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Hannah (l.) und Marie (r.) machen gemeinsam mit Grafikerin Hannah Rosenkranz und weiteren Engagierten ihr eigenes Magazin.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berliner Magazin „Almost 30“: Ein Lebensgefühl, das über den 30. Geburtstag hinaus bestehen kann

Drei Frauen machen ein Magazin für alle, die sich „almost 30“ fühlen – ein Lebensgefühl, das nicht ausschließlich berlintypisch ist.

Was verbinden Menschen mit der 30? „Erwachsen werden müssen“, „ein bisschen Panik“, „Bilanz ziehen“, „nicht mehr so leicht“, „eine Sollbruchstelle“ – so beschreiben es Menschen um die 30 im Crowdfunding-Video für das Magazin „Almost 30“. Die Antworten zeigen: Nach der 30 wird es ernst, die gesellschaftlichen Erwartungen sind groß.

Bei Hannah Krutmann, 31, kam es vor zwei Jahren anders: „Ich war nicht an dem Punkt, den ich erwartet hatte.“ Statt Karriere, Heirat, Kind hatte sie einen Job, der einfach nur Spaß machte, war Single, wohnte in einer WG und reiste viel. Beim Gedanken „Was habe ich erreicht, worauf bin ich stolz“ dachte sie an ihre Freundinnen und Freunde. Um das zu feiern, schmiss Krutmann eine große Party und lud von überallher die Menschen ein, die ihr am wichtigsten sind.

Warum also angesichts der nahenden 30 von Karriere und Familienplanung, nicht aber von Freundschaft und Freiheit reden? Und überhaupt: Wer sagt, dass man mit 30 erwachsen ist? Von diesen Gedanken ausgehend entwickelte die Gastgeberin mit persönlichen Texten der Partygäste das Konzept für ein Magazin namens „Almost 30“, gemeinsam mit ihrer Schwester Marie Krutmann, 28, und der Grafikerin Hannah Rosenkranz.

„Es war zuerst als Magazin für den Freundeskreis gedacht“, erzählt die Gründerin. Doch schon beim Crowdfunding zeigte sich: „Almost 30“ ist ein Lebensgefühl, das über den 30. Geburtstag hinaus bestehen kann. „Jüngere und ältere Leute jeglichen Geschlechts meldeten uns zurück, sich damit identifizieren zu können – trotz unterschiedlicher Lebensumstände“, berichtet Marie Krutmann, aktuell Chefredakteurin des Magazins.

Ist dieses Lebensgefühl typisch für Berlin? „Voll!“, sagt Hannah Krutmann. Zum Leben ohne absoluten Masterplan gehöre auch die „leichte Panik und das Risiko, nicht hundertprozentig abgesichert zu sein“, sagt Marie. Trotzdem habe man schon viel geschafft.

Ein scheinbar verbreitetes Gefühl

Sie selbst arbeitete bei einem großen Verlag und wurde diesen Sommer für den „Young Excellence Award“ nominiert, einen Preis der Börsenvereinsgruppe für ambitionierten Nachwuchs aus der Buchbranche. Die Krutmanns haben sich als Lektorinnen und Texterinnen selbstständig gemacht.

Das Gefühl „Almost 30“ scheint aber nicht nur berlintypisch, sondern international verbreitet zu sein. Da ist es sinnvoll, dass im Magazin deutsche und englische Essays, Gedichte, Kurzgeschichten oder Comics zu lesen sind. Nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe über Freundschaft („The Friendship Issue“) erhielt die Redaktion viele Textvorschläge für die zweite Ausgabe. Das Thema: Werte („The Value Issue“). Für das Magazin können Leute von überall Texte beisteuern, niemand muss professionell schreiben können.

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Da ist er wieder, der Community-Gedanke, der sich auch im orange-gelben Layout wiederfindet und so an Festivals der Siebziger erinnert. Der persönliche Touch sei aber auch ein bisschen die Krux, erzählen die Macherinnen. Journalismus- oder Literatur-Magazine könnten sich leichter für Förderungen bewerben.

266 Menschen unterstützten das Publikationsvorhaben der ersten Ausgabe mit insgesamt rund 14.000 Euro. Geld genug, um das Magazin zu drucken – allerdings ohne realistische Gehälter für die Autorinnen, Autoren und das Team. Das Heft ist für sie ein Herzensprojekt, doch nach der kürzlich erschienenen zweiten Ausgaben denken die Krutmanns nun darüber nach, „was man mit dem riesengroßen Freundeskreis noch anstellen kann“. In anderen Worten: wie sich das Magazin solide finanzieren lässt.

Und wer könnte noch alles zur Zielgruppe gehören? Die Mutter der Krutmann-Schwestern verkündete nach der Magazin-Lektüre, „almost 30“ zu sein. Gerade hat sie ihren 60. Geburtstag gefeiert.

Beide Ausgaben des Magazins kosten jeweils 15 Euro und sind auf https://www.almost30magazine.com bestellbar. Die Macherinnen laden zu einer Lesung, auf der auch Tarotkarten gelegt werden: 28. November, 19 Uhr, Magazinladen „do you read me“, Auguststraße 28, 10117 Berlin. Der Eintritt ist frei. Wer bei der dritten Ausgabe zum Thema Geheimnisse („The Secret Issue“) mitschreiben möchte, kann sich per Mail unter submit@almost30magazine.com melden.

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