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In der Krise sparen? Nicht mit mir! SPD-Fraktionschef Raed Saleh im Gespräch mit Burkhard Dregger (CDU) und Sebastian Czaja (FDP).

© Wolfgang Kumm / dpa

Berliner SPD will nicht sparen: Saleh will "Finanzbedarf am Kreditmarkt decken"

SPD-Fraktionschef Raed Saleh will nicht übers Sparen reden, sondern sieht noch "erheblichen Ausweitungsbedarf" bei den Corona-Staatshilfen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

„Es wird keine Kürzungen von Haushaltsansätzen oder politische Vertagungen von Projekten geben“. Der Staat werde seinen Finanzierungsbedarf zur Bewältigung der Corona-Folgen am Kreditmarkt decken und langfristig (20 bis 30 Jahre) tilgen. Das ist die Position, mit der SPD-Fraktionschef Raed Saleh in die Schlussrunde der Verhandlungen mit Linken und Grünen über den Berliner Nachtragshaushalt 2020 geht.

„Wir werden uns nicht mit einer billigen politischen Debatte über grundsätzliche Entscheidungen der Koalition aufhalten“, steht in dem zweiseitigen Verhandlungspapier. Das gelte für die schon beschlossenen Entlastungen der Berliner, insbesondere im unteren und mittleren Einkommensbereich, aber auch für die Verkehrswende, den nachhaltigen Klima- und Umweltschutz sowie die Liegenschaftspolitik.

Einen „erheblichen Ausweitungsbedarf“ sieht Saleh noch bei der finanziellen Unterstützung des unternehmerischen Mittelstands, der Familien und der Ehrenamts- und Vereinsstrukturen, „auch in den Bezirken“.

Keine Kritik an Regierungschef Müller oder Finanzsenator Kollatz

Das Verhandlungspapier orientiert sich eng an den Beschlüssen des SPD-Landesvorstands und der Fraktion im Abgeordnetenhaus, die vor einer Woche gefasst wurden. Die knapp gefassten Thesen richteten sich ausdrücklich nicht gegen den Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz, wird in der Fraktionsspitze versichert. Man erkenne auch an, dass der Finanzsenator eine andere Rolle wahrnehme als Partei und Fraktion.

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Das Fraktionspapier ist als Leitlinie für die laufenden Haushaltsgespräche mit Linken und Grünen zu verstehen. Aber auch als Antwort auf die Forderungen der Oppositionsfraktionen CDU, FDP und AfD, nach dem dramatischen Einbruch der Steuereinnahmen auf „ideologisch motivierte“ Projekte von Rot-Rot-Grün zu verzichten.

Plädoyer für ein "berlinspezifisches Konjunkturprogramm"

Die SPD-Fraktion will auch den landeseigenen Investitionsfonds Siwa und die bezirklichen Rücklagen nicht antasten. Mögliche „Haushaltsreste“, also coronabedingt nicht realisierte Ausgaben, sollten abgeschöpft und als „dritte Konjunkturkomponente“ einer Finanzreserve zugeführt werden. Mit diesen drei Säulen könnten die erwartbaren Konjunkturprogramme des Bundes berlinspezifisch ergänzt werden, heißt es im Saleh-Papier.

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Darüber hinaus solle das Abgeordnetenhaus „Entscheidungsvorbehalte zum Haushaltsvollzug anordnen“. Hinter dem sperrigen Satz steckt die Absicht, zu verhindern, dass „liegen gebliebene“ Ausgaben behördenintern quasi am Parlament vorbei in andere Vorhaben gesteckt werden. Am Mittwoch nächster Woche soll im Hauptausschuss die Schlussberatung des ersten Nachtragshaushalts für 2020 stattfinden.

Der zweite Nachtrag, der die Neuverschuldung des Landes Berlin regelt, soll auch noch vor der Sommerpause vom Landesparlament beschlossen werden. Die Nettokreditaufnahme könnte bis zu fünf Milliarden Euro betragen. Ein großes Konjunkturpaket könnte im Frühherbst folgen.

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