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Schönes Wetter, kaltes Bier, ein Glas Sekt und gern auch was zwischen die Rippen ... und den Richtkranz nicht vergessen! Immer wieder ein schönes Vergnügen. Hier das Richtfest vom Mauer-Panorama.

© dpa

Berliner Richtfest vor dem Stadtschloss: Kranballett mit Barenboim und Schnaps mit Honecker

Freitag ist Richtfest am Schloss – mit allem Pipapo: Musik, Trank, Sprüchlein. Und wie war’s beim Palast der Republik, beim Fernsehturm oder beim BER? Kommen Sie mit auf eine kleine Zeitreise durch die Berliner Baugeschichte.

Der 15. Oktober 1847 war für Seine Majestät ein zweifach besonderer Tag: Friedrich Wilhelm IV. hatte Geburtstag – und die Eisenkonstruktion der neuen, von ihm drei Jahre zuvor angeordneten Kuppel auf seinem Schloss zu Berlin wurde fertiggestellt. Es ist nicht überliefert, ob auch ein Richtfest gefeiert wurde, aber denkbar wäre es, schließlich erhielten Handwerker und Arbeiter aus diesem erfreulichen Anlass sogenannte Richtegelder in Höhe von 380 Talern. Sucht man also nach dem historischen Gegenstück zum Richtfest für den Schlossneubau an diesem Freitag, so spricht viel für den Herbsttag 1847.

Ist ein Richtfest an diesem Ort für den letzten Bauabschnitt des alten Schlosses also nur wahrscheinlich, so wird das des neuen umso ausgiebiger zelebriert. Für morgen, zwölf Uhr mittags, ist es geplant, rund 1500 geladene Gäste werden sich einstellen, man kann ihnen auf Phoenix live dabei zusehen. Und danach den Grußworten lauschen: Davon gibt es anfangs fünf, von jeweils moderater Länge. Manfred Rettig, Vorstand der Schloss-Stiftung, spricht, Bundesbauministerin Barbara Hendricks, der Regierende Bürgermeister Michael Müller, Kulturstaatsministerin Monika Grütters wie auch Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Eisbein und Bier

Es folgt, sehr passend, der 2. Satz aus Schuberts „Unvollendeter“, dargeboten von der Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim, der mit solchen Feiern Erfahrung hat: 1996 dirigierte er beim Richtfest des Debis-Komplexes am Potsdamer Platz zu Beethovens 9. das Ballett der Kräne. Ein weiteres Grußwort von Architekt Franco Stella steht nun bevor, danach entbietet der Polier sein Richtsprüchlein. Die Richtkrone (drei Meter im Durchmesser, zwei hoch) schwebt über der Kuppel ein, bevor Häppchen und Getränke gereicht werden.

Häppchen! Da wurde beim Vorgängerbau aus ähnlichem Anlass sehr viel Deftigeres serviert. Eine Feier weder in monarchistischer noch in demokratischer Manier, eher proletarisch-hemdsärmelig, wie es den Repräsentanten eines Arbeiter- und Bauernstaats zukam – statt mit Kaviar und Sekt also mit Eisbein und Bier. Das wurde den Bauleuten hinterher im „Ahornblatt“ auf der Fischerinsel und in sieben weiteren Lokalen gereicht. Erich Honecker, ganz Mann des Volkes, baute die urdeutsche Köstlichkeit sogar in seine Ansprache ein.

Außer Reden nichts gewesen

Das war am 18. November 1974, als Richtfest für den Palast der Republik gefeiert wurde, mit gleich zwei Kapellen, darunter der des Stasi-Wachregiments. Die Spitzen von Staat und Partei waren angerückt, Willi Stoph, Erich Mielke, das übrige Politbüro, Minister, der Oberbürgermeister, alle da. Vorneweg Honecker, der die planmäßige Arbeit der Bauarbeiter und die Segnungen des sozialistischen Staates pries, schließlich „Richtkrone auf!“ kommandierte und das aufs Gedeihen des Baus geleerte Schnapsglas in hohem Bogen in die Baugrube warf – echt volkstümlich eben.

Vergleichsweise bescheiden ging es dagegen am 24. November 1967 im Reichstag zu. Auch wenn der knappe Bericht im Tagesspiegel von keinem Richtfestschmaus berichtete: Eisbein gab es garantiert nicht. In ihren Mänteln offenbar fröstelnd, standen die Gäste im noch ungeheizten Rohbau des Plenarsaals herum, während Bundesschatzminister Kurt Schmücker, aus Bonn angereist, den wiederaufgebauten Reichstag als „erstes Haus des gesamten deutschen Volkes" pries. Außer Reden nichts gewesen, so wird man diese Veranstaltung charakterisieren dürfen, was 30 Jahre später, am 18. September 1997, am selben Ort ganz anders war.

