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Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) mit den notwendigen Unterlagen unterm Arm.

© dpa / Jörg Carstensen

Berliner Landeshaushalt bis 2024: Finanzsenator warnt vor "grundgesetzwidrigen Defiziten"

Der Berliner Senat hat die neue Finanzplanung beschlossen und muss sich in den kommenden Jahren auf einen "neuen, niedrigeren Wachstumspfad" einrichten.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Trotz der schweren finanziellen Belastungen durch die Coronakrise wird der Landeshaushalt 2020 voraussichtlich mit einem Defizit abschließen, das unter zwei Milliarden Euro liegt. Das ergibt sich aus einem Statusbericht der Finanzverwaltung, der vom Senat am Dienstag beraten wurde. Das Finanzierungssaldo wird nach dieser amtlichen Prognose am Jahresende bei 1,94 Milliarden Euro liegen.

„Um handlungsfähig zu bleiben, ist eine Kreditaufnahme unumgänglich“, kommentierte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) diese Zahl. Sie solle aber „mit dem notwendigen Augenmaß“ erfolgen, um Berlin eine Zukunft aus eigener Kraft zu garantieren. Zwischen dem Finanzsenator und den Regierungsfraktionen SPD, Linke und Grüne gibt es seit Beginn der Pandemie einen Konflikt über die Höhe der notwendigen Verschuldung und die künftige Tilgung der Kredite.

Die Koalition will Berlin mit bis zu 6,6 Milliarden Euro zusätzlich verschulden. Davon sollen schon in diesem Jahr 5,3 Milliarden Euro aufgenommen werden.

Nur etwa 1,9 Milliarden Euro davon werden aber im Haushaltsjahr 2020 entsprechend dem Statusbericht benötigt, um das diesjährige Haushaltsloch zu stopfen. Für den Umgang mit der überzähligen Kreditsumme hat der Senat den Begriff des „Durchtragens“ erfunden.

Geliehenes Geld soll für die Jahre 2022 und 2023 gespart werden

Das geliehene Geld soll, gemeinsam mit weiteren Krediten, die im nächsten Jahr aufgenommen werden, für die Jahre 2022 und 2023 aufgespart werden, um in der nächsten Legislaturperiode, die Rot-Rot-Grün nach der Wahl im Herbst 2021 gern wieder gemeinsam bestreiten will, zusätzlichen finanziellen Spielraum zu bieten.

Denn ab 2022 gilt, sollte die Pandemie im nächsten Jahr bewältigt sein, wieder die gesetzlich verankerte Schuldenbremse. Dann muss das Land Berlin sich wieder daran gewöhnen, ohne geliehenes Geld auszukommen. Man werde dann „voraussichtlich in das Regelregime eines strukturell ausgeglichenen Haushalts zurückkehren“, teilte die Finanzverwaltung nach der Senatssitzung mit. Das Kabinett beschloss am Dienstag die dazu passende Finanzplanung bis 2024.

Senator Kollatz kündigt "niedrigeren Wachstumspfad" an

Nach dem „Kraftakt 2020“ müsse sich das Land Berlin in den nächsten Jahren „schrittweise auf den neuen niedrigeren Wachstumspfad einstellen“, mahnte Finanzsenator Kollatz zu finanzpolitischer Besonnenheit. Er erinnerte daran, dass schon die letzte Finanzplanung, als von Corona noch nicht die Rede war, einen Einsparbedarf von 500 Millionen Euro (2022) und 400 Millionen Euro (2023) enthielt.

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Nach der Pandemie fehlten dem Etat aber jedes Jahr 1,75 bis 2 Milliarden Euro allein bei den Steuereinnahmen. Hinzu kämen dauerhafte Mehrausgaben, etwa für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Außerdem seien ab 2023 die Coronaschulden zu tilgen.

Auf diese neuen Rahmenbedingungen müsse der Senat reagieren, sagte Kollatz. Ansonsten liefe der Berliner Haushalt ab 2022 auf ein „grundgesetzwidriges strukturelles Defizit“ zu. Bestehendes solle trotzdem weitergeführt werden. „Zusätzliches wird im Regelfall warten müssen.“ Er plädierte für entsprechende „frühe Weichenstellungen“.

Nächster Doppelhaushalt fällt in die heiße Wahlkampfphase

Die neue Linie müsse bei der Haushaltsaufstellung für 2022/23 umgesetzt werden. Der nächste Etat wird vom Senat mitten in der heißen Wahlkampfphase im Sommer 2021 vorgelegt. Dass der Entwurf vor der Abgeordnetenhauswahl im nächsten September noch parlamentarisch beraten und beschlossen wird, ist eher unwahrscheinlich.

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Die sogenannten Eckwerte, mit denen die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben in der Finanzplanung bis 2024 konkret festgelegt werden, sollen erst im Dezember beschlossen werden. Und zwar auf Grundlage der dritten bundesweiten Steuerschätzung dieses Jahres, die im November vorgelegt wird. Wenn die Steuereinnahmen in 2022/23 in der November-Prognose niedriger liegen als in der September-Schätzung, will der Senat die geplante Neuverschuldung um 600 Millionen Euro als „zusätzlichen Kreditpuffer“ auf 6,6 Milliarden Euro erhöhen.

Bisher nur 170 Millionen Euro für Coronabekämpfung ausgegeben

Momentan ist noch unklar, ob und in welchem Umfang die beiden Nachtragshaushalte für das laufende Jahr und die Finanzplanung bis 2024 mit der finanzpolitischen Realität übereinstimmen werden. Plan und Wirklichkeit fällt gerade in Berlin oft auseinander.

So wurden „für die Bekämpfung der Covid-10-Pandemie und Abmilderung ihrer Folgen“ laut einem Monitoring-Bericht der Finanzverwaltung bis Ende August aus Landesmitteln erst 170,5 Millionen Euro ausgegeben.

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