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Mit Transparenz. In diesem Jahr wurden in Berlin rund 30 gemeinnützige Stiftungen gegründet. Zu den neuen Stifter gehört auch der FDP- Bundesschatzmeister, Harald Christ - er allerdings ist ein positives Beispiel für Transparenz. Das Foto zeigt Christ während der Ampel-Verhandlungen am Berliner Westhafen.

© Tobias Schwarz / afp

Berliner Stiftungsboom: Edle Taten und dunkle Seiten

In Berlin werden viele gemeinnützige Stiftungen gegründet – nicht selten bleiben die Absichten der Stifter verborgen. Transparenzpflicht kommt erst 2024.

Ein glamouröses Paar. Die Modezeitschrift Vogue berichtete mit einer vielseitigen Fotostrecke über die exklusive Hochzeit von Filip und Luisa Dames in der Toskana. Dort kann man erfahren, dass Luisa Dames das perlenbestickte und 120 Jahre alte Oberteil ihres Hochzeit-Outfits in London gekauft hat und das Paar die Flitterwochen auf einem Segelboot in der Ägäis verbracht hat. So viel Offenheit gibt es anderenorts nicht. Etwa bei der „Filip und Luisa Dames“-Stiftung, die sich seit Ende 2020 im Berliner Stiftungsverzeichnis findet. Die „Förderung der Erziehung“, „Förderung der Jugendhilfe“ und die „Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung“ wird da als Stiftungszweck genannt. Was der vermögende Berliner Start-Up-Unternehmer Filip Dames – Zalando, Auto1, Flixbus oder Quandoo - und die Mitgründerin des Schuhlabels Aeyde aber wirklich mit der Stiftung vorhaben, bleibt im Dunkeln. Ruft man die im Stiftungsverzeichnis angegebene Seite auf, heißt es auch ein Jahr nach der Gründung lediglich: „Die Website ist nicht erreichbar“. An mangelnden Online-Kenntnissen der Gründer dürfte es wohl kaum liegen. Die angegebene Mail-Adresse hilft auch nicht weiter: Die um Auskunft über Stiftungskapital, Förderungsziele und Mittelverwendung gebetene Filip-und-Luisa-Dames-Stiftung reagiert überhaupt nicht.  Nur ein Beispiel, das bei einer längeren Beobachtung der neugegründeten gemeinnützigen Berliner Stiftungen auffällt. Der Blick lohnt – und ist offenkundig notwendig. In Berlin, lange Jahre eher eine Stiftungs-Diaspora, gibt es nämlich seit einigen Jahren einen regelrechten Gründungs-Boom. Die Landesfreiwilligenagentur Berlin veranstaltete gerade erst wieder einen „Berliner Stiftungstag“, bei dem es um das Schwerpunktthema „Stiftungen und Stiftungsengagement in Krisenzeiten“ geht und wo sich auch neue Stiftungen vorstellen. Und die Berliner Landesregierung lädt jährlich zum Empfang der Neu-Stifter; eingeladen war auch die Dames-Stiftung . Im Herbst 2020 wurde in das von der Berliner Justizverwaltung betreute Stiftungsregister die 1000. Stiftung eingetragen: Die Stiftung „Morgenland“ hat sich aber mit nahezu 200 Jahren Erfahrung in der Missions- und Sozialarbeit lediglich eine neue rechtliche Struktur gegeben. Bei den 30 Stiftungen, die im vergangenen Jahr hinzugekommen sind, sieht es aber ganz anders aus - und vielfach sehr verwirrend. Es fängt freilich schon damit an, dass die neuen Stiftungen nicht einfach zu finden sind. Eine Gliederung nach Eintragungsdatum gibt es bei der Justizverwaltung nicht; mühsam müssen die nach Zielstellungen geordnete Abschnitte durchsucht werden. Aus Datenschutzgründen gibt es auch keinerlei Angaben über das Stiftungsvermögen. Transparenz sieht anderes aus.

