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Gerd-Dietrich Schmidt (dritter von rechts) bei der Preisverleihung des Wirtschaftsverbands.

© Privat

Berliner ist „Familienunternehmer des Jahres“: Verantwortung als Geschäftsmodell

Gerd-Dietrich Schmidt hilft in seinen Duden-Instituten Kindern mit Lernschwächen. Jetzt wurde er zum „Familienunternehmer des Jahres“ gekürt.

Irgendwann dreht sich Gerd-Dietrich Schmidt auf seinem Stuhl und deutet mit dem rechten Zeigefinger zur Tür. Tja, wie weit ist die entfernt? „Drei, vier Meter“, schätzt er. Seine Klienten würden sagen: drei Kilometer.

Ziemlich klar, welche Probleme Schmidt lösen muss. Der Raum ist in weiches Tageslicht getaucht, in einem Wandschrank stehen Bücher wie „Kira und die Hexenschuhe“ und „Basiswissen Grundschule Mathematik“, auf einem Regal sind große Würfel aus Holzstückchen. An einem Tisch sitzt der ausgebildete Physik- und Mathematiklehrer Schmidt und sagt sanft: „Wir arbeiten nicht mit dem Schulstoff, wir fangen viel früher an.“

Mit den absoluten Grundlagen. Wie lernt man auf einfachste Weise lesen? Wie lernt man einfachste Weise rechnen? Solche Sachen.

Mehr als nackte Zahlen und Gewinn

Das Duden Institut für Lerntherapie in Potsdam liegt in einer idyllischen Seitenstraße, in einem wunderschönen Backsteingebäude, und am Ende eines Gangs des Instituts sitzt Schmidt, 60 Jahre alt, Brille, die Haare weiß. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Duden Institute. Inzwischen gibt es 50 in ganz Deutschland, sie sind Franchiseunternehmen – auch das in Potsdam. Die Zentrale des Unternehmens liegt in Berlin, sechs Institute in der Hauptstadt gehören Schmidt direkt.

Es ist Dienstag, einen Tag später wird Schmidt in Berlin vom Wirtschaftsverband „Die Familienunternehmer“ als „Familienunternehmer des Jahres“ ausgezeichnet. Inga Raunheimer, Regionalvorsitzende des Verbands, sagt in ihrer Rede, „dass Dr. Schmidts Unternehmen zeigt, dass Unternehmertum viel mehr als nackte Zahlen und Gewinn ist. Er beweist, dass Werte wie Verantwortung und Nachhaltigkeit nicht nur Geschäftsphilosophie, sondern Geschäftsmodell sein können.“

Das Geschäftsmodell ist im Grunde genommen einfach. In einem Duden-Institut werden die Klienten mit Rechen-, Lese-, Rechtschreib- oder Englischschwäche, meist Grundschüler der zweiten bis sechsten Klasse, so weit vorbereitet, dass die Schule mit ihren Mitteln wieder greift, Förderunterricht eingeschlossen. „Wir sind befristete Helfer“, sagt Schmidt. Eine Betreuung durch das Institut dauert selten länger als 18 Monate. 4200 Kinder sind derzeit an den Instituten.

Mischung aus Lern- und Verhaltenstherapie

Das Geschäftsmodell klingt einfach, aber dahinter steckt ein Apparat mit Didaktiklehrern für Deutsch und Mathematik, Psychologen, Psycho- und Sprachtherapeuten sowie Sozialpädagogen. Die Grundschüler, um die sie sich kümmern, haben keine Orientierungsfähigkeit, keine Vorstellung von Räumlichkeit, sie können die Uhr nicht lesen, sie können nur schwer mit Geld umgehen, sie haben kein Gespür für Mengen.

Und je mehr Lerndruck sie durch Eltern oder Schule spüren, umso introvertierter oder aggressiver werden sie. Viele Kinder sind emotional-sozial auffällig oder haben ADHS. Oft, sagt Schmidt, sei dies auch auf die Lernschwierigkeiten zurückzuführen. „Wenn die Kinder Lernerfolge haben, dann lässt oft auch die Verhaltensauffälligkeit nach.“

Die Arbeit am Institut ist deshalb auch immer eine Mischung aus Lern- und Verhaltenstherapie. Fast spielerisch werden die Klienten, die Grundschüler vor allem, an die Themen herangeführt. Probleme mit der Einschätzung von Mengen? Also backen und kochen die Therapeuten mit ihren Klienten. Die sollen lernen, entsprechende Mengen Salz oder Milch abzumessen.

