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Das Reiseportal Omio hat sich auf Destinationen in Europa, USA und Kanada spezialisiert. Vor allem auch per Zug lassen sich die Länder wunderbar erkunden.

© imago/ZUMA Press

Berliner Reiseportal startet durch: Mit wenigen Klicks zur besten Route

Mit der App von Omio lassen sich Reisen per Bahn, Bus und Flug buchen - einfach und unkompliziert, wie die Macher betonen. Ein Besuch in der Berlin-Zentrale.

Auf den ersten Blick könnte man das Eckhaus in der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg für ein Hostel halten. Junge Menschen aus aller Welt gehen ein und aus, manche tragen Laptops oder Pads in der Hand.

Auf Englisch sprechen sie über internationale Reiseziele. Wer mit dem Fahrstuhl in die sechste Etage fährt, findet neben der „Rezeption“ einen großzügigen Lounge-Bereich.

Doch hier ist kein Hostel, sondern die Zentrale des Online-Reisevermittlers Omio, einer der wertvollsten Tech-Firmen Deutschlands.

Omio hat eine Software entwickelt, über die man Reisen mit Flugzeug, Bahn und Bus buchen kann, bequem vom Smartphone aus. Nach Angaben des Unternehmens nutzen etwa 27 Millionen Menschen weltweit dieses Angebot.

Wie die gesamte Reisebranche ist auch Omio nun betroffen vom Ausbruch des Coronavirus. „In Norditalien haben wir viele Stornierungen, die Buchungen in der Region um Venedig sind um etwa 30 Prozent zurückgegangen“, sagt Boris Radke, der die firmeninterne Taskforce zum Thema leitet.

Um die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten, werde aktuell überprüft, ob im Notfall die gesamte Organisation ins Homeoffice wechseln könnte.

Omio ist in 35 Märkten weltweit aktiv, seit einigen Wochen auch in Nordamerika. In den USA seien die Einbußen aber gering, weil der Marktanteil von Omio dort noch gering ist. Auch der Ausfall der ITB habe kaum Folgen für das onlinebasierte Unternehmen, sagt Radke.

Omio-Gründer Naren Shaam.
Omio-Gründer Naren Shaam.

© Omio

Registriert ist Omio im US-Bundesstaat Delaware – eine Steueroase. Zwar veröffentlicht das Unternehmen keine Umsatzzahlen. In den vergangenen Jahren sammelte das Start-up rund 300 Millionen US-Dollar von Investoren ein, darunter klingende Namen wie Goldman Sachs, Kinnevik, Kleiner Perkins Caufield & Byers oder Silver Lake.

Doch das Business-Informationsportal Bowler schätzt seinen Jahresumsatz auf 5,2 Millionen US-Dollar. Gegründet wurde Omio 2013 von Naren Shaam unter dem Namen GoEuro. Damals vermittelte es noch ausschließlich Reisen innerhalb Europas, vor allem an Reisende aus den Vereinigten Staaten und Asien. Die Idee dazu kam dem Gründer, als er als Student mit dem Rucksack durch Europa reiste – und sich ärgerte.

„Die Transportmittel sind fantastisch, aber der Zugang zu Informationen ist sehr begrenzt“, sagt der Harvard-Absolvent Shaam.

Ziel: Den ganzen Personenverkehr in einem Produkt anbieten

Es sei sehr schwer gewesen, sich zurechtzufinden zwischen den vielen Verkehrsmitteln, Preisstrukturen, Währungen und Sprachen. Die Anbieter würden ihre Websites meist nur auf das eigene Land ausrichten, manche Busunternehmen hätten gar keine Homepage. „Ich habe damals mehr Zeit mit der Planung verbracht als mit dem Genuss meiner Reise.

Das läuft dem Zweck eines Urlaubs zuwider“, sagt Shaam. Da habe er sich gefragt: „Warum kann man nicht den ganzen Personenverkehr in einem Produkt finden?“ Naren Shaam stammt aus Bengaluru, einer Elf-Millionen-Stadt im Süden Indiens. Er studierte Maschinenbau in den USA, an der Technischen Universität von Cookeville im Bundesstaat Tennessee.

Dann arbeitete er mehrere Jahre als Product Manager beim Motorenhersteller Cummins, bevor er schließlich seinen MBA an der Harvard Business School absolvierte.

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2013 zog Shaam nach Berlin und entwickelte die App. Seine Vision: „Wer um die Welt reisen möchte, sollte einen Bus in Brasilien genauso leicht buchen können wie einen Zug in Japan oder in Italien.“

Vorbild seien Plattformen wie Amazon, Netflix oder Spotify, die so bekannt sind, dass ihre Markennamen heute fast synonym verwendet werden mit dem Markt, den sie bedienen.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war die Akquisition des vormaligen Konkurrenten Rome2rio im vergangenen Jahr.

