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Till (rechts im Bild) wird ausziehen. Sven und Susanna wollen bleiben und kämpfen.

© Sven Darmer

Berliner Padovicz-Mieter tun sich zusammen: „Es ist immer Kampf, man fühlt sich nie wie zuhause“

Bis ein berüchtigtes Unternehmen das Haus kaufte, war das Leben dort schön. Nicht der einzige Fall. Der Verfassungsschutz hat jedoch die Mieter im Visier.

Sie haben sich im Garten versammelt. Dort, wo sie sich fast täglich treffen: Plastikstühle um einen Holztisch, Hunde tollen herum, Kinder spielen. Sie haben einen kleinen Pool aufgebaut, Susanna gießt die Pflanzen. Ein kleines Paradies in der Büxensteinallee in Grünau – sollte man meinen. Doch seitdem die Unternehmensgruppe Padovicz das Haus vor fünf Jahren gekauft habe, sei es ungemütlich geworden, erzählt Susanna, die seit elf Jahren hier wohnt. Sophia K. ist 2015 eingezogen. Wenn sie vorher gewusst hätte, wer Padovicz ist, hätte sie nicht unterschrieben, sagt sie. Die Mietverträge laufen über eine Hausverwaltung.

Drei der zehn Wohnungen im Haus standen bei Verkauf des Hauses leer - und wurden später mit Arbeitsmigranten belegt. Zwischenzeitlich standen 55 Personen auf den vier Klingelschildern, auch die Nachbarn beschwerten sich über Lautstärke und Müll, die Männer hätten den halben Tag rauchend vor der Tür gestanden. Die Hausbewohner machten mehrere Anzeigen beim Wohnungsamt wegen Zweckentfremdung. Das führte zu wohl angekündigten Kontrollen: die Männer hätten die Betten für einen Tag raus und dann wieder rein geräumt, erzählen die Mieter. Im April vergangenen Jahres waren die Arbeiter dann plötzlich weg, die Wohnungen standen erneut leer.

Die Hausgemeinschaft erstattete nun Anzeige wegen Leerstand, ebenfalls Zweckentfremdung. Manche der Mieter sagen, das hätte man vielleicht besser nicht gemacht. Denn nur wenig später fanden sich die leeren Wohnungen auf Immobilienscout.de wieder. „Nur für GmbHs“, stand dabei.

E-Mail-Adresse auf den Mietverträgen nicht korrekt

Später zogen syrische Geflüchtete ein, die vorher in einem Container auf dem Flughafen Tempelhof gewohnt hatten: Eine Mutter mit neun Kindern belegt nun die Fünf-Zimmer-Wohnung. Die Mutter und die zwei ältesten Kinder haben jeweils einen Mietvertrag. Sie zahlen, alle drei Verträge zusammengerechnet, 1900 Euro pro Monat.

Das Haus in der Büxtensteinallee in Berlin-Grünau.
Das Haus in der Büxtensteinallee in Berlin-Grünau.

© Sven Darmer

Die Geflüchteten wollen kaum sprechen, sie haben Angst, dass ihnen die Untermietverträge gekündigt werden. Zwei von ihnen leben als Wohngemeinschaft in der dritten Etage, jeder zahlt 550 Euro. Eigentlich zahlt das Arbeitsamt ihre Miete. Doch einer von ihnen zeigt einen Mietvertrag mit einer Immobilien GmbH in Charlottenburg. Die ist telefonisch nicht zu erreichen, die auf den Mietverträgen angegebene E-Mail-Adresse ist nicht korrekt, eine Website gibt es nicht. Viele Vorgänge im Haus seien äußerst merkwürdig, erzählen die Mieter. Sie sind sich sicher: Man will sie aus dem Haus haben, um die Räume teurer vermieten zu können.

Kurz nach dem Mietendeckel kam die Mieterhöhung

Die Stimmung zwischen ihnen und den Geflüchteten scheint recht gut zu sein. Die Altmieter helfen, übersetzen und man sitzt zusammen im Garten, tauscht sich aus. Ein Thema dabei ist der vom Senat beschlossene Mietendeckel – und dass zwei Tage vor dem Beschluss noch ein Schreiben ins Haus flatterte: Nebenkostenerhöhung. Und dass, obwohl in dem Haus seit Jahren nichts gemacht wurde. Es gibt Schimmel, ein marodes Dach, eine Mieterin hatte fünf Wasserschäden. Die Hausverwaltung, welche ebenfalls nicht auf E-Mails des Tagesspiegels reagierte, wisse über die Schäden Bescheid, unternehme aber nichts, erzählen Bewohner.

