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Begehrt. Für die Vermittlung von Wohnungen werden in Berlin Belohnungen geboten. Die Baubranche befürchtet, dass der Mietendeckel die Lage verschärfen wird.

© picture alliance /Jens Kalaene/dpa

Berliner Mietendeckel: Deutsche Wohnen überdenkt Investitionspläne

Deutsche Wohnen will Investitionen in Neubauten prüfen, Baugenossenschaften treten den Rückzug an. Riexinger wirft Mietendeckel-Gegnern „Einsatz für Wuchermieten“ vor.

Anfang Januar soll das Gesetz zum Berliner Mietendeckel in Kraft treten. Doch bei Investoren und Wohnungskonzernen kühlt die Neigung, sich auf dem Wohnungsmarkt zu engagieren, schon jetzt merklich ab. Nach dem Ausstieg zweier Genossenschaften aus dem vom Senat koordinierten Siedlungsprojekt „Buckower Felder“ kündigte am Mittwoch die Deutschen Wohnen an, Investitionen über eine Milliarde Euro in Neubau und Sanierung prüfen zu wollen. In beiden Fällen werden der Mietendeckel und die daraus folgenden fehlenden Einnahmen als Begründung genannt – und das spaltet das Land in Befürworter und Gegner des Gesetzes.

Als Verteidiger sprang am Mittwoch der Bundesvorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, seiner Parteigenossin, Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher, bei. Riexinger wertete den „lautstarken Protest einer Bau- und Wohngenossenschaften gegen den Berliner Mietendeckel“ als „unwürdigen Einsatz für die Wuchermieten“. Dabei wüssten sie genau, „dass der Mietendeckel für niedrige Mieten weiterhin Spielraum bietet“, sagte der Linken-Chef.

Und wegen der Ankündigung der Deutsche Wohnen, geplante Milliarden-Investitionen in Neubau und Sanierung überwiegend in Berlin stehender Mietwohnungen überprüfen zu wollen, warf Riexinger der Aktiengesellschaft vor, „schlicht unwahre“ Behauptungen aufzustellen: Die Firma investiere gar nicht in den Wohnungsbau, sondern ihre Geschäftspraktik basiere zum größten Teil auf dem An- und Verkauf existierender Wohnungen.

Eine feine Unterscheidung, auf die auch die Grünen im Bundestag wiederholt hingewiesen haben: Der Anstieg der Mieten sei vor allem getrieben vom Handel und der Spekulation mit vermieteten Wohnungsbeständen, die begünstigt werden durch Sonderregelungen wie die von der Grunderwerbssteuer befreiten „Share Deals“ sowie Steuersubventionen bei Modernisierungen, deren Kosten auf die Mieter umgelegt werden können.

Dieses Geschäft bescherte der Deutsche Wohnen in den ersten neun Monaten dieses Jahres einen Gewinn von fast 635 Millionen Euro. Das war zwar weniger als im selben Zeitraum des Vorjahres (minus 16 Prozent). Der Konzern begründete das allerdings mit „geringeren Aufwertungen“ bei ihrem Wohnungsbestand.

Wert von Immobilien hängt von erzielbaren Mieterträgen ab

Dazu könnte auch die bevorstehende Einführung des Mietendeckels in Berlin beitragen. Denn dieser beschneidet die Möglichkeiten von Mieterhöhungen drastisch, und die Deutsche Wohnen ist mit mehr als 100 Wohnungen in Berlin einer der größten Wohnungseigentümer der Stadt. Hintergrund: Der Wert von Immobilien hängt von den erzielbaren Mieterträgen ab – Spielraum für Mieterhöhungen erlaubt deren Aufwertung.

Entsprechend heftig ist die Kritik an der geplanten Einführung des Mietendeckels – und das Drohszenario des Konzerns: „Auch werden in Berlin geplante, bislang noch nicht bei den Mietern beziehungsweise Bezirken angekündigte Sanierungsmaßnahmen sowie Neubauinvestitionen in Höhe von knapp einer Milliarde Euro vor dem Hintergrund des Mietendeckels einer Prüfung unterzogen“, verkünden die Konzernverantwortlichen in ihrer Quartalsbilanz.

Zum 30. September dieses Jahres betrage der Bestand der Deutsche Wohnen 169 524 Einheiten, davon 166 717 Wohneinheiten und 2807 Gewerbeeinheiten. Die Deutsche Wohnen ist im MDAX der Deutschen Börse gelistet. Der Börsenkurs liegt bei rund 33 Euro je Aktie, Anfang des Jahres notierte sie noch bei über 40 Euro.

6,5 Millionen Euro fehlen der bwv

Aus ganz anderen Gründen hatten kurz zuvor die Beamten-Wohnungs-Verein zu Köpenick (bwv) sowie die Gemeinnützige Baugenossenschaft Steglitz ihren Ausstieg aus dem Bieterverfahren für Grundstücke im Siedlungsbau des Senats „Buckower Felder“ erklärt: 6,5 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren fehlen allein der bwv, sagte deren Vorstandsmitglied Andrea Zwingelberg. So viel hätte eine Mieterhöhung von fünf Prozent in ihren Beständen eingebracht innerhalb von fünf Jahren, und diese Summe sollte als Eigenkapital in die Neubauten in Buckow fließen.

Wegen des Mietendeckels dürften die Mieten (im Bestand zurzeit durchschnittlich 5,50 Euro je Quadratmeter) nicht angehoben werden. „Deshalb können wir uns weitere Neubauten nicht leisten“, sagt Zwingelberg. Schuld daran seien „ganz einfach die Zahlen“ – mit demonstrativer Kritik an der Mietenpolitik habe das nichts zu tun.

Neubauten würden sich nicht mehr rechnen

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher reagierte auf die Rückfragen zu den Vorfällen im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses mit demonstrativer Gelassenheit: „Das beunruhigt uns nicht“, sagte Lüscher am Mittwoch, zumal die Genossenschaften nicht detailliert anhand von Zahlen dargelegt hätten, „inwiefern die Senatspolitik dazu geführt hat“, dass sich die Neubauten nicht mehr rechnen. „Wenn am Schluss des Bieterverfahrens gar keine Genossenschaft übrig bleibt, dann gibt es Vereinbarungen mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, dass sie die Wohnungen übernehmen.“ Daher werde der Wohnraum „sowieso gebaut“. Im übrigen seien von den 20 Bewerbern in dem laufenden Bieterverfahren immer noch zehn übrig.

Die Baubranche zeigt sich weniger gelassen. Manja Schreiner, Chefin der Fachgemeinschaft Bau, in der die mittelständischen bauausführenden Firmen organisiert sind, befürchtet, dass die Ankündigungen der Deutsche Wohnen und der beiden Genossenschaften „nur der Auftakt zu einer Welle an Projektstopps in Berlin“ sein könnten.

Insgesamt rechneten Branchenexperten „mit einem Umsatzrückgang von mindestens 25 Prozent im kommenden Jahr“. Der Vorgang zeige, dass sich „der Berliner Senat den wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten nicht entziehen kann“. Fast alle Wohnungsverbände, Kammern und Wirtschaftsvertreter teilen diese Einschätzung.

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