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Katrin Lompscher (Die Linke)

© dpa/Paul Zinken

Berliner Senatorin Lompscher: „Neubau allein ist nicht die Lösung“

Senatorin Katrin Lompscher über den Enteignungs-Volksentscheid und die Frage, wie sie am Checkpoint Charlie Gedenken und Wohnen statt Kommerz durchsetzen will.

Frau Lompscher, wenn ein Aktivist Sie am 6. April um Ihre Unterschrift für die Enteignung der Deutschen Wohnen bittet, was tun Sie?

Ich unterschreibe aus formalen Gründen nicht. Weil sich das Volksbegehren an den Senat richtet, also auch an mich.

Folgen Sie also Wirtschaftssenatorin Pop, die davor warnt, das Eigentumsrecht infrage zu stellen?

Das ist hier nicht die Frage. Diese Dinge müssen wir intensiv prüfen. Zumal ich die Intention der Initiative nachvollziehen kann: das wachsende Bedürfnis, gegen ausschließlich renditegetriebenen Wohnungsunternehmen tätig zu werden.

Mit dem niemals zuvor angewendeten Artikel 15 Grundgesetz?

Die Idee der Initiatoren des Volksbegehrens ist eine sehr weitgehende Interpretation der Möglichkeiten des Grundgesetzes, die man genau prüfen muss. Wenn man auf dieser Grundlage ein Gesetz auf Landesebene erarbeitet, dann muss das bei einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben. Es wäre immerhin ein Eingriff in das Eigentum.

Verlässt man damit das Feld der Sozialen Marktwirtschaft?

Nein, der Vorschlag bewegt sich im Rahmen des Grundgesetzes. Und das Grundgesetz eröffnet die Möglichkeit, elementare Güter für das Gemeinwohl zu vergesellschaften. Es gibt außerdem vor, unter welchen Bedingungen das geschehen kann, unter anderem durch Entschädigungen.

Warum poppen solche Forderungen immer ausgerechnet in Berlin auf?

Spätestens seit der Finanzkrise und mit zunehmender Attraktivität Berlins kam auf dem Wohnungsmarkt etwas ins Rutschen. Das wird in unserer Stadt wie in keiner anderen deutlich. Weil wir unterdurchschnittliche Einkommen haben und gravierende Mietsteigerungen, sind die Menschen in ihren existenziellen Lebensbedingungen betroffen.

Wo steigen die Mieten am schnellsten? Wo wird besonders viele Wohnungen in Eigentum umgewandelt? Machen Sie mit bei unserer Umfrage!

Wenn sich die Berliner das Wohnen auch künftig noch leisten können sollen, dann brauchen wir neue Begrenzungen von Miet- und Kaufpreisen. Was der Bund macht, reicht bei weitem nicht aus. Es gab nur leichte Nachbesserungen bei der Mietpreisbremse, die aber nur die oberen Spitzen der Marktexzesse betreffen. Das ist unzureichend.

Wir haben keine Neuregelungen gegen Mieterhöhungen im Bestand, alle drei Jahre 15 bis 20 Prozent mehr Miete können sich nicht nur viele Berliner nicht leisten. Da kommen die Einkommen nicht mit. Die Bundesrechtliche Mietgesetzgebung gibt keine Antwort auf die existentielle Bedrohung durch die steigenden Wohnkosten.

Die Berliner sind besonders betroffen?

Ja, weil die Mieterhöhungsdynamik hier bedrohlichere Ausmaße hat als anderswo. Die Mieten in Berlin liegen inzwischen im oberen Drittel Deutschlands. Die Neubaumieten sind flächendeckend zu hoch. Die Lage ist dramatisch. Deshalb suchen wir und andere nach Wegen, um dem Problem angemessen beizukommen. Alle wissen, dass Neubau allein nicht die Lösung ist, auch wenn es unstrittig ist, dass man Neubau braucht.

Bis Ende des Monats will die Firma Trockland entscheiden, ob sie ihre Option auf Grundstücke am Checkpoint Charlie ausübt. Wie steht der Senat dazu?

Beim Checkpoint Charlie muss man zwei Dinge unterscheiden. Es gibt einen Interessenten und der verhandelt über den Umgang mit dinglichen Rechten Berlins an den Checkpoint-Grundstücken mit der Senatsverwaltung für Finanzen. Wir, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, kümmern uns um die räumlichen Ziele für die Entwicklung des Quartiers und bereiten dazu einen Bebauungsplan vor.

Im Senat einigten wir uns im Dezember auf veränderte Planungsziele. Dazu zählt, dass wir auf dem östlichen Grundstück eine Gemeinbedarfsfläche für ein Museum als Solitär vorsehen. Auf der gegenüberliegenden Seite westlich der Friedrichstraße war immer schon ein Platz geplant. Der wird nun als öffentlicher Stadtplatz gesichert.

Und wo sind Flächen, mit denen Investoren Rendite machen können?

Ergebnis des gutachterlichen Verfahrens war auch, dass auf Teilflächen höhere Gebäude möglich sind. Auch das wird in unseren Bebauungsplan einfließen, damit wir eine gute Mischung von Nutzungen erreichen und eine angemessene alltagstaugliche städtische Gestaltung.

