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In Berlin haben bisher nur etwa 180 Musiklehrer (auf 120 Vollzeitstellen) einen Tarifvertrag.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berliner Musikschullehrer: Kein Geld für neue Vollzeitstellen

Die Finanzstadträte der Bezirke haben ausgerechnet, dass mehrere Millionen Euro jährlich fehlen, um jeden fünften Lehrer schon ab nächstem Jahr fest anstellen zu können. Das wird frühestens 2020 passieren.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Da haben sich die Musikschulen zu früh gefreut. Rot-Rot-Grün hatte ihnen versprochen, den Anteil der fest angestellten Musiklehrer in den bezirklichen Einrichtungen möglichst bald auf 20 Prozent zu verdoppeln. Im bundesweiten Vergleich ein bescheidenes Ziel, aber für Berlin eine deutliche Verbesserung der Lage, denn neun von zehn Lehrern müssen in der europäischen Kulturmetropole seit vielen Jahren von kargen Honoraren leben.

Aber die 105 neuen Vollzeitstellen, die der Senat zugesagt hatte, lösten sich im komplizierten System der Bezirksfinanzierung teilweise wieder in Luft auf. „Wir hätten das Ziel, jeder fünften Lehrkraft einen festen Vertrag anzubieten, gern schon mit dem Haushalt 2018/19 erreicht“, sagte ein Sprecher der Kulturverwaltung dem Tagesspiegel. Doch es sehe so aus, als sei dies erst ab 2020 möglich. Zwar hat die Finanzverwaltung im Etatentwurf für die nächsten zwei Jahre mehr Geld für die Bezirke eingeplant, doch für zusätzliche 105 Stellen reicht es auf keinen Fall.

Die Berliner Musikschulen werden, als klassische Kommunaleinrichtungen, von den Bezirken betrieben. Die finanziellen Mittel weist das Land Berlin zu. Das zentrale Verteilungsinstrument ist die Kosten- und Leistungsrechnung, in diesem Fall für das Produkt „Musikschule“, dessen Preis je Unterrichtseinheit festgelegt wird. Das Geld für die zugesagten 105 Stellen sollte per „Zuweisungspreisanpassung“ auf die Bezirke verteilt werden, wobei die Kosten pro Stelle auf pauschal 50 000 Euro festgelegt wurden.

Aber was folgte, hört sich an wie eine Vorlesung über Quantenphysik: Per Mediankorrektur und Zuweisungspreisfortschreibung, abzüglich Bandbreitenregelung und allgemeiner Normierung wurden die Landesmittel für die neuen Musiklehrerstellen so geschrumpft, dass der Senat sein Versprechen brechen muss. Die Finanzstadträte der Bezirke haben ausgerechnet, dass 1,2 bis 2,5 Millionen Euro jährlich fehlen, um jeden fünften Lehrer schon ab nächstem Jahr fest anstellen zu können. Je nachdem, welcher Tarifvertrag gilt – Entgeltgruppe E9 oder E10.

Das entspricht einem monatlichen Grundgehalt von 2646 Euro bzw. 2973 Euro brutto. Das ist nicht üppig, aber eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Status quo der etwa 1600 freiberuflichen Lehrkräfte. In Berlin haben bisher nur etwa 180 Musiklehrer (auf 120 Vollzeitstellen) einen Tarifvertrag. Deshalb sollten 105 Stellen ab 2018 hinzukommen. Aber der Senat hat schlecht kalkuliert. Pi mal Daumen gerechnet, könnten mit dem bisher eingeplanten Geld nur etwa 80 Vollzeitstellen finanziert werden. Oder die Bezirke kürzen die Honorarmittel für die Musikschulen, aber das ginge zulasten der Freiberufler – und natürlich der Kunden.

„Dann müssten wir das Angebot verringern“, sagt die Finanzstadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann (Grüne). „Das kann doch nicht der Sinn der Sache sein.“ Allein in ihrem Bezirk fehlen für die geplante Aufstockung um etwa acht Vollzeitstellen – je nach Besoldung – rund 100 000 bis 200 000 Euro. In der letzten Sitzung der Kulturstadträte vor den Sommerferien, an der auch Kultursenator Klaus Lederer (Linke) teilnahm, wurde die missliche Situation von allen Beteiligten beklagt. Wirksam nachbessern könnte jetzt nur noch das Abgeordnetenhaus, das den Etatentwurf des Senats ab September beraten und zum Jahresende beschließen wird.

Seit den neunziger Jahren fordern die Honorarkräfte an den Berliner Musikschulen ordentliche Tarifverträge und eine bessere Bezahlung, die Bezirke sahen sich dazu aber mangels Geld nicht in der Lage. Auf Initiative des Parlaments stellte der Senat 2014 und 2015 jeweils 2,5 Millionen zusätzlich für die Musikschulförderung zur Verfügung. Doch das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal ein Teil des Geldes von den chronisch unterfinanzierten Bezirken für andere Zwecke eingesetzt wurde. An der prekären Lage der Musiklehrer änderte sich bis heute wenig und zeitweise stehen 10 000 musikinteressierte Berliner auf den Wartelisten der Musikschulen.

Die Quote von 20 Prozent fest angestellten Lehrern geht auf einen Vorschlag des ehrenamtlichen Berliner Musikschulbeirats zurück. Der setzte sich außerdem dafür ein, dass weiteres Personal für eine ordentliche Leitung und Organisation der Schulen freigestellt wird. Diese Forderung wird vom Senat komplett ignoriert, denn dann müssten insgesamt 184 neue Stellen finanziert werden. Unklar ist auch, ob bisherige Honorarkräfte einfach auf feste Stellen gesetzt werden können – oder ob man diese ausschreiben muss, um Konkurrentenklagen zu vermeiden. In dem Thema ist noch Musik drin.

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