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Junger Mann in einer Shisha-Bar.

© Patrick Lux / dpa

Berliner Shisha-Bars nach dem Attentat in Hanau: „Es hätte auch uns treffen können“

Shisha-Bars sind auch in Berlin längst ein Bestandteil der Jugendkultur. Welche Auswirkungen hat das Attentat in Hanau auf die Bars in der Hauptstadt?

Am Mittwochabend schoss ein mutmaßlicher Rechtsextremist auf Besucher von zwei Shisha-Bars in Hanau. Die Auswirkungen des Attentates sind bis nach Berlin zu spüren.

„Welche Bilder hatte der Attentäter im Kopf, dass er ausgerechnet Shisha-Bars angriff?“, fragt sich Hakan Demir, Co-Vorsitzender der AG Migration und Vielfalt der Berliner SPD. Offenbar sei er davon ausgegangen, in Shisha-Bars auf Männer mit Migrationshintergrund zu treffen.

Dabei würde das Publikum in Shisha-Bars nicht dem gängigen Klischeebild entsprechen, sagt Hakan Demir. „Sie sind ein Begegnungsort für sehr viele unterschiedliche Menschen, mit und ohne Migrationshintergrund“, sagt er. Es gebe mittlerweile etwa auch Shisha-Bars, in denen sich nur Frauen treffen, wie das Frauencafé in der Urbanstraße.

Shisha-Bars seien längst ein Bestandteil der Stadt. „So, wie wir über eine Berliner Clubkultur reden, können wir auch sagen, dass wir eine Berliner Shisha-Bar-Kultur haben“, sagt Hakan Demir. „Berlin ohne Shisha-Bars wäre einfach kein Berlin.“

„Berlin ohne Shisha-Bars wäre kein Berlin“

Auch für viele Jugendliche sind Shisha-Bars ein wichtiger Rückzugsort, weiß die SPD-Politikerin Mirjam Blumenthal. Sie ist Vorsitzende des Neuköllner Jugendhilfe-Ausschusses und leitet den Jugendverband „Falken“. „Hätten wir mehr Jugendclubs, bräuchten wir weniger Shisha-Bars“, sagt Mirjam Blumenthal.

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In Gesprächen mit Jugendlichen erzählten diese immer wieder, dass sie abends, wenn die Jugendclubs schließen, einfach nicht wüssten wohin. „Manche gehen dann in Parks, viele, gerade wenn sie auch rauchen, aber eben in eine Shisha-Bar“, sagt Blumenthal. Auch sie ist sich sicher, dass das kein „rein migrantisches Phänomen“ sei, auch wenn, gerade in orientalischen Kulturen, Shisha-Bars ein wichtiger Austauschs- und Kommunikationsort seien.

Das sind die wichtigsten Artikel über die Gewalttaten von Hanau:

Lieber in Shisha-Bars als in Clubs

Die 27-jährige Melly hat selbst einige Zeit in einer Shisha-Bar gearbeitet und besucht regelmäßig welche. Sie ist Teil der Initiative „Kein Generalverdacht“, die sich gegen die Stigmatisierung durch Razzien einsetzt.

Sie sagt: „Shisha-Bars sind sehr wichtig als Freizeitbeschäftigung für Leute, die zum Beispiel in Diskos oft nicht reinkommen.“ Auch sie als Frau gehe viel lieber in Shisha-Bars als in Clubs oder andere Bars, da sie dort deutlich weniger Belästigungen erlebe. „Es gibt auch Club-Shisha-Bars, in die gehen wir oft am Wochenende, weil wir dort unsere Ruhe haben und nicht auf der Tanzfläche eingequetscht werden“, sagt sie.

Aus ihrer Sicht sind Shisha-Bars eine Art Jugendbewegung, die von sehr unterschiedlichen Menschen genutzt würden. „Fast jeder Jugendliche, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, geht in Shisha-Bars“, sagt sie.

Stigmatisierung durch Razzien gegen organisierte Kriminalität

Vorfälle wie das Attentat in Hanau hätten natürlich auch Auswirkungen auf die Bars. „Ich habe in den vergangenen Tagen viel mit Menschen gesprochen, die Shisha-Bars betreiben oder sie regelmäßig besuchen“, erzählt sie. Und alle eine das Gefühl: „Das hätte auch uns treffen können.“ Viele Menschen seien nach Attentaten verunsichert und würden dann bestimmte Orte eher meiden, das gelte für Shisha-Bars wie auch für Weihnachtsmärkte, sagt Melly.

Polizisten stehen bei einer Razzia in einer Shisha-Bar in Neukölln.
Polizisten stehen bei einer Razzia in einer Shisha-Bar in Neukölln.

© picture alliance / Paul Zinken/dpa

Sawsan Chebli,  Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in Berlin, schrieb etwa auf Twitter: „Meine Schwester hat ihren Kindern heute verboten, in die Shisha Bar zu gehen. Sie gehen da fast jeden Abend hin, ist das zweite Wohnzimmer.“

Ähnliches beobachtet Melly etwa bei den sogenannten Schwerpunkteinsätzen gegen organisierte Kriminalität, in deren Zusammenhang häufig Razzien in Shisha-Bars stattfinden. „Die finden mittlerweile ständig in allen Shisha-Bars statt, da wird überhaupt kein Unterschied mehr gemacht“, sagt Melly. Gefunden würde in der Regel nichts, allerdings entstehe bei den Besuchern sofort ein Bild im Kopf: „Wenn da 70 bewaffnete Polizisten die Bar stürmen, denken viele sofort: Okay, dann muss der Betreiber ja Dreck am Stecken haben und schwer kriminell seien“, sagt Melly.

Sie kenne viele Menschen, die mittlerweile keine Shisha-Bars mehr aufsuchen würden – einerseits, da sie durch die Razzien ein negatives Bild von den Betreibern bekommen würden, andererseits aber auch, weil viele Besucher selbst Schikanen im Zusammenhang mit den Razzien erlebt hätten. Es würden zum Teil Bars versiegelt und im Nachhinein stelle sich heraus, dass etwa falsch gemessen worden sei, sagt Melly.

Eine Mitschuld gibt sie dabei auch der Medienberichterstattung über die Razzien, die die Betreiber ebenfalls mit organisierter Kriminalität in Verbindung bringen würden. „In der Öffentlichkeit entsteht da schon ein komisches Bild, das die Stigmatisierung verstärkt.“

Auch Koray Yilmaz-Günay vom Berliner Migrationsrat gibt der öffentlichen Debatte eine Mitschuld an Anschlägen wie jenem von Hanau. „Diejenigen, die diese sagenumwobenen Shisha-Bars zu Problemorten erklären, die sie in Zusammenhang mit organisierter Kriminalität rücken, die dieses Schlagwort von Clan-Kriminalität, von arabischen oder kurdischen oder türkischen Großfamilien in die Welt bringen, das sind ja nicht nur AfD-Leute“, sagte Yilmaz-Günay dem Tagesspiegel.

„Es geht darum zu sagen, dass Menschen, die hier geboren sind, die in zweiter, dritter, bald vierter Generation hier Leben, selbstverständlich Teil dieses Landes sind. Mit allem, was sie gut machen, sind sie Teil dieses Landes, und mit allem, was sie schlecht machen, sind sie Teil dieses Landes.“ (mit Leon Ginzel)

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