Weil wir das Quartier als urbanes Gebiet ausweisen werden, ist eine höhere Dichte als in Wohngebieten möglich. Trotzdem werden dort mehr Wohnungen vorgesehen als bisher.

Und das Hardrock-Hotel, das Trockland fordert?

Wir prüfen, inwieweit Beherbergungsstätten an diesem Standort planungsrechtlich reglementiert werden können und müssen. Im Grundsatz sind Hotels in einem urbanen Gebiet aber zulässig.

Budenzauber auf lange Sicht am Checkpoint?

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Ihre Fraktion, die Linke, hat einen Beschluss getroffen gegen den Bau eines Hotels am Checkpoint.

Und deshalb werden wir das prüfen. Allein die Tatsache, dass man es nicht will, reicht nicht, man braucht eine planungsrechtliche Begründung. Würden wir ausschließlich Beherbergungsbetriebe in einem Wohn- und Gewerbequartier schaffen, wäre eine monofunktionale Entwicklung vorprogrammiert, die nicht zur Belebung der Stadt führt. Außerdem haben Hotels auch verkehrliche Auswirkungen, die nicht zu unterschätzen sind.

Sie lassen sich also Zeit?

Nein, unser Ziel ist, zügig voranzukommen und zu Beginn des kommenden Jahres den Bebauungsplan zu beschließen.

Trockland-Berater und Vertreter telefonieren, schreiben und sprechen auf allen Ebenen vor. Hat sich Trockland-Chef Heskel Nathaniel auch bei Ihnen gemeldet?

Er hat sich schriftlich Anfang dieses Jahres an die Senatsvertreter gewandt. Wenn er Gesprächsbedarf hat, wird es auch Gespräche geben, so wie es sie bisher schon auf Fachebene gab. Das Wesentliche für mich ist, dass das Land Berlin sich als Träger der Planungshoheit die richtigen Ziele setzt.

Die Richtung steht mit der Verständigung im Senat und im Ergebnis der Partizipation fest. Und wenn wir einen Bebauungsplan haben, dann ist jeder Eigentümer diesen Zielen verpflichtet.

Katrin Lompscher (Die Linke), Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin.
Katrin Lompscher (Die Linke), Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin.

© Mike Wolff

Sie weichen damit weit von ursprünglichen Investoren-Wünschen ab, warum?

Weil die Zukunft des Checkpoints Charlie für die Stadt von besonderer Bedeutung ist. Das war zu Beginn des Planungsprozesses noch nicht allen klar. Erst die Diskussion seit letztem Sommer hat Wichtigkeit und Besonderheit dieses Ortes in der Stadtgesellschaft deutlich gemacht. Der Wunsch, das Gedenken an diesem Ort auch baulich-räumlich sichtbar zu machen, führte folgerichtig zu den Änderungen des Planungskonzeptes.

Also Budenzauber auf lange Sicht am Checkpoint?

Nein, wenn wir den Zeitplan einhalten, schaffen wir innerhalb eines Jahres Klarheit. Und die Ergebnisse eines vertretbaren zeitlichen Aufschubs sind es wert. Der Stadtgesellschaft ist klar geworden, dass sie kein teures leeres Cityviertel, sondern einen lebendigen innerstädtischen Ort will. Deshalb wollen wir auch den Wohnanteil vergrößern und eine Festlegung auf das Berliner Modell mit 30 Prozent förderfähigen Wohnungen.

Und der Investor darf dafür einen 60 Meter hohen Turm mit irgendeiner Burger-Kette im Erdgeschoss bauen?

Bei der Ausgestaltung der Gewerbenutzungen haben wir keine Handhabe. Unser Wunsch wäre möglichst vielfältiges Gewerbe und nicht nur touristische und hochpreisige Nutzungen.

Läden mit Waren für den Alltag, also eine Nahversorgung für Bewohner und Flächen für Handwerk, sind wünschenswert. Aber dazu müsste man sich mit dem Grundstückseigentümer einigen und einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über unterschiedliche Miethöhen abschließen. Das müssen beide Seiten wollen.

Ist es von Bedeutung, dass Verwandte des verstorbenen turkmenischen Autokraten Saparmyrat Niyasow Anteile an einzelnen Firmen der Trockland-Gruppe besaßen und dessen Schwiegersohn Partner und „Head of Finance“ ist?

Im Planungsrecht werden solche Sachverhalte nicht geprüft. Da aber Bebauungspläne von politischen Gremien beschlossen werden, also von Senat und Abgeordnetenhaus, wäre es nicht das erste Mal, dass auch solche Fragen die politische Willensbildung beeinflussen. Und darüber gab es bereits eine heftige Diskussion. Aber das ist nicht meine Baustelle. Andere haben dafür Expertise und Kompetenz, sie müssen den Sachverhalt prüfen und bewerten.

Katrin Lompscher (Die Linke) ist seit 2016 Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen. Zuvor war die 56-jährige Ingenieurin für Städtebau von 2006 bis 2011 Gesundheitssenatorin.

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