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Nichts ist sicher. Das Haus in der Liebigstraße 14 ist längst nicht mehr besetzt. Andere Initiativen streiten noch dafür, dass ihr soziokultureller Wer anerkannt wird - und sie ihre Freiräume behalten können.

© dapd

Berliner Liegenschaften: Das ist unser Haus

Die Liebigstraße 14 ist geräumt, das Tacheles kämpft noch. Alternative Wohn- und Kulturprojekte haben es schwer, sich zu halten. Doch jetzt denkt die Politik über einen neuen Umgang mit landeseigenen Grundstücken und Immobilien nach. Wir stellen drei erfolgreiche Modelle vor.

„Berlin ohne den Schokoladen wird für mich wie Stuttgart“, erklärt ein junger Mann auf einem Plakat, das für die Rettung des Sozial- und Kulturvereins Schokoladen in Mitte warb. Seit 1990 halten sich das herunterkommene Haus und der Verein in der eleganten Ackerstraße, ein Relikt aus der Wendezeit – das immer wieder zu verschwinden drohte. Das wollte der Berliner Senat schließlich auch nicht. Die verantwortlichen Politiker halfen im März, eine Lösung zu finden für den jahrelangen Streit zwischen Hauseigentümer und Nutzern: Der Senat gab dem Eigentümer ein unverbautes Ersatzgrundstück, ebenfalls in der Acker-/Ecke Invalidenstraße und bat eine Stiftung, das Grundstück für den Schokoladen e.V. zu kaufen und dem Verein anschließend zu verpachten. Rund eine Million soll Berlin für das Grundstück bekommen – oder vielmehr für die Tauschbereitschaft.

Lange hat der Senat um diese Lösung gerungen. Denn das Grundstück an der Acker-/Ecke Invalidenstraße hätte Berlin auch richtig viel Geld bringen können. Es gehört zu den Filetstücken, die das Land noch besitzt.

Die Rettung des Schokoladens ist etwas Besonderes. Eigentum des Landes wird derzeit normalerweise mit dem Ziel verkauft, die Kassen zu füllen und Schulden abzubauen. Der Verkauf von Grundstücken und Immobilien ist ein finanzpolitisches Instrument. Der Liegenschaftsfonds wickelt seit 2001 alle Immobiliengeschäfte in Berlin ab, er ist so etwas wie ein öffentlicher Makler. Das Land und die Bezirke sollen dem Fonds alle Grundstücke und Immobilien übergeben, die nicht unbedingt gebraucht werden. Diese verkauft der Fonds dann im Bieterverfahren: Wer am meisten bezahlen kann, bekommt den Zuschlag. Manchmal kann das Land so das Achtfache des von einem Gutachter ermittelten Werts erwirtschaften, heißt es. Meistens werden die Verkaufspreise jedoch nicht öffentlich.

Es scheint, als könnte sich nur durchsetzen, wer laut schreit und viel Aufmerksamkeit erregt

Aber der Liegenschaftsfonds hat auch die Möglichkeit, Grundstücke oder Immobilien direkt an ganz bestimmte Projekte oder Firmen zu vergeben. Dann wird das Landeseigentum zu dem vom Gutachter ermittelten Wert verkauft. Wer den Zuschlag bekommt, entscheidet der Steuerungsauschuss, in dem Vertreter des jeweiligen Bezirks und der Senatsverwaltungen Wirtschaft, Finanzen und Stadtentwicklung sitzen. Bisher wird Eigentum vor allem dann direkt vergeben, wenn Botschaften oder Verbände auf der Suche nach einem Platz in der Stadt waren. Von Bürgern initiierte Projekte haben nur selten die Möglichkeit, sich um eine Direktvergabe zu bewerben. Meist müssen sie im Bieterverfahren mit den Höchstpreisgeboten konkurrieren.

Trotzdem ist die Rettung des Schokoladens kein Einzelfall. Die Berliner Politik hat in den vergangenen 20 Jahren immer wieder Kultur-, Sozial- und Hausprojekten beim Überleben geholfen, auf unterschiedlichen Wegen. So etwa dem Künstlerhaus Schwarzenberg gleich neben den Hackeschen Höfen. Hier hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft Mitte eingegriffen. Doch solchen Rettungsaktionen gingen wie im Fall des Schokoladens immer lange und laute Protestaktionen der Betroffenen voran. Es scheint, als könnte sich nur durchsetzen, wer laut schreit und viel Aufmerksamkeit erregt. Und ein bisschen Glück gehört auch dazu.

Jetzt will die Politik eine Balance finden zwischen Profit und Sozialverträglichkeit

Doch das soll sich jetzt ändern. Die Politik will ein transparentes Verfahren und neue Kriterien für die Vergabe von Landeseigentum. Nach der Rettung des Schokoladens sagte Ephraim Gothe (SPD), Staatssekretär für Bauen unter Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD): Künftig wolle Berlin die Liegenschaftspolitik anders angehen. Tatsächlich diskutiert der Senat seit rund zwei Jahren, wie dieser neue Umgang mit Grundstücken und Immobilien aussehen kann. Auch im Koalitionsvertrag haben SPD und CDU eine Neuausrichtung vereinbart. Das vorderste Ziel sind dabei sozialverträgliche Mieten. Aber es geht eben auch um die Frage, wie die Zivilgesellschaft bei der Vergabe besser berücksichtigt werden kann. Soziale, kulturelle und ökologische Kriterien sollen eine Rolle spielen – und nicht mehr vor allem das höchste Gebot. Bei den Diskussionen im Senat geht es darum, eine Balance zu finden zwischen Profit und Sozialverträglichkeit.