Die Schüler kommen über Eltern, Jugendamt und Schulen

Probleme mit Zahlen? Schmidt holt eine Schale mit Holzstücken. Aufgabe für die Klienten kann nun sein: „Leg mal eine Fünf oder eine Sieben.“ So bekommt man eine Vorstellung von Struktur. Dann zieht er eine lange Stange her, zusammengesetzt aus zehn Holzstücken. „Eine Zehnerstange“, sagt er. Die Kinder können damit nun zum Beispiel eine Zwölf legen.

Die großen Würfel auf dem Regal sind 10 000er-Symbole. „Damit haben wir schon riesige Bauten errichtet“, sagt er. Die Methoden kann man übertragen, aufs Lesen, Schreiben, auf Englisch, immer plastisch, immer leicht verständlich.

Gerd-Dietrich Schmid ist Geschäftsführer der Duden-Institute.
Gerd-Dietrich Schmid ist Geschäftsführer der Duden-Institute.

© Promo

Die Schüler werden entweder von den Eltern direkt geschickt oder sie kommen über das Jugendamt, teilweise auch über die Schule. Die Eltern sind eingebunden, nach jeder Stunde sitzen sie mit Kind und Lerntherapeut im Zimmer und lassen sich von ihrem Kind zeigen, was es gemacht hat. 40 Therapiestunden im Jahr gibt es, Kosten: 2800 Euro, sofern nicht das Jugendamt die Finanzierung übernimmt. In den Ferien bietet ein Institut auch Intensivkurse an, drei Stunden pro Tag. Rund 30 000 Kinder, schätzt Schmidt, sind seit der Gründung der Institute betreut worden.

Das erste Franchiseunternehmen in Jena

1992 wurde das erste gegründet, als Ergänzung zu Schmidts Schulbuchverlag. Den hatte der Physik- und Mathematiklehrer, der in Physikdidaktik promoviert hat, kurz nach der Wende gegründet. Zusammen mit Andrea Schulz, die zu Kindern mit Rechenschwächen promoviert hatte, entwickelte er ein Konzept mit didaktischen, diagnostischen und therapeutischen Schwerpunkten, Grundlage der heutigen Institutsarbeit.

Der Bedarf war bald so groß, dass die Frage im Raum stand, wie sie ihre Ideen bundesweit verbreiten konnten. So entstanden die Franchiseunternehmen – das erste in Jena. Wer sich um ein Institut bewirbt, muss mindestens ausgebildeter Pädagoge oder Psychologe sein. Ein rigides Auswahlverfahren filtert die geeigneten Bewerber. Danach erhalten sie vom Institut eine einjährige Ausbildung zum Lerntherapeuten, mit einer Prüfung zum Abschluss, dazu kommen Fortbildungen und regelmäßig Fachtagungen.

Symbol für gute pädagogische Arbeit

Im Potsdamer Institut hängt ein Plakat an der Wand, mit Zeitungsausschnitten der Fußball-Superstars Ronaldo und Neymar. Daneben stehen feinsäuberlich handgeschrieben die Merkmale, die einen guten Fußballer auszeichnen. Ein Zwölfjähriger, begeisterter Kicker, hat das Werk angefertigt – Teil eines einwöchigen Intensivkurses. An dem hatten mehrere Kinder teilgenommen. Das Plakat steht als Symbol für gute pädagogische Arbeit.

Die Sprach- und Lerntherapeutin Corinna Schultheiss hatte sich um den Schüler gekümmert. Sie steht neben dem Plakat und seufzt: „Er hatte sehr wenig Lust zum Schreiben.“ Also überlegten sie gemeinsam, welches Thema ihm liegt. Fußball bot sich an. Nun sollte er schreiben, was einen Spieler auszeichnet. Die Liste ist lang. „Für ihn war das ein Erfolg“, sagt Corinna Schultheiss.

Seinen größten Erfolg feierte der Junge allerdings, als sich am Kursende alle Eltern mit ihren Kindern versammelt hatten. Der Zwölfjährige überwand sich und fasste Mut. Dann trug er sein Werk vor allen Zuhörern vor.

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