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Die Schulbauoffensive umfasst Neubauten, aber auch alte Sanierungsfälle wie die Kurt-Schumacher-Schule.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berliner Milliardenprojekt: Fraktionen fordern Aufklärung über Risiken der Schulbauoffensive

Der Landesrechnungshof hatte Berlins Schulbauoffensive verrissen. Jetzt ist das Parlament am Zug.

Ungeheuer still war es, nachdem der Landesrechnungshof im Oktober die Berliner Schulbauoffensive (BSO) aufs Korn genommen hatte. Trotz der Feststellung, dass die Senatsverwaltung für Finanzen bei der Einbeziehung des landeseigenen Wohnungsbauunternehmens Howoge die vorgeschriebenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen unterlassen und das milliardenschwere Investitionspaket „nicht ordnungsgemäß und wirtschaftlich vorbereitet“ habe, hielt sich das Parlament zurück.

Das soll jetzt anders werden: „Der Bericht wird im Plenum am Donnerstag thematisiert“, kündigte der bildungspolitische CDU-Fraktionssprecher Dirk Stettner gegenüber dem Tagesspiegel an.

Die Zeit drängt – das findet vor allem die Initiative „Gemeingut in Bürgerinnenhand“ (GiB), die seit Jahren davor warnt, den Schulbau in die Hände einer GmbH zu legen, wie es die Howoge ist. Die Argumente gleichen denen, die jetzt auch vom Landesrechnungshof aufgeführt werden: Die Tatsache, dass die Howoge in Landesbesitz ist, ändere nichts daran, dass sie die Rechtsform einer GmbH habe. Mit der Folge, dass das Parlament wenig Einblick in die Finanzen habe. Zudem sei letztlich nicht auszuschließen, dass die Schulen, die die Howoge im Landesauftrag baue, eines Tages unter den Hammer kommen könnten, mahnt die GiB.

Die Sorge begründet sich darin, dass die Howoge Erbbaurechte erhält. Die Schulen gehören dann für 37 Jahre ihr. Mit dieser Konstruktion wollte der Senat die Schuldenbremse umgehen. 

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Die Rechnungshöfe sprechen in solchen Fällen von „Schattenhaushalten“ – was aber der rot-rot-grünen Koalition als kleineres Übel im Vergleich zu den fehlenden Schulplätzen erschien. Allerdings hört man selbst in der Verwaltung Sorgen darüber, dass die öffentliche Hand auf so lange Zeit die Kontrolle über rund 30 Schulen verliert und im Gegenzug jahrzehntelang hohe Beträge für Mietforderungen zahlen muss. 

[Den Landesrechnungshofbericht 2020 kann man HIER als pdf herunterladen.]

Da die Schuldenbremse wegen Corona partiell gelockert wurde, sieht der Marzahn-Hellersdorfer Abgeordnete Mario Czaja (CDU) „keine wirklichen Argumente mehr, die Howoge zu nehmen“. Er plädiert dafür, die Bezirke zu stärken, damit sie die Schulen selbst bauen könnten – was allerdings der Pankower CDU-Bildungsstadtrat Torsten Kühne für „illusorisch“ hält. Die Aufgabe sei angesichts des ungeheuren Bedarfs zu groß. Kühnes Sorgen richten sich nicht auf die Howoge, sondern auf die Verzögerungen beim Schulbau.

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Dadurch entstehe ein doppelter Schaden: Die Projekte würden teurer und die Kinder müssten noch länger unter beengten Verhältnissen lernen oder weite Wege zu ihren Schulen zurücklegen. Zudem werde schon wieder beim Schulbau gespart.

Etliche Projekte wurden geschoben

Mit dieser Sorge ist Kühne nicht allein. Vielmehr kritisieren auch andere Schulfachleute in den Bezirken und im Senat, dass die Senatsverwaltung für Finanzen anfängt, beim Schulbau Abstriche zu machen: Etliche Projekte wurden aus der aktuellen Investitionsplanung gestrichen.

In diesem Rahmen entfielen auch „Drehscheibenschulen“, die als Ausweichstandorte für Großsanierungsfälle dienen sollten. Zudem wird berichtet, dass die Finanzverwaltung die Raumvorgaben pro Schüler herunterrechne, um Geld zu sparen. Die rot-rot-grünen Fraktionen sind so alarmiert, dass sie nach Tagesspiegel-Informationen am heutigen Mittwoch in einer dreistündigen Sitzung vom Senat Aufklärung fordern.

Die Hamburger haben vorgemacht, wie es besser geht

Längst dämmert einigen Verantwortlichen im Schulbau, dass die SPD die Weichen falsch gestellt haben könnte, als sie sich 2017 gegen einen Schulbau-Landesbetrieb nach Hamburger Vorbild entschied. Damals hatten sich die Bezirke hinter die Neuköllner Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) gescharrt und vier „Regionalverbünde“ aus je drei Bezirken durchgesetzt, mit denen sie schlagkräftiger werden wollten. Stattdessen dauerte es drei Jahre, um überhaupt erstmal die Stellen zu besetzen. Der Output sei „minimal“, heißt es aus dem Senat.

Statt einer schlanken Struktur wie in Hamburg habe man jetzt rund 20 Akteure: die Hoch- und Schulbauämter sowie die Regionalverbünde, die Senatsverwaltungen für Bauen, für Schule und für Finanzen, die Howoge sowie die Berliner Immobilienmanagement GmbH für die Berufsschulen. „Wir müssen überlegen, ob ein Cut nicht das kleinere Übel wäre“, findet die FDP-Abgeordnete Maren Jasper-Winter. Der Befund des Landesrechnungshofs sei jedenfalls „desaströs“.

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