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Der Streik beginnt am Freitag um 12 Uhr vor dem BMWi.

© privat

Berliner Schüler streiken: „Die Klimakrise wartet nicht bis zum Abi“

Am Freitag protestieren Schüler fürs Klima. Die Geografiestudentin Luisa Neubauer (22) hat den Streik für die Bewegung „Fridays for Future“ mitorganisiert.

Wie sind Sie zu der Bewegung gekommen?

Ich beschäftige mich schon lange mit dem Klimawandel und weiß, dass wir mehr dagegen tun müssen. Als ich im Dezember bei der Weltklimakonferenz in Katowice war, ist mir klargeworden, dass dort nichts gegen den Klimawandel getan wird. Das hat mit wütend gemacht: Wir denken, jemand löst die Klimaprobleme, aber das ist gar nicht so!

Wie ging es dann weiter?

Ich habe auf der Konferenz Greta Thunberg kennen gelernt. Sie ist die Initiatorin des ersten Schulstreiks fürs Klima und war mit ihrem Vater dort. Weil sie mit all ihren Terminen recht überfordert war, habe ich sie spontan bei der Konferenz begleitet – und zusammen gestreikt haben wir auch. Allerdings kann man nicht einfach auf der Weltklimakonferenz protestieren und nach 30 Minuten wurden wir hinausbegleitet. Dann haben wir draußen weitergestreikt. Zurück in Berlin habe ich mit vielen Leuten über meine Erfahrungen gesprochen und wir haben unseren ersten Streik organisiert, uns als „Fridays for Future“ bundesweit vernetzt und uns mit anderen Streikenden und mit NGOs zusammengetan.

Was haben Sie für die Demonstration am Freitag organisiert?

Ich habe unter anderem den Streik angemeldet, den Kontakt zu NGOs aufgenommen und die Anreise von Streikenden mit Bussen organisiert. Außerdem habe ich Musiker, die für uns singen, und Influencer, die über uns berichten, zur Demonstration eingeladen. Ich stehe aber auch direkt im Kontakt mit Schülern, die ihren Eltern erklären müssen, warum sie zum Beispiel zur Demo und nicht zum Matheunterricht gehen wollen.

Warum sollen die Schüler denn gerade während der Schulzeit streiken?

Die Situation ist so bedrohlich! Deswegen müssen wir zu allen Maßnahmen greifen, um zu zeigen, wie dringend sich etwas ändern muss. Grundsätzlich wollen wir, dass das Verhältnis zwischen Eltern, Lehrern und Schülern gut bleibt. Es ist am besten, Lehrer, Schulleiter und Eltern bewusst anzusprechen und zu erklären, warum der Streik so wichtig ist. Es ist ja kein Bildungsstreik: Wir setzen uns für unsere Zukunft ein, nicht gegen die Schule. Aber die Klimakrise wartet nun einmal nicht bis zum Abi.

Welche Konsequenzen müssen die Streikenden fürchten, wenn sie nicht zur Schule gehen?

Manche bekommen eine Sechs eingetragen, andere unentschuldigte Fehltage. Manche Schulleiter sind gegen jeglichen Aktivismus, manchmal bekommen Schüler persönliche Probleme. Dann wird jedes Mal, wenn sie krank sind, extra nachgeprüft, ob sie nicht wieder bei einer Demo sind.

Was sind die zentralen Forderungen der Demonstranten?

Die Klimakrise muss als Krise wahrgenommen werden. Wir wollen, dass unsere Zukunft und auch die der kommenden  Generationen ernstgenommen werden. Die Klimakrise ist nicht verhandelbar. Wenn wir bei parallel zum Treffen der Kohlekommission streiken, wollen wir so schnell wie möglich den Kohleausstieg erreichen, und zwar unter wissenschaftlicher Maßgabe, nicht aus politischer Strategie.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, die Forderungen seien naiv?

Die Aufmerksamkeit gibt uns Recht. Innerhalb von Monaten sind wir stark gewachsen, vielleicht wird es am Freitag der größte Klimastreik Berlins. Naiv ist es, wenn man glaubt, dass sich etwas ändert, wenn  man sich nicht selbst beteiligt. Mich inspiriert die Klarheit und Präzision, mit der die Teilnehmer ihre Forderungen kundtun.

Die Hamburgerin studiert Geografie in Göttingen, ist aber für „Fridays for Future“ zur Zeit viel in Berlin.
Die Hamburgerin studiert Geografie in Göttingen, ist aber für „Fridays for Future“ zur Zeit viel in Berlin.

© privat

Wie viele Personen erwarten Sie zum Streik am Freitag?

Konkret weiß das keiner. Tausende, schätzen wir. Wir kommunizieren über eine Art Schneeballsystem, meist über WhatsApp. Aber ich bin mir sicher, dass die Demonstration gut und groß wird. Viele kommen mit der Bahn. Wir erwarten aber auch etwa 15 Busse, die Leute kommen aus ganz Deutschland, von Freiburg bis Flensburg, aus dem Saarland und aus Mainz.

Wie geht es nach dem Streik weiter?

Wir werden weiter wachsen und weitere Streiks organisieren. Jeden Tag kommen neue Ortsgruppen von „Fridays for Future“ hinzu. Wir sind sehr motiviert.

Was motiviert Sie zu diesem Einsatz?

Meine Motivation kommt einerseits aus einer tiefen Trauer darüber, dass nichts gegen den Klimawandel getan wird. Andererseits motiviert es mich auch, wenn ich sehe, dass wir mit den Streiks auch  eine konstruktive Macht haben. Wir können doch etwas ändern – wenn nicht jetzt, wann dann?

Die Demonstration startet um 12 Uhr vor den Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Invalidenstraße 48. Ab 13 Uhr zieht die Demonstration zum Kanzleramt, um 13.30 Uhr findet eine Zwischenkundgebung zwischen Kanzleramt und Bundestag  statt. Ab 14 Uhr laufen die Demonstranten zur Abschlusskundgebung zurück zum BMWi, der Streik endet um 16 Uhr.

Dürfen die Schüler die Schule schwänzen?

Die Rechtslage
Die Schulpflicht gilt – auch wenn die Antarktis jährlich 250 Milliarden Tonnen Eis verliert. Die Teilnahme an Demonstrationen gehört ebenfalls nicht zu den „Tatbeständen“, die in der entsprechenden Verordnung der Bildungsverwaltung Ausnahmen von der Schulpflicht rechtfertigen. Rein rechtlich würde man demnach schwänzen.

Der Spielraum
Falls Schulen oder Lehrer den Freitag als „Projekttag zum Klimaschutz“ deklarieren und entsprechend inhaltlich begleiten, wäre ein gemeinsamer Demo- Besuch kein Verstoß gegen die Schulpflicht, gibt die Sprecherin der Bildungsbehörde, Beate Stoffers, ein Beispiel für den „Ermessensspielraum“, den Schulen durchaus haben. (sve)

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