Berliner Richtfeste sind sehr unterschiedlich

Damals bekam der Foster-Bau zur Kuppel seine Krone, wurde wieder einmal Richtfest gefeiert vor auch damals 1500 Gästen. Die obligatorischen Reden wurden geschwungen und die holperigen Reime des Richtspruchs aufgesagt. Danach ging die Party richtig los, schwebten zwei Artisten zum waghalsigen Pas de deux unter der Kuppel, Sergej und Olga Taekin vom Circus Roncalli, ein Paar mit besonderer Beziehung zum Gebäude: Schon Sergejs Großvater war im Reichstag gewesen, 1945 als Soldat der Roten Armee.

Berliner Richtfeste sind seit jeher sehr unterschiedlich geartete Feiern: Im privaten Rahmen markieren sie, mit Grundsteinlegung und Einzug, einen Lebensabschnitt: Nicht alle Tage wird man Hausbesitzer. Im öffentlichen Rahmen sind sie zugleich Selbstvergewisserungen des Bauherren, sei er privat oder staatlich, der die Bedeutung seines Projekts und damit seiner selbst gerne in einer illustren Gästeschar gespiegelt sieht. Zugleich wird bei solchen Gelegenheiten versucht, das Bauwerk als eine Art Identifikationsobjekt fürs Publikum zu inszenieren. Garniert wird dies mit Reden, der unvermeidlichen Richtkrone sowie Speis und Trank, letztere eher rustikal.

Volksbelustigungen vor nackten Mauern

Aber neben den vertrauten Ritualen, für die Geladenen wohl oft mehr Pflicht als Neigung, gibt es vielfach auch Unterhaltung, Volksbelustigungen vor nackten Mauern – wenn man so will: Eisbein und Spiele.

Nicht immer ist eine Richtkrone dann genug. Beim Fernsehturm jedenfalls gab es gewissermaßen zwei. Am 28. September 1967 wurde eine 15 Meter hohe Eiche von den Mitgliedern der Brigade Konrad den Turmschaft hochgezogen, zur Feier des um zwölf Stunden vorfristigen Abschlusses ihrer Betonarbeiten. Die Richtkrone folgte am 3. Oktober, die Arbeiter blieben bei der Feier unter sich – jedenfalls wussten Ost-Berliner Zeitungen von keinem Vertreter aus Ulbrichts Kamarilla zu berichten, der dabei gewesen wäre.

Erstaunlich, war der Betonriese doch das Ost-Berliner Prestigeobjekt schlechthin. Wie für West-Berlin das Europa-Center, an dem am 10. September 1964 die Richtkrone hochgezogen wurde – wenngleich nicht bis hoch zur Spitze, was viele Gäste enttäuschte, wie der Tagesspiegel berichtete. Auch diesmal war ein Bundesminister angereist, der für die Vertriebenen zuständige Ernst Lemmer, der den Bau als „Ausdruck unseres ungebrochenen Lebenswillens“ lobte – irgendwie spielte der Kalte Krieg bei solchen Anlässen immer mit rein.

Höhenflug beim BER

Vertreter der Bundesregierung, der Schutzmächte, des Senats, der Finanz- und Geschäftswelt wie auch ein „Boxidol“, vermutlich Bubi Scholz, registrierte der Tagesspiegel als Gäste. 13 Jahre später, am 30. September 1977 beim Richtfest des ICC, fehlte bereits der ministerielle Gast aus Bonn. Die Frontstadt war Alltag geworden, da schien die reflexhafte Anteilnahme der Bundespolitik an West-Berliner Baumaßnahmen nicht mehr so notwendig.

Mit dem Mauerfall hatte sich das sowieso erledigt. Das Bekenntnishafte, das den großen Berliner Richtfesten früherer Jahrzehnte oft innewohnte, ging verloren, stattdessen wurde die Zukunft des Neuen Berlin beschworen, bei gleichzeitiger Zunahme unterhaltsamer Elemente. Maßstäbe setzend war dabei am 26. Oktober 1996 das erwähnte Ballett der tanzenden Kräne, obwohl die „Ode an die Freude“ damals vom Band kam und Barenboim mit einem blauen und einem weißen Fähnchen nur so tat, als dirigierte er die Kräne. Die erhielten ihre Kommandos über Funk.

Da mochten auch die Bauherren des Sony-Centers sich nicht lumpen lassen, als dort am 2. September 1998 die Richtkrone hochging: 16 Mitglieder des Balletts der Komischen Oper, die zu Musik von Tangerine Dream tanzten, und as Höhepunkt Solotänzer Gregor Seyffert, der mit einer Fackel am Kran aus 40 Metern Höhe zu Boden schwebte.

Ein Höhenflug des Richtfest-Rituals also, aeronautisch nur übertroffen von der denkwürdigen zweiten Feier am BER. Die erste am 3. November 2009 galt nur dem Tower, die zweite folgte am 7. Mai 2010. Man hatte sich viel Mühe gegeben: Richtkranz? Richtkrone? Doch nicht über dem künftigen Terminal! Ein Gebinde in Form eines Flugzeugs musste es sein, des ersten am Terminal. Ahnte schon jemand, dass es bis auf Weiteres auch das letzte sein würde?

Am Sonnabend und Sonntag, jeweils 10 bis 18 Uhr, finden am künftigen Humboldtforum Tage der offenen Baustelle statt. Infos: www.sbs-humboldtforum.de

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