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Einen Teil seines Videos hat Nikolai Nerling auf der Turmstraße in Moabit gedreht.

© Tsp

Update

Berliner Rechtsextremist Nerling verhöhnt Opfer: Polizei ermittelt wegen „Volkslehrer“-Video zu Hanauer Anschlag

In einem Video zieht Nikolai Nerling über das Gedenken an die Opfer von Hanau her. Das habe eigentlich einen „Völkermord gegen Deutsche“ zum Ziel.

Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt wegen der Veröffentlichung eines neuen Hetz-Videos gegen den Berliner Rechtsextremisten und selbsternannten "Volkslehrer" Nikolai Nerling. Dieser hatte am Sonnabend ein Video im Internet veröffentlicht, in dem er die Opfer des rassistisch motivierten Anschlags mit neun Toten in Hanau vor einem Jahr verhöhnt und das Gedenken an sie selbst in Zusammenhang mit Hetze bringt.

Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) erstattete am Montag Strafanzeige gegen Nerling, wie die Stadt tags darauf bekanntgab. "Im Video beleidigt und verhöhnt der rechte Blogger die Opfer des Anschlags, diffamiert sie als Kriminelle und propagiert einen bevorstehenden 'Rassenkrieg', hieß es in der Mitteilung der Stadt. "Zudem stellt er die rassistischen Motive des Täters in Abrede und bedient migrantenfeindliche."

Mit dem Vorgang seien die Berliner Polizei und das Polizeipräsidium Südosthessen befasst, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

In dem 19-minütigen Video behauptet Nerling, es sei "schlicht nicht aufgeklärt", wer den Anschlag vor einem Jahr begangen habe. Tatsächlich ergaben die Ermittlungen eindeutig, dass der 43-jährige Tobias R. am Abend des 19. Februar 2020 neun Menschen an mehreren Orten in der hessischen Stadt erschossen hatte, bevor er mutmaßlich seine Mutter tötete und anschließend sich selbst. Zuvor hatte er Pamphlete und Videos mit Verschwörungstheorien und rassistischen Ansichten im Internet veröffentlicht.

Ein Jahr später versuchte Nerling das Gedenken an die Opfer in einen staatsgefährdenden Vorgang umzudeuten. Die Gefahr gehe nicht vom Rechtsextremismus aus, behauptete er in seinem Clip - sondern von "Migrantifa" und Antifa. "Das sind Terrororganisationen, die wollen Blut sehen."

Nerling schwadroniert über einen "Völkermord gegen Deutsche"

Als vermeintlichen Beleg zog er eine Formulierung auf einem Plakat heran, mit dem in Berlin vielerorts für Gedenkkundgebungen am Sonnabend geworben wurde: Demnach werde der Staat migrantische Minderheiten nicht schützen, diese müssten sich vielmehr selbst in den Kiezen gegen Faschismus und rassistische Gewalt organisieren. Nerling zeigte das Plakat etwa in Moabit und filmte auch eine Kundgebung am Leopoldplatz in Wedding.

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Der Rechtsextremist leitete aus dem Appell einen Aufruf zur Gewalt ab, der angeblich einen "Völkermord gegen Deutsche" zum Ziel habe - gegen den diese sich nun wehren müssten. "Da müssen wir zur Tat schreiten", fabulierte Nerling, denn auf die Polizei könne man sich nicht verlassen. "Wir müssen es alleine schaffen."

Lob für die NPD und eine bedrohliche Prognose

Seinerseits vermied er einen offenen Aufruf zur Gewalt, doch was ihm vorschwebt, zeigte ein kurzer Verweis auf die NPD. Die hatte in der Vergangenenheit immer wieder selbsternannte Bürgerwehren patrouillieren lassen, die Nerling nun lobend erwähnte. Mit dem Konzept verwandt sind auch Vorstellungen von "national befreiten Zonen". Ganz in diesem Sinne rief Nerling in seinem Video zum "Widerstand" auf. Seine bedrohliche Vorhersage: "Es wird zu einem blutigen, unangenehmen Höhepunkt noch kommen."

Hanaus Oberbürgermeister zeigte sich entsetzt. „Ich bin wütend und schockiert, dass so ein Schund im Netz öffentlich zugänglich ist. Diesem rechten Hetzer und seinen rassistischen Aktivitäten muss sofort Einhalt geboten werden“, erklärte Kaminsky. Er habe die Familien der Opfer über die Existenz des Videos informiert. Sie müssten wissen, „dass es das Video gibt und dass wir dagegen vorgehen“, sagte er.

Nerling hatte bis zum Jahr 2018 an einer Grundschule in Berlin-Gesundbrunnen unterrichtet. Nach Berichten über seine Videos, in denen er Verschwörungstheorien verbreitet und gegen Juden gehetzt hatte, wurde er von der Senatsbildungsverwaltung suspendiert. Eine spätere Kündigung hatte auch vor dem Arbeitsgericht bestand, eine Berufung gegen das Urteil zog Nerling schließlich zurück. Zuletzt trat er bei den "Hygienedemos" gegen die Corona-Maßnahmen in Erscheinung.

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