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Mehr Transparenz und Aussagekraft wären wirklich notwendig und hilfreich. Schließlich wünschen sich viele Stiftungen ausdrücklich auch Spenden. Ehrenwerte Motive möchte man keinem Stiftungsgründer absprechen, nur ist davon kaum etwa zu erfahren in den schlecht geordneten Informationen des amtlichen Stiftungsregister. Die Kehrseite solcher Info-Armut ist, dass sich dahinter auch schwarze Schafe verbergen können. Reform tut Not. Selbst in der Senatsverwaltung hört man Stimmen, die sich mehr Transparenz wünschen. Selbst angegebene Telefonnummern seien häufig nicht aktuell, so die Erfahrung von Mitarbeiter*innen. So hängt es ausschließlich von den Stiftern ab, was diese preisgeben wollen – und ob sie wirklich eine gemeinnützige oder zivilgesellschaftlich gute Werke im Sinn haben. Hier folgen einige weitere Beispiele – wie die Dames-Stiftung allesamt Ende 2020 gegründet. Der Unternehmer Harald Christ, ehemals der Vorzeige-Mittelständler der SPD und als heutiger FDP-Bundesschatzmeister derzeit als Brückenbauer eine wichtige Person bei den Ampel-Koalitionären, zeigt sich offener. Seine „Harald Christ Stiftung für Demokratie und Vielfalt“ ist mit 100.000 Euro ausgestattet und soll durch weitere jährliche Zuwendungen eines jeweils sechsstelligen Beitrags wachsen, sagte Christ. Der angesichts des „Linksrucks“ nach 31 Jahren enttäuscht aus der SPD ausgetretene Christ möchte auf vielfältige Weise einen Beitrag zur „Stärkung unserer Demokratie“ leisten und Meinungsfreiheit, Diversity, Akzeptanz und Chancengleichheit fördern. Kann man alles nachlesen auf der Webseite. Bei der Walgard-und-Gerd-Haß-Stiftung erfährt man dagegen – nichts. Auch hier keinerlei Angaben, keine Webseite, keine Kontaktmöglichkeiten. Ob die angegebene Adresse stimmt, sei dahingestellt. Danach jedenfalls sitzt die Stiftung, die sich die „Förderung der Rettung aus Lebensgefahr durch finanzielle Unterstützung der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft“ als Ziel gegeben haben, in einer sehr unscheinbaren dreistöckigen Lichterfelder Wohnhauszeile. Sehr merkwürdig präsentiert sich auch die Angelika-Unger-Stiftung, die sich um das Tierwohl und Naturschutz  kümmern möchte. Sie hat zwar eine Webseite  – die aber verzeichnete bis in den Sommer 2021 außer einer Einladung von 2019 zu einem netten Umtrunk keinerlei Informationen oder aktuelle Termine. Viele Rubriken waren lediglich mit Leerformeln in lateinischer Sprache gefüllt. Statt Infos gab es einen Spendenaufruf  – per „direct bank transfer“ an eine dubios klingende „The7 Church BSB“-Bank. Aktuell ist zwar der Umtrunk von 2019 verschwunden, doch als einzige Aktivität der Stiftung wird nun am 10. Dezember 2020 die Gründung verzeichnet. „Frau Angelika Unger, die Stifterin sowie Geng Jun Wu, stellvertretender Vorsitzender und Thomas Müller, Mitglied des Vorstandes der Angelika Unger Stiftung, haben Grund zur Freude.  Die Senatsverwaltung von Berlin hat am 07. Dezember 2020 die für das Tierwohl eingerichtete gemeinnützige Stiftung offiziell anerkannt.“, heißt es dort. Völlig irritierend wird es, wenn neben der Stifterin Angelika Unger die auf der Webseite genannten Stiftungsvorstände und Kuratoriumsmitglieder aus Mitarbeitern der Berliner Investment-Firma Pateo Investments GmbH bestehen. Nur das Spendenkonto wird nun bei der Commerzbank geführt. Denn zu Spenden wird weiterhin aufgerufen. „Gemeinsam mehr erreichen – jede Spende zählt“, heißt es auf der Seite. Zwar heißt es auch „Entdecken Sie unsere laufenden Projekte“, doch wer dort klickt, findet keinerlei Projekte. Zumindest wird hier auf eine Mailanfrage zur Stiftungsarbeit und Spendenverwendung reagiert. Eingeräumt wird vom Stiftungsvorstand Thomas Müller, es gebe „leider noch nicht allzu viel zu berichten“. Geschuldet sei dies auch den „ernsthaften gesundheitlichen Problemen der Stifterin“. Man wolle aber „sehr gern informieren, wenn unsere Arbeit richtig beginnt“.  „Stiftungen zum Wohl der Allgemeinheit sind mehr denn je unverzichtbare Partner des Staates bei der Bewältigung von Aufgaben der Daseinsvorsorge“, betont der Berliner Senat und fügt wohlwollend hinzu: „Die zunehmende Bereitschaft, privates Vermögen für Zwecke des Gemeinwohls zu stiften, verdient volle Unterstützung.“ Nun ist es allerdings kein Geheimnis, dass Stiftungen zuweilen auch gegründet werden, damit Wohlhabende ihre Steuerzahlungen reduzieren können. Im Netz finden sich durchaus Steuerkanzleien, die zur Gründung von Stiftungen raten. Burkhard Wilke, Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), kennt manche merkwürdige Stiftung. Es gebe sowohl die „nahezu auf kriminellen Missbrauch angelegten Stiftungen“, wie auch solche Stiftungen, die in einem „Graubereich bis an die Grenze des Erlaubten“ agierten oder auch völlig intransparente Stiftungen, die sich zunutze machten, dass es in Deutschland keine Publizitätsverpflichtung gibt. Ein transparentes Gemeinnützigkeitsregister, so Wilke, hat der Bundestag im Frühjahr im Zuge des neuen Steuergesetzes beschlossen – ab 2024. Das DZI, welches auch das „Spendensiegel“ an transparente Organisationen vergibt, propagiere deshalb eine freiwillige Veröffentlichung als „positives Merkmal für seriöse Stiftungen“. Wilke verweist auch auf die zehn Punkte einer Selbstverpflichtung, die von der „Initiative transparente Zivilgesellschaft“ unter Führung der Korruptionsbekämpfer von Transparency International erarbeitet wurde. DZI-Geschäftsführer Wilke hält es für nicht ausreichend, dass die zu 90 Prozent gemeinnützigen Stiftungen im jährlichen Tätigkeits- und Finanzbericht an die Stiftungsaufsicht nur marginale Angaben machen müssten – und dieser Bericht der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. 

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