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Die Grünen-Politiker Christian Ströbele und Canan Bayram.

© picture alliance / dpa

Berliner Grüne Canan Bayram: "Zum Schutz von Mietern will ich enteignen"

Die Grünen-Politikerin Canan Bayram spricht im Interview über ihren Plan, Hans-Christian Ströbele als Abgeordnete zu beerben und darüber, warum sie Boris Palmers neues Buch nicht leiden kann.

Frau Bayram, wie groß empfinden Sie den Druck, das einzige grüne Direktmandat von Hans-Christian Ströbele zu verteidigen?

Es ist eine Herausforderung, aber auch eine Ehre. In diesem besonderen Wahlkreis gilt: alles bleibt anders. Dafür werbe ich bei den Wählern.

Sie sind bereits im Abgeordnetenhaus. Warum wollen Sie jetzt in den Bundestag?

Als Landesparlamentarierin stoße ich immer wieder an Grenzen, wo es ums Bundesgesetze geht. Beim Thema Bürgerrechte kann ich den Staatstrojaner nicht aus einem Landesparlament zurücknehmen. Auch in der Mietenpolitik brauchen wir auf Bundesebene bessere Gesetze, damit Mieter besser geschützt werden. Wir brauchen Veränderungen im Baugesetzbuch und ich will zum Schutz von Mietern auch enteignen können, insbesondere bei Spekulanten. Wenn es um den Bau von Autobahnen geht, enteignen wir ja auch.

Friedrichshain-Kreuzberg ist durch den Mauerfall zum Herzen der Stadt geworden. Muss man es da nicht akzeptieren, dass die Mieten langfristig steigen?

Das sehe ich explizit anders. Ich will nicht, dass wir Verhältnisse wie in Paris oder London bekommen, wo die Innenstädte komplett aussterben. Die soziale Mischung, wo Arme neben Reichen wohnen, ist das Besondere in Berlin. Zerstört man das, wackelt auch der sozialen Frieden in der Stadt.

In der Rigaer Straße eskaliert bereits regelmäßig die Gewalt. Wie kann man diese Zustände endlich befrieden?

Ich halte den Vorschlag der Stadtentwicklungssenatorin eines Runden Tisches für sinnvoll. Bei der Planung im Kiez sollen alle Interessierte eingebunden werden. In der Debatte um die Rigaer Straße geht es immer nur um die Gewaltdebatte, aber die dahinterliegenden sozialen Probleme kommen zu kurz. Das sind auch die Stimmen, die ich bei mir im Kiez höre.

Auf dem Bundesparteitag der Grünen haben Sie zum Tübinger Bürgermeister Boris Palmer gesagt, er solle einfach mal die Fresse halten. Warum?

Das ist eine Stimmung, die mir in meinem Wahlkreis so begegnet ist. Boris Palmer hat mit „Wir können nicht allen helfen“, ein Buch geschrieben, das uns nicht voranbringt. Wir müssen an einem neuen „Wir“ arbeiten, statt die Gesellschaft zu spalten. Palmers Buch hat einen Touch wie bei Sarrazin – wegen dem ich ja damals aus der SPD ausgetreten bin. Ich streite gern und für mich gehört zur Politik, dass man auch mal Klartext spricht und Grenzen aufzeigt.

Angenommen Sie kommen in den Bundestag. Wie wirkt sich das auf den Bezirk in den nächsten vier Jahren aus?

Ich denke, dass wir in vier Jahren die Straßenverkehrsordnung geändert und Gerechtigkeit auf der Straße auch für Fußgänger und Fahrradfahrer hergestellt haben. Es kommt nicht mehr
darauf an, woher jemand kommt, sondern was wir gemeinsam erreichen. Außerdem müssen wir die Verschärfungen bei den Bürgerrechten - den Staatstrojaner und die Vorratsdatenspeicherung - zurücknehmen und die Friedenspolitik im Sinne von Hans-Christian Ströbele stärken. Ich will, dass Ideen aus Friedrichshain-Kreuzberg weiterhin die Bundesrepublik und die ganze Welt verändern.

Dieses Interview erschien zuerst im Leute-Newsletter des Tagesspiegel aus Friedrichshain-Kreuzberg. Zur Anmeldung für unsere Bezirksnewsletter geht's hier.

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