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Die Brandbriefe häufen sich auf dem Schreibtisch von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD).

© picture alliance / Paul Zinken/d

Berliner Schulen: Hilferuf aus dem Gymnasium

Noch ein Brandbrief: "Wir fühlen uns alleingelassen", heißt es in einem Brief aus dem Lichtenberger Coppi-Gymnasium an die Berliner Bildungssenatorin.

Nach den Brandbriefen Berlin-Neuköllner Grundschulen kursiert nun auch ein Hilferuf von gymnasialer Seite. Ausgangspunkt ist das Lichtenberger Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium. Die Verfasser des Briefes, der dem Tagesspiegel in undatierter Form vorliegt, bitten darum, die Arbeitsbelastung zu reduzieren. Das Schreiben ist an Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) adressiert sowie an die Fraktionen und soll „zu einem späteren Zeitpunkt“ auch als offener Brief verschickt werden.

"Überfrachtete" Curricula

Als Beispiele für die vielen Belastungen nennen die Lehrer die Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss (MSA), „überfrachtete“ Curricula in der Oberstufe, die Digitalisierung der Schule bei gleichzeitig „schlechter Ausrüstung“ sowie die Inklusion mit der damit verbundenen Diagnostik, Beratung und Fortbildung. „Wir fühlen uns alleingelassen mit diesen Herausforderungen“, schreiben die Karlshorster Lehrer. Hinzu komme, dass sich die Schule für viele Kinder zu einer „gesundheitlichen Belastungsprobe“ entwickelt habe, was sich auch in vermehrten psychischen und körperlichen Erkrankungen zeige: „Diese Schüler müssen wir besonders auffangen, mit ihnen arbeiten und sie begleiten, denn es ist uns nicht egal, was aus den uns anvertrauten Menschen wird.“ Neben einer Reduzierung der Pflichtstunden sowie der Klassenfrequenzen schlagen die Lehrer unter anderem vor, die 5. Prüfungskomponente im Abitur abzuschaffen sowie die MSA-Prüfungen an Gymnasien. „Wir brauchen nicht mehr Geld, sondern mehr Zeit“, konstatieren die Lehrer. Gefragt nach einer Stellungnahme teilte Scheeres’ Sprecherin mit, man werde „erst der Schule“ antworten, dann dem Tagesspiegel.

Der lange Kampf gegen den MSA an Gymnasien

Ähnlich wie im Coppi-Gymnasium hatten sich auch im Rosa-Luxemburg-Gymnasium Lehrer wegen Überlastung an die Senatorin gewandt. Andere Gymnasien ärgern sich darüber, dass die inzwischen erfolgten Gesundheitsbefragungen „keine Konsequenzen haben“. Zu den Belastungen durch die MSA-Prüfungen meldet sich auch die wichtigste Stimme der Berliner Gymnasien, die Vereinigung der Oberstudiendirektoren, immer wieder zu Wort: Sie hat kein Verständnis dafür, dass alle Zehntklässler der Gymnasien alle fünf Prüfungen im MSA ablegen müssen, obwohl sie damit unterfordert seien: Die Bestehensquote liegt seit Jahren bei knapp 100 Prozent. Das bedeutet, dass die Gymnasiallehrer rund 60.000 Prüfungen – 12000 Zehntklässler à fünf Prüfungen – beaufsichtigen und korrigieren müssen wegen einzelner Schüler, die es nicht schaffen. Seit Langem gibt es den Vorschlag, stattdessen das Versetzungszeugnis in die elfte Klasse als MSA zu werten – wie andere Bundesländer dies tun.

Auch die Eltern wollen eine Neuregelung

Auch der Landeselternausschuss fordert seit langem immer wieder Änderungen, zumal der MSA an den Gymnasien zu tagelangem Unterrichtsausfall beiträgt – „und alles nur, um zu suggerieren, dass Gymnasien und Sekundarschulen gleich sind“, wie es eine verärgerte Lehrkraft ausdrückt. Von einer „ideologischen Grundsatzposition“ der Bildungsverwaltung spricht Ralf Treptow von der Vereinigung der Oberstudiendirektoren. Die CDU war mit der Forderungen nach einer Neuregelung des MSA an den Gymnasien in die letzte Wahl zum Abgeordnetenhaus gegangen.

Rauh erinnert an den Koalitionsvertrag

„Infolge des eklatanten Lehrermangels wurden die Pädagogen aus den Augen verloren, die das System in den Schulen noch am Laufen halten und nun offenbar an ihre Belastungsgrenze gestoßen sind“, kommentiert Berlins bekanntester Pädagoge, der Lichtenberger Gymnasiallehrer Robert Rauh, den aktuellen Brandbrief. Er erinnert daran, dass laut Koalitionsvertrag die Überlastung der Lehrkräfte eigentlich reduziert werden sollte. Als „sinnvolle Forderungen“, die kein Geld kosten und zu keinem zusätzlichen Lehrkräftebedarf führen würde, nennt Rauh die Abschaffung des MSA-Prüfungen an den Gymnasien und der 5. Prüfungskomponente im Abitur, die „über Wochen Kräfte und Zeit“ binden.

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