Höhere Auslastung ergibt höhere Rendite

Die australische Verkehrssuchmaschine brachte 18 Millionen Nutzer mit und bestehende Verträge mit etwa 5000 Transportdienstleistern. Dadurch sei die Vermittlung von Reisen „von Haustür zu Haustür“ überhaupt erst möglich geworden, sagt Shaam. Wichtig sei, dass das Nutzererlebnis „ungebrochen“ bleibe. Egal, welche Airline oder Bahnlinie gebucht werde, alles müsse reibungslos funktionieren.

Die meisten Nutzer von Omio seien zwischen 18 und 36 Jahren alt, sagt Shaam. Junge Menschen hätten andere Erwartungen, weil sie bereits an Online-Shopping und Streaming gewöhnt seien.

Doch der Anfang in der Reisebranche sei schwer gewesen. Große Marktführer wie die Deutsche Bahn hätten zu Beginn gar nicht daran gedacht, einem kleinen Start-up ihre Daten bereitzustellen. Doch das entscheidende Argument sei die mangelnde Auslastung gewesen. Gerade der Transport am Boden lässt Kapazitäten ungenutzt.

„Wie kann ich in einem Geschäftsmodell mit festen Preisen die Rendite erhöhen?“, fragt er. Die Antwort lautet: durch höhere Auslastung. Tatsächlich lag die Auslastung der Züge der Deutschen Bahn laut Statista 2018 bei nur 56 Prozent. Wenn es nach Shaam geht, sollten die leeren Plätze an internationale Kunden vermittelt werden.

Omio biete seinen Partnern Zugang zu Kunden, die Interesse am Produkt haben, die sie aber selbst nicht ansprechen können. Die Software mache außerdem das Reisen leichter und rege dadurch den Konsum insgesamt an. „Wenn wir das gesamte Ökosystem stärken, dann profitieren auch die einzelnen Unternehmen.

Geschäftsführer Jan Kemper.
Geschäftsführer Jan Kemper.

© Omio

„Wir machen die Busse und Bahnen voll, die ohnehin fahren würden“, sagt auch Geschäftsführer und Finanzchef Jan Kemper. Deshalb seien die Verkehrsunternehmen letztlich bereit, ein Entgelt zu zahlen. Dessen Höhe liegt je nach Verbindung zwischen fünf und 15 Prozent des Ticketpreises. „Wir bringen zusätzliche, internationale Kunden.“

Viele Einzelsysteme müssen bei Omio verbunden werden

Kemper hat an der RWTH Aachen promoviert, wo er auch das Gründerzentrum der Hochschule leitete. Nach mehreren Stationen als kaufmännischer Geschäftsführer bei verschiedenen Institutionen wechselte er zu Zalando und begleitete 2014 den Börsengang. 2017 ging er als Finanzvorstand zu ProSiebenSat.1 Jetzt ist der 40-Jährige maßgeblich dafür verantwortlich, die Omio-Expansion voranzutreiben.

Mit unserer Tech-Plattform müssen wir die vielen Einzelsysteme der Reiseanbieter verbinden und dann ein schönes Produkt für den Konsumenten obendrauf setzen“, sagt er.

Das sei äußert komplex, denn nicht jeder Reisende sei gleich. Einer wolle zum Beispiel schnell reisen, der nächste billig, ein anderer möglichst CO2-sparend. Um passende Angebote zu machen, müsse man die Daten genau analysieren, sagt Kemper. Die Marktchancen seien aber gut.

Die Verhandlungen mit den Transportunternehmen seien manchmal schwierig, vor allem mit staatseigenen Konzernen. „Viele der alteingesessenen Firmen versuchen, die Entwicklungen auszusitzen“, sagt Kemper.

Sie würden sich den Herausforderungen der Digitalisierung und Globalisierung nicht stellen. Ein positives Beispiel sieht Kemper im Bahnverkehr in Italien. Dort konkurrieren Trenitalia und Nuovo Trasporto Viaggiatori auf demselben Schienennetz um die Kunden im Fernverkehr. „Das ist wie ein Beispiel aus dem Lehrbuch“, sagt der Ökonom. „Wettbewerb führt zu besserem Angebot und günstigeren Preisen.“ Gleichzeitig werde das Ganze für den Kunden aber unübersichtlicher. Hier komme Omio ins Spiel, indem es eine einzige Oberfläche für alle Anbieter schaffe, sagt Kemper.

Kemper findet an seinem Job auch die internationale Belegschaft von Omio spannend – 400 Mitarbeiter aus mehr als 50 Nationen arbeiten hier. Viele seien wegen dieses Jobs nach Deutschland gekommen.

Sie arbeiten fast ausschließlich in festen Anstellungen. Von der Anziehungskraft globaler Marken wie Omio profitiert der Wirtschaftsstandort Berlin, der dringend Digital-Fachleute braucht.

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