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Umstrittene Personalie: Andrej Holm.

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Update

Berliner Staatssekretär mit Stasi-Vergangenheit: Rot-Rot-Grün gewährt Andrej Holm eine Gnadenfrist

Mehr als drei Stunden tagten die Spitzen der Berliner Koalition am Freitagabend. Dann stand fest: Der wegen seiner Stasi-Vergangenheit umstrittene Andrej Holm darf Staatssekretär bleiben - vorerst.

Andrej Holm darf vorläufig Staatssekretär für Bauen in der rot-rot-grünen Koalition in Berlin bleiben. Darauf hat sich der Koalitionsausschuss am Freitagabend im Roten Rathaus verständigt. Nach Tagesspiegel-Informationen war die Linke nicht bereit, ihn zum jetzigen Zeitpunkt aufzugeben. Vielmehr soll eine erneute Prüfung seiner Stasi-Vergangenheit durch die Humboldt-Universität (HU) abgewartet werden. Somit handelt es sich mehr um einen Aufschub als um eine Entscheidung. Die Deutsche Presse-Agentur erfuhr von heftigen Diskussionen in der Runde, ohne dass es am Ende eine echte Entscheidung gegeben hätte.

"Nach dem, was uns bisher an Akten aus der BStU und der Humboldt-Universität vorliegt, ist für uns nicht ersichtlich, dass Andrej Holm 2005 wissentlich und willentlich seine Tätigkeit beim Ministerium für Staatssicherheit verschleiert hat", schrieb der linke Kultursenator Lederer nach der dreieinhalbstündigen Krisensitzung bei Facebook. "Ob sich aus der Ausfüllung des Personalfragebogens arbeitsrechtliche Konsequenzen ergeben, wird die HU klären." Solange gelte für Holm "wie für jeden anderen die Unschuldsvermutung".

Damit setzte die Linke durchgesetzt, was Lederer schon vor dem Treffen als entscheidendes Kriterium ausgegeben hatte. "Wenn da vorsätzlich falsche Angaben gemacht worden sind, dann wäre es sicherlich ein Problem und dann wäre aus meiner Sicht die Personalie auch in der Tat nicht zu halten", sagte er der rbb-"Abendschau" im Hinblick auf Holms Auskünfte gegenüber seinem bisherigen Arbeitgeber, der Humboldt-Universität.

Vorsatz oder Ahnungslosigkeit? Von dieser Frage will die Koalition nun abhängig machen, ob sie an Holm festhält. Und das bezieht sich nicht auf seine Zeit als junger Erwachsener bei der Stasi, sondern auf seine Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der HU mit Mitte 30. Die Grünen machten bereits deutlich, dass sie von Holm selbst eine Entscheidung erwarten, wenn die Uni zu der Erkenntnis kommen sollte, dass Holm 2005 wissentlich falsche Angaben gemacht hat, die ihm erst seinen Job verschafften. "Gibt es neue Entwicklungen, muß er Konsequenzen ziehen", twitterte die Fraktionsvorsitzende Antje Kapek am späten Freitagabend.

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Kultursenator Lederer bemühte sie um eine vielfach ausgewogene Stellungnahme in dem heiklen Fall. "Wir wissen um die schwierige kommunikative Lage, die die Auseinandersetzung um die Personalie für Rot-Rot-Grün zu Beginn dieser Legislaturperiode bedeutet. Wir sehen uns aber ebenso in der Pflicht, dem Menschen Andrej Holm und seiner Biografie gerecht zu werden", schrieb er bei Facebook. "Gleichzeitig sehen wir es als unsere Aufgabe an, die Vergangenheitsaufarbeitung des SED-Unrechts voranzutreiben. Dies sind wir vor allem den Opfern schuldig. Nicht zuletzt aber angesichts unserer geschichtlichen Verantwortung auch uns selbst."

Die Koalition hatte lange um diesen Kompromiss gerungen. Um 19 Uhr hatte das außerplanmäßige Spitzentreffen begonnen. Von der SPD nahm neben dem Regierenden Bürgermeister und SPD-Landesvorsitzenden Michael Müller der Fraktionschef Raed Saleh teil. Für die Grünen erschienen der neue Landesvorsitzende Werner Graf, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop sowie die Fraktionschefinnen Silke Gebel und Antje Kapek. Von den Linken kam zuerst der frühere Landesparteichef und neue Kultursenator Klaus Lederer, der den Anstoß zu der Runde gegeben hatte. Dann folgten Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (deren Staatssekretär Andrej Holm ist), die Fraktionschefs Udo Wolf und Carola Bluhm sowie die neue Parteichefin Katina Schubert.

Beistand von Redaktion aus Zeiten der DDR-Opposition

Am Freitagmittag hatte mit dem SPD-Abgeordneten Sven Kohlmeier erstmals ein Sozialdemokrat den Rücktritt des umstrittenen Staatssekretärs gefordert. "Ich würde mir wünschen, dass Andrej Holm aus der tagelangen Diskussion um seine Stasi-Verstrickung die Konsequenzen zieht. Diese Koalition hat viele wichtige Aufgaben für unsere großartige Stadt zu erledigen. Das geht nur mit Haltung und Ehrlichkeit", schrieb Kohlmeier auf seiner Website.

Beistand bekam Holm allerdings unter anderem von aktuellen und ehemaligen Redakteuren der Zeitschrift "telegraph", die in der DDR-Opposition der Wendezeit ihre Wurzeln hat. Sie sprachen in einem offenen Brief von einer "Schmutzkampagne" gegen den Staatssekretär, der ihren Angaben zufolge von 1998 bis 2001 bei der Zeitschrift mitgearbeitet hat. In dieser Zeit sei er offen mit seiner Stasi-Vergangenheit umgegangen und habe seine Lehren daraus gezogen. Sein Engagement für Bürgerbeteiligung im Wohnungswesen sei "Ergebnis dieses biografischen Bruchs". Holms Kritikern unterstellten die Zeitschriftenredakteure, ihn letztlich nur deshalb verhindern zu wollen, weil er für eine Politik auf Seiten der Mieter stehe. (mit dpa)

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