Die Debatte dauert an, im Senat gibt es zwei Fraktionen. Da ist der Senat für Stadtentwicklung, der für Sozialverträglichkeit eintritt und für zivilgesellschaftliche Projekte. Auf der anderen Seite steht der parteilose Finanzsenator Ulrich Nußbaum, der weiter mit Berliner Eigentum Geld verdienen will. Er fragt: „Was ist der Gegenwert für Berlin, wenn wir beim Verkauf auf den besten Preis verzichten?“

Die Bürger wollen mitbestimmen, was mit städtischen Grundstücken passiert

Es gibt Bürger, die die Politik beraten wollen, wie dieser neue Umgang mit dem Landeseigentum aussehen kann. Sie haben sich vor einem knappen Jahr in der Initiative „Stadt Neudenken“ zusammengeschlossen.

Die Initiative fordert ein Moratorium von Grundstücksverkäufen, solange es keine neuen Kriterien und Instrumente gibt. Die neue Liegenschaftspolitik stellen sich die Verantwortlichen so vor: Wenn ein landeseigenes Grundstück oder Gebäude verkauft wird, sollen die Bürger mitbestimmen können, was damit passiert. Nicht das höchste Gebot soll den Zuschlag bekommen, sondern das beste Konzept. Mitgründer Florian Schmidt: „Denkbar ist eine Art Nachhaltigkeitsamt oder ein Raumrat, das ein transparentes Verfahren garantiert.“ Diese Einrichtung soll auch Ansprechpartner für Initiativen sein. Zudem sollen alle Grundstücke im Liegenschaftsfonds öffentlich gemacht werden – bisher ist das nicht der Fall –, damit Bürger früh Konzepte entwickeln können.

Noch vor der Sommerpause will „Stadt Neudenken“ dem Senat Vorschläge machen und an einem Rundem Tisch über die neue Liegenschaftspolitik diskutieren. Vergangenen Samstag wurde ein erster Schritt gemacht, auf einem Workshop wurde über Vergabekriterien gesprochen und mit Politikern über den Stand der Debatte diskutiert.

Vermietung! Genossenschaft! Erbbaurecht!

Die drei Geschichten unter den folgenden Links zeigen, dass sich alternative Projekte in Berlin bisher vor allem wegen des Engagements Einzelner durchsetzen konnten. Sie zeigen aber auch, mit welchen Instrumenten das Land eine nachhaltige Stadtentwicklung gestalten könnte.

Das Land kann zum Beispiel über eine Wohnungsbaugesellschaft (WB) günstig Immobilien an Initiativen vermieten, so wie die WB Mitte an das Künstlerhaus Schwarzenberg.

Berlin kann Grundstücke auch an Genossenschaften verkaufen, die sozialverträgliche Mieten gewährleisten, wie es etwa die „Bremer Höhe“ macht. Die Genossenschaft kaufte unter anderem das ehemals besetzte Haus Liebig 15 und garantierte rund 20 Menschen mit geringem Einkommen, dass sie im mittlerweile schicken und teuren Friedrichshain bleiben können.

Das Land kann eine Immobilie auch in Erbbaurecht verpachten. Bisher hat Berlin diese Lösung nur selten genutzt. Wahrscheinlich um Verwaltungsaufwand zu vermeiden, verkauft der Liegenschaftsfonds die Immobilien lieber an Stiftungen, die dann mit Projekten Erbbaurechtsverträge schließen – wie mit dem Schokoladen. So haben die Stiftungen Trias und Edith Maryon das Gelände der ehemaligen Druckmaschinenfabrik Rotaprint in Wedding einer gemeinnützigen Gesellschaft im Erbbaurecht verpachtet.

99 Jahre lang Zinsen für Berlin

Doch eigentlich wäre die direkte Lösung für Berlin die nachhaltigste. Das Beispiel ExRotaprint gibt eine einfache Antwort auf die Frage von Senator Nußbaum, was der Gegenwert für Berlin sein könnte, wenn auf den besten Preis verzichtet wird: langfristig mehr Geld. Jährlich zahlt die Gesellschaft an die Stiftungen nämlich 5,5 Prozent Zinsen auf den Kaufpreis, inflationsangepasst, 99 Jahre lang. Das bringt am Ende den vielfachen Verkaufspreis ein. Außerdem saniert die Gesellschaft das denkmalgeschützte Gelände auf eigene Kosten. Die Initiatoren von ExRotaprint hätten das Gelände gern direkt vom Senat in Erbpacht genommen – als gutes Beispiel für eine neue Stadtentwicklungspolitik.

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