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Ramona Pop (Grüne) und Raed Saleh (SPD) warfen sich gegenseitig Inkompetenz vor. (Archivbild)

© Gregor Fischer/dpa

Berliner SPD und Grüne streiten über Impflizenzen: „Frau Pop hat den Ernst der Lage nicht verstanden“ 

SPD gegen Grüne und mittendrin die Linke – im Berliner Abgeordnetenhaus beginnt langsam der Wahlkampf. So lief die Corona-Sondersitzung am Donnerstag.

Würden Wahlkämpfe wie Boxkämpfe funktionieren und hätten Artikel eine Tonspur, wäre jetzt die Ringglocke hörbar. Ding-ding! Dass vor allem SPD und Linke die Impflizenzen „vergesellschaften“ wollen, also für andere Produzenten freigeben möchten, geht Wirtschaftssenatorin Ramon Pop (Grüne) zu weit: „Das ist kein Apfelkuchenrezept, das man einfach weitergeben kann. Entweder verstehen manche zu wenig von der Materie oder machen schon Wahlkampf. Beides finde ich befremdlich“, sagte sie der „Morgenpost“ einen Tag, nachdem sich Rot-Rot-Grün mühsam auf einen gemeinsamen Antrag dazu geeinigt hatte. 

Auch andere Grüne wiesen daraufhin, dass allein der Bau neuer Fabriken mindestens vier Monate dauern würde – solange braucht Impfstoffhersteller Biontech für den Neubau einer Produktionsstrecke in Marburg. Sie hatten, heißt es, nur zugestimmt im Tausch für die Zustimmung zur ihrer Schnellteststrategie. Ein klassischer Deal.

Nicht mal in der eigenen Partei waren deshalb alle begeistert über Pops offene Worte, der Angriff kam zu direkt. SPD-Fraktionschef Raed Saleh sagte dem Tagesspiegel: „Anders als ihre Fraktion hat Frau Pop offenbar nicht den Ernst der Lage verstanden. Es ist nicht die Zeit für Wortspielchen. Es geht nicht um Apfelkuchenrezepte, es geht um Menschenleben. Wir müssen impfen, was das Zeug hält.“ 

Er forderte sie auf, selbst Ideen vorzubringen, wie die Krise überwunden werden könnte. Linker Haken, rechte Gerade. Der noch immer gemeinsame Antrag wurde in der Sondersitzung des Abgeordnetenhauses am Donnerstag trotzdem mit den Stimmen der Koalition beschlossen.

In seiner Regierungserklärung vor dem Plenum hatte zur Abwechslung mal Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) ausgeteilt – in Richtung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Es ärgert mich, dass wir bisher so wenig Impfstoff bekommen haben“, sagte Müller und knüpfte damit an die scharfe Kritik seiner Parteigenossen auf Bundesebene an.

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Die Länder im Allgemeinen und Berlin im Besonderen seien gut auf den für Mitte Dezember vorgesehenen Impfstart aufgestellt gewesen, betonte Müller, der sich in seiner Rede als Verfechter eines scharfen Lockdowns vor allem mit Blick auf die Kontaktbeschränkungen zu erkennen gab.

Weil Impfstofflieferungen und sichere Zusagen ausgeblieben waren, habe Berlin weniger als eigentlich möglich impfen können. „Seit zwei Tagen haben wir eine Planbarkeit“, erklärte er frustriert und kündigte an, 5000 der am Freitag in Berlin ankommenden Impfdosen für Krankenhäuser reserviert zu haben.

FDP wirft Müller „Daumenschrauben-Politik“ vor

Zuvor war Müller von Vertretern der Opposition sowie dem parteilosen Abgeordneten Marcel Luthe scharf attackiert worden. CDU-Fraktionschef Burkard Dregger warf Müller und dem Senat vor, in der Schulpolitik „unverantwortlich und unsozial“ zu handeln und Unternehmen in der Stadt zu Unrecht eine Mitschuld am Infektionsgeschehen zu geben.

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Tatsächlich hatte Müller Arbeitgeber in die Pflicht genommen, ihren Beschäftigten die Arbeit von zu Hause aus zu ermöglichen, um Kontakte zu vermeiden. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja forderte ein Ende der „unverhältnismäßigen Daumenschrauben-Politik“ und die Umkehr zu „einer maßvollen Strategie“, AfD-Fraktionschef Georg Pazderski warb für die Einstellung der in seinen Augen nutzlosen Lockdown-Politik.

Klärungsbedarf hat die Koalition bei der soeben vom Senat verschärften Kontaktbeschränkung. Weil die bis dato geltende Ausnahme für Kinder unter zwölf Jahren gekippt wurde, wollen Linke und Grüne im Abgeordnetenhaus nachjustieren – auch wenn ihre Vertreter im Senat zugestimmt hatten.

Die Ausnahme soll wieder gelten, alles andere sei vor dem Hintergrund der stufenweisen Öffnung der Schulen laut Linken-Fraktionschef Carsten Schatz „inkonsistent“. Aus den Reihen der SPD hieß es am Donnerstag, die Koalitionspartner hätten den Wunsch bislang nicht kommuniziert, eine Zustimmung sei alles andere als sicher.

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