Bezirksamt will nichts von den Beschwerden wissen

Das Bezirksamt Treptow-Köpenick sagte auf Nachfrage, der Wohnungsaufsicht lägen keine Beschwerden bezüglich Schimmel oder anderer Mängel vor. Die Mieter zeigen jedoch zahlreiche E-Mails, die zwischen ihnen und einer Mitarbeiterin des Bezirksamtes, Abteilung Bürgerdienste, hin und her gegangen sind: Darin werden die Schäden am Haus dokumentiert. Die Bezirksamtsmitarbeiterin schrieb, zum Thema Zweckentfremdung prüfen zu wollen. Dann fragte sie die Mieter, ob sich der Eigentümer oder Vermieter bei ihnen zu seinen Plänen geäußert habe. Es scheint, als wisse auch sie nicht so richtig, was in dem Haus vor sich geht. Das Bezirksamt reagierte nicht mehr auf weitere Tagesspiegel-Nachfragen.

Einer der Mieter, Sven P., ist derzeit in einem Gerichtsstreit mit der Hausverwaltung. Der 42-Jährige hat sich selbst, nach Rücksprach mit seinem Anwalt, die Miete um 15 Prozent gekürzt und zahlt nun acht Euro pro Quadratmeter. Alles darüber liege oberhalb des Mietspiegels.

"Ich will hierbleiben und kämpfen"

Auch alle anderen Altmieter zahlen die Nebenkostenerhöhung nicht und schalteten Anwälte ein. Daraufhin wurden die Erhöhungen bei einigen zurückgezogen. Bei Susanna nicht, die sich fragt, warum. "Ich will hierbleiben und kämpfen", sagt sie und fährt die Rückenlehne ihres Gartenstuhls hoch, macht sich gerade. Andere suchen bereits eine neue Wohnung. "Es ist immer Kampf, man fühlt sich nie wie zuhause", sagt Till und blickt über den kleinen Garten. So etwas finde man natürlich nicht nochmal. Trotzdem wird er bald ausziehen, hat etwas in der Nachbarschaft gefunden. Den Garten wird es wohl ohnehin nicht mehr lange geben. Das Bezirksamt bestätigte, dass der Bauaufsicht ein Antrag für die Errichtung eines Wohnhauses auf der hinteren Grundstücksfläche in der Bearbeitung vorliege.

Mieter im Visier vom Verfassungsschutz

Die Mieter wollen sich dem „Padovicz WatchBlog“ anschließen, einem Zusammenschluss von Mieterinnen und Mietern des Firmengeflechts rund um Gijora Padovicz. Seit April 2018 vernetzten sie sich und treffen sich einmal im Monat. Viele von ihnen wollen sich nicht öffentlich äußern, aus Angst, ihnen könnten die Mietverträge gekündigt werden – oft haben sie nur Jahresverträge. Die Unternehmensgruppe sei bekannt für brutale Entmietungstaktiken, schreiben sie auf ihrer Website.

Rund 200 Gebäude in Berlin gehören der Unternehmensgruppe mit Sitz auf dem Kurfürstendamm. Sie reagiert grundsätzlich nicht auf Presseanfragen. Telefonisch ist niemand zu erreichen, E-Mails werden nicht beantwortet. Der Firmensitz wurde schon oft Ziel von Protestaktionen. Bei einer angemeldeten Kundgebung wurde mit Kochtöpfen Lärm gemacht, ein anderes Mal kamen verkleidete Aktivisten bis in die Büros.

Mieter im Visier vom Verfassungsschutz

Der Padovicz-Blog tauchte auch im vorläufigen Bericht des Verfassungsschutzes auf, wohl, weil Fotos von der Familie des Investors mit Namen gezeigt wurden. Zuletzt wurde bekannt, dass die Unternehmensgruppe ein Bürohaus über 13 Stockwerke im Wiesenweg 1 - 4 in Lichtenberg errichten will – die dort ansässigen Gewerbetreibenden bangen um ihre Existenz. Padovicz gehört auch das Gebäude in der Liebigstraße 13 in Friedrichshain. Dort ist das selbstverwaltete, queer-feministischen Hausprojekt „Liebig34“ ansässig, dessen Pachtvertrag Ende 2018 ausgelaufen ist. Friedrichshains Stadtrat Florian Schmidt (Grüne) steht in Verhandlungen mit Gijora Padovicz, er will das Hausprojekt gerne erhalten. Weit scheint er jedoch noch nicht gekommen zu sein: Am 20. September ist Termin für den Räumungsprozess. Schmidt twitterte, es sei schwierig, mit Padovicz zu verhandeln. "Eine Chance" gebe es noch, schrieb er, mehr könne er öffentlich jedoch nicht sagen.

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