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Berliner Seniorenvertretungen: Eine Wahl mit vielen Hindernissen

Über 900.000 Berliner*innen sind zur Wahl der bezirklichen Gremien aufgerufen, um die Stadt für Ältere mitzugestalten – doch die Pannen häufen sich.

 

Ein Kreuz für eine altersgerechte Stadt - und nicht entmutigen lassen von den Pannen.
Ein Kreuz für eine altersgerechte Stadt - und nicht entmutigen lassen von den Pannen.

© Gero Breloer / dpa

Alle Berliner*innen ab 60 Jahren haben die Wahl – insgesamt über 900.000 Berliner*innen sind jetzt gefragt: So viele Menschen sind im März 2022 wahlberechtigt für Berlins bezirkliche Seniorenvertretungen. Der erste Schritt ist zumindest getan, denn in allen Bezirken haben sich genügend Kandidat*innen gefunden, um die Vorschlagslisten zu komplettieren. Auch in Neukölln, wo es lange knapp war, stellen sich die satzungsgemäß erforderlichen 18 Kandidat*innen zur Wahl. Damit ist bei Dr. Johanna Hambach zumindest eine Sorge hinfällig geworden. Der Vorsitzenden der Landesseniorenvertretung ist es natürlich ein großes Anliegen, dass möglichst viele ältere Berliner*innen von der Wahl erfahren und auch wählen. Denn mit der Wahlbeteiligung sah es in der Vergangenheit sehr mau aus. Bei der letzten Wahl 2017 lag diese bei enttäuschenden 5,56 Prozent – „und das war schon besser als die vorherige Wahl“, sagt Hambach.

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Wahlberechtigt ist, wer seinen Hauptwohnsitz in einem Berliner Bezirk hat und über 60 Jahre alt ist. Die Staatsangehörigkeit spielt dabei übrigens keine Rolle. Das Gremium kann aktiv die Politik für ältere Menschen mitgestalten. Sie setzen sich für deren gesellschaftliche Teilhabe ein und sorgen beispielsweise für mehr altersgerechte, sportliche oder kulturelle Angebote im Bezirk. Außerdem unterstützen die Seniorenvertreter*innen bei einem selbstbestimmten Leben im Alter und bei wichtigen aktuellen Themen wie Wohnen/ Miete, Klima, Mobilität, ÖPNV, Pflege, Gesundheit, Verbraucherschutz, Selbsthilfe, Ehrenamt, Kultur, Bildung und Begegnung. Die bezirklichen Seniorenvertretungen sind unabhängig, parteipolitisch neutral und konfessionell nicht gebunden. Sie bestehen im Regelfall aus 17 Mitgliedern, die ihre ehrenamtliche Tätigkeit für fünf Jahre ausüben.
Leicht gemacht wurde es den möglichen Kandidat*innen und Wähler*innen nicht gerade. Denn eine zentrale Webseite für ganz Berlin gab es nicht. Jeder Bezirk regelte das für sich – auch die Organisation und Durchführung der Wahl. Die Senatsverwaltung für Soziales koordiniert lediglich den fachlichen Austausch der Bezirke. Zumindest aber das Informations-Schreiben, das dieser Tage an alle Wahlberechtigten verschickt wurde, ist einheitlich. Darin wird auf die jeweils fünf bezirklichen Wahllokale und Termine zur öffentlichen Vorstellung der Kandidat*innen hingewiesen. Freilich hat es schon in mindestens drei Bezirken Pannen bei der Versendung gegeben, weil Wohnortzuordnungen durcheinandergeraten sind. Alle davon Betroffenen, so heißt es, sollen deswegen noch einen zweiten Brief erhalten. Wie immer, wird die Schuld für die Pannen zwischen Senatsverwaltungen und Bezirken hin- und hergeschoben.
Gewählt werden kann zwischen dem 14. und 18. März – entweder persönlich oder auch per Brief. Die Briefwahlunterlagen müssen Wähler*innen beantragen. Kurios: Nur die Briefwähler*innen erhalten dann die je nach Bezirk unterschiedlichen Broschüre, in der sich die zur Wahl stehenden Kandidat*innen vorstellen. Warum erhalten nicht alle Wähler*innen die Broschüre? Ist dem Land Berlin zu teuer, sagt die Vorsitzende der Landesseniorenvertretung, Johanna Hambach. Wer keine Briefwahl beantragt, muss in die bezirklichen Rathäuser gehen, wo die Kandidat*innen per Aushang vorgestellt werden. Doch die Pannen gehen weiter: Wer sich online zur Briefwahl anmelden möchte, erhält den Hinweis: „Betreff: Unzustellbar. Das Postfach des Empfängers ist voll und kann zurzeit keine Nachrichten annehmen.“  
Johanna Hambach hofft dennoch, dass sich mehr Menschen als bislang an der Wahl beteiligen. „Die Hoffnung gebe ich nicht auf“, sagt sie und setzt auf die Briefwahl. „Das ist ja auch der vernünftige Weg in der Pandemie.“ Zwar soll es in jedem Bezirk drei Termine geben, damit sich die Bewerber*innen persönlich vorstellen können. Ob diese Vorstellungsrunden in der Omikron-Welle tatsächlich stattfinden, bleibt abzuwarten. In Mitte jedenfalls ist bereits ein Termin mit Hinweis auf die Pandemie abgesagt worden. Die Berliner Landesseniorenvertretung hätte sich mehr Werbung für die Wahl gewünscht: mit einer Berlin-weiten Werbung in der U-Bahn und größeren Plakaten in der Stadt. Aber das war dem Land und den Bezirken zu teuer. Dabei hatte die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales eine „berlinweite Öffentlichkeitsarbeit“ versprochen.
„Wesentliche Ziele des Senats sind eine höhere Wahlbeteiligung und die stärkere Gewinnung bisher unterrepräsentierter Gruppen für die Wahlen. Aus diesem Grunde sind beispielsweise zielgruppenspezifische Informationsangebote für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) sowie Personen mit Migrationshintergrund geschaffen worden.“ Diese Antwort bekam die ehemalige CDU-Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner (CDU) auf ihre parlamentarische Anfrage. Herausgekommen ist ein Flyer in Deutsch, Vietnamesisch, Türkisch, Arabisch, Englisch, Russisch, Französisch und in leichter Sprache, sowie ein Plakat für die Rathaus-Infokästen.
Jetzt hofft Johanna Hambach nur, dass das Informationsschreiben nicht wieder wie bei der Wahl 2017 von den Empfänger*innen ignoriert wird. Damals, so sagt Hambach, habe der Ton des Info-Schreibens nicht gestimmt – was viele Menschen verstimmt habe. Niemand fühle sich doch alt, wenn er 60 plus ist, so Hambach. Da möchte man doch nicht pauschal als Senior*in angesprochen werden. Aber das aktuelle Info-Schreibens sei von der Senatsverwaltung formuliert worden – die Landesseniorenvertretung sei nicht beteiligt worden.

Alle Infos zur Wahl finden sie unter https://www.berlin.de/sen/soziales/besondere-lebenssituationen/seniorinnen-und-senioren/seniorenmitwirkung/wahlverfahren/

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