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Björn Böhning, Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium und früherer Senatskanzleichef, ist ein Autor des Briefes.

© imago/Stefan Zeitz

Berliner SPD: Parteiinterne Kritiker laden zur Diskussion ein

Jüngere Genossen verfassten kürzlich einen Online-Brandbrief zur Lage der Berliner SPD. Nun laden sie zur kritischen Diskussion in ein Restaurant.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Zwei Monate ist es her, dass eine Gruppe jüngerer SPD-Funktionäre mit einer schonungslosen Kritik an der eigenen Partei auf sich aufmerksam machte. In einem Online-Brandbrief stellten sie in Zweifel, dass die Sozialdemokraten in Berlin noch die führende politische Kraft seien. „Dieser Anspruch ist hohl geworden“, hieß es. Jetzt laden die sieben Genossen, die den Aufruf kurz vor dem schwierigen Wahlparteitag des Landesverbands verfassten, für den 30. August zu einem Diskussions-Forum ein.

Und zwar ins syrische Restaurant „Lawrence“ in der Oranienburger Straße in Mitte. Dort ist auch die politische Heimat von Björn Böhning, dem prominentesten Autor des offenen Briefes, der die Berliner SPD „im Kleinklein einer tristen Verwaltungslogik oder in blumigen Worthülsen“ verschwinden sieht. Seit März ist er Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und versichert bei jeder Gelegenheit, dass sich diese Initiative nicht gegen den Regierenden Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller richte. Auch Kevin Hönicke, der sowohl Mitglied der aufmüpfigen Siebener-Gruppe als auch des SPD-Landesvorstands ist, sagt: „Es geht uns nicht um bestimmte Personen.“ Niemand habe jetzt Lust, beispielsweise eine Debatte über die Spitzenkandidatur der Berliner SPD für die Wahl 2021 zu beginnen.

SPD fehle klare Linie

„Wir wollen auf der Veranstaltung Ende August diskutieren, wie es inhaltlich weitergehen sollte“, kündigt Hönicke im Gespräch mit dem Tagesspiegel an. So stand es ja auch im Online-Aufruf: „Das Grundproblem der SPD ist, dass sie keine klare Linie mehr hat.“ Viele Parteifreunde hätten sehr positiv auf den offenen Brief reagiert, verrät der innerparteilich beliebte Nachwuchspolitiker aus Lichtenberg. Natürlich gebe es auch Kritik, aber darum gehe es: ohne ein thematisches Korsett und flügelübergreifend miteinander zu reden.

Bei dem Kreuzberger Diskussions-Forum nach den Sommerferien soll es auch nicht bleiben. Zumal in das Restaurant, in das eingeladen wurde, nur etwa 50 Leute passen. Doch in der SPD-Parteizentrale in der Weddinger Müllerstraße, wo es geräumige Sitzungssäle gibt, wollte die Gruppe nicht tagen. Auch wenn einige junge Genossen, die Anfang Juni frisch in den Landesvorstand gewählt wurden, ihre Unterstützung zugesagt haben. Dazu zählt wohl auch der neue Vize-Landeschef Julian Zado, Jurist und Repräsentant der SPD-Linken, auf den Parteichef Müller als Vorstandskollegen gern verzichtet hätte. Auch die stellvertretende Landesvorsitzende Iris Spranger will sich dem Vernehmen nach an der internen Diskussion außerhalb der regulären Gremien beteiligen.

Müller schweigt

Weder öffentlich noch parteiintern hat sich Müller bisher zu dem spektakulären Aufruf und den Plänen geäußert, der schwächelnden Regierungspartei ein neues Format für den innerparteilichen Diskurs zu verpassen. Auf dem Parteitag am 2. Juni, der Müller mit nur 64,9 Prozent als SPD-Landeschef bestätigte, blieb die Initiative der Siebener-Gruppe ein Ereignis, über das beim Kaffee im Foyer des Kongresshotels, aber kaum am Rednerpult gesprochen wurde. „Wann ladet ihr denn endlich zu dem versprochenen Treffen ein?“, wurde gefragt. Bald ist es soweit. Und ein Autor des Papiers, der nicht namentlich zitiert werden will, sagt etwas patzig: „Die Parteiführung haben wir nicht um Erlaubnis gefragt, ob wir das dürfen. Wäre ja noch schöner.“ Der Genosse fügt hinzu, dass es in der Partei ein großes Bedürfnis gebe, „von den Personalfragen wegzukommen“.

In welche programmatische Richtung die neue Initiative geht, ist offen. Ihr gehören Parteilinke, aber auch Vertreter der pragmatisch orientierten „Berliner Mitte“ an. Alle zwischen 33 und 43 Jahren. Das Team wird demnächst aufgestockt. Vor 20 Jahren gab es schon mal eine solche Gruppe von Genossen um die 40 Jahre, die auf eine Parteireform drängten. Ihr Slogan: „Erneuerung jetzt!“ Dazu gehörten damals der heutige Regierungschef Müller, Innensenator Andreas Geisel und Senatskanzleichef Christian Gaebler.

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