in Zeiten des Kalten Kriegs bebauen darf. Völlig überwachsene Straßen und Gleisanlagen, wo aktuell nur Pferde gehalten werden, machen das Gelände zu einer grünen Idylle. Die Konflikte um die Bebauung nennt Stimmann einen „gewagten Traum zwischen der Sehnsucht nach einem verlorenen Paradies und dem Wunsch nach vorstädtischer Urbanität“.

Hans Stimmann/Erik-Jan Ouwerkerk: Stadt.Volk.Park. Volkspark als Bühne städtischer Selbstinszenierung. Ernst Wasmuth Verlag. 180 Seiten, 155 Abbildungen und Pläne, 35 Euro
Hans Stimmann/Erik-Jan Ouwerkerk: Stadt.Volk.Park. Volkspark als Bühne städtischer Selbstinszenierung. Ernst Wasmuth Verlag. 180 Seiten, 155 Abbildungen und Pläne, 35 Euro

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