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In den Boden gebohrt. Bei dem Absturz des Rosinenbombers am 25. Juli 1948 starben zwei US-Piloten.

© akg-images/Picture Alliance

Berliner Luftbrücke: Der Rosinenbomber-Absturz von Friedenau

Die Berliner Luftbrücke war am 25. Juli 1948 seit einem Monat im Gang. In der Nacht stürzte ein Rosinenbomber in der Handjerystraße in Friedenau ab. Gerhard Haupt erlebte es im Alter von neun Jahren.

Der Lärm ist ohrenbetäubend. Aber der Neunjährige schläft tief und fest. Nur die Hauswand trennt Gerhard Haupt, der mit Mutter und Bruder in einer Wohnung im Hochparterre des Hauses lebt, von dem Unglück, das sich da – genau vor 70 Jahren – ereignet. Gegen ein Uhr in der Nacht zu Sonntag, dem 25. Juli 1948, stürzt in Friedenau direkt an der Handjerystraße 2 ein amerikanischer Rosinenbomber ab. Die zwei Piloten kommen ums Leben, das Dach des Hauses fängt Feuer. Trümmer beschädigen die Fassade, die ebenfalls brennt.

Eine Anwohnerin berichtet damals dem Tagesspiegel: „Ich glaubte, ein Blitz habe in unser Haus eingeschlagen. Unter Trümmern und Flugzeugteilen kroch ich aus meinem Bett hervor, trat auf Glasscherben und sah durch die weggerissene Außenwand meines Zimmers draußen Flammen und das abgestürzte Flugzeug.“

Zeitzeuge. Gerhard Haupt lebt bis heute in dem Haus in Friedenau, vor dem die Versorgungsmaschine zerschellte.
Zeitzeuge. Gerhard Haupt lebt bis heute in dem Haus in Friedenau, vor dem die Versorgungsmaschine zerschellte.

© Thilo Rückeis

Gerhard Haupt bekommt davon erst etwas mit, als seine Mutter ihn angsterfüllt weckt. Sie ist in Panik. Ihre ersten Gedanken: ein erneuter Bombenangriff. Zu präsent sind die Erinnerung an die schrecklichen Bombennächte während des Krieges. Die Mutter bringt den Jungen erst einmal nach hinten über den Hof zu einer Nachbarin. Er soll die Toten und den Schrecken nicht sehen. Davon hat der Junge schon genug erlebt. Erst am Morgen nach dem Absturz nimmt er genau wahr, was sich dort ereignet hat. Das Flugzeug hat sich direkt vor dem Haus in die Erde gebohrt. Es wurde auseinandergeschnitten und die Einzelteil wurden mit Lastwagen wegtransportiert. „Die Bilder sind wie festgebrannt“, sagt Haupt.

Das Flugzeug hatte Kartoffelmehl geladen

Das Flugzeug, eine zweimotorige Transportmaschine vom Typ Dakota C47, hatte Kartoffelmehl geladen, das ebenfalls verbrannte. „Es stank gewaltig“, erzählt der jetzt 79-Jährige, der bis heute mit seiner Frau in dem Haus lebt. Inzwischen allerdings ein Stockwerk höher. Über die Jahre hinweg ist er ein gefragter Zeitzeuge, wenn es um Erinnerungen aus der Zeit von Blockade und Luftbrücke geht. Auch der Tagesspiegel hat ihn in den vergangenen Jahrzehnten schon befragt. Auf dem Esstisch im Wohnzimmer breitet Haupt die Artikel aus, die er sorgsam gesammelt und abgeheftet hat. Denn diese Nacht wird er nie vergessen.

Es ist der erste Absturz einer Versorgungsmaschine in Berlin. Der Tagesspiegel vermutet damals als Unglücksursache, dass das Flugzeug einem anderen ausweichen wollte. Bereits am 8. Juli war eine Maschine gleichen Typs an einem Berg im Taunus zerschellt. Weitere Unglücke folgen. Zum Zeitpunkt des Friedenauer Unglücks ist die Luftbrücke einen Monat in Gang, nachdem die Sowjets sämtliche Zugangswege zum Westteil der Stadt blockiert und die Versorgung der Menschen unmöglich gemacht haben. Sofort verabreden die West-Alliierten, alles Lebensnotwendige über den Luftweg zu transportieren. Ununterbrochen starten und landen bis Mai 1949 die Maschinen der Amerikaner und der Engländer. Eine gigantische logistische Leistung.

Auf einem Balkon verbrannten einige Kaninchen

Die Bewohner in der Handjerystraße überleben die Schreckensnacht unbeschadet, von einigen kleinen Verletzungen einmal abgesehen. Auch das Gebäude bleibt stehen. Auf einem Balkon verbrennen einige Kaninchen, die dort gehalten wurden. Die Fenster gehen kaputt. Bei Familie Haupt gab es vorher ohnehin keine Scheiben; seit einem Bombenangriff zu Kriegsende muss Pappe als Ersatz reichen. „Mutter hätte jetzt neue Fenster bekommen können. Aus Glas“, sagt Haupt. „Sie hätte schwindeln können. Aber sie war ehrlich.“ Also bleibt es vorerst bei Pappe. Für die Hausbewohner gibt es Care-Pakete. Gerhard Haupt erinnert sich an die Blockschokolade und Kekse.

Ein Tagesspiegel-Leser brachte spontan 20 Mark vorbei

Die Trauer in der Stadt um die toten US-Piloten ist groß. „Oberleutnant King aus Süd-Dakota, der einen zehn Wochen alten Sohn hat, und Oberleutnant Stubiree aus Kalifornien, dessen kleiner Junge gerade ein Jahr alt ist, sind für uns gestorben“, schreibt der Tagesspiegel und berichtet von einem Leser, der in die Redaktion kam, 20 Mark in einem Brief vorbeibrachte und weitere 100 Mark sammeln möchte, um die Hinterbliebenen zu unterstützen. Durch einen Aufruf kommen insgesamt 946,50 Mark zusammen. Bereits drei Tage nach dem Unglück bringen die Berliner vor dem Haus eine Tafel an und schmücken sie mit Blumen: „Zwei amerikanische Flieger wurden hier das Opfer der Blockade Berlins. Ihr gabt euer Leben für uns! Die Berliner der Westsektoren werden euch nie vergessen! Wir stehen tief ergriffen und erschüttert an dieser Stelle, die durch euren Tod geweiht ist. Einst waren wir Feinde, und doch gabt ihr jetzt euer Leben für uns. Wir stehen nun doppelt in eurer Schuld.“

Diese Tafel gibt es nicht mehr. Die Inschrift der schwarzen Granitplatte, die jetzt an der Fassade an den Absturz erinnert, ist nüchtern, ohne Emotion: „Während der Berliner Blockade starben hier am 25.7.1948 beim Absturz eines Versorgungsflugzeugs zwei amerikanische Piloten für die Freiheit unserer Stadt.“

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