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Kritisch, aber dankbar für die Aufmerksamkeit: Der ukrainisce Botschafter Andrij Melnyk.

© IMAGO/Eventpress

Berliner Gesellschaftsleben: Aufgeweckt mit einem Paukenschlag

Elisabeth Binder denkt, dass der Presseball eine schwierige Gratwanderung bestanden hat.

Fühlt sich so der Tanz auf dem Vulkan an? Am Tag danach wissen die Teilnehmer des Bundespresseballs es wohl immer noch nicht so genau. Mit einem Paukenschlag hat der Ball im Hotel Adlon in der Nacht zum Samstag das Berliner Gesellschaftsleben aus dem Pandemieschlaf aufgeweckt – und hat dabei gezeigt, dass vieles anders geworden ist.

Überraschende Dankesworte

Die Rolle des obersten Ehrengastes übernahm wie selbstverständlich der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk, der keinen Zweifel daran ließ, dass er seinen Hauptjob darin sieht, die Aufmerksamkeit für den schrecklichen Krieg in seinem Land am Leben zu halten. Die zahlreichen Dankesworte, die er für die ausführliche Berichterstattung darüber fand, wirkten fast überraschend aus dem Mund eines Diplomaten, der in letzter Zeit oft undiplomatisch gewirkt hat. Die Bilder des Krieges, verbreitet über soziale Medien, waren wohl auch auf den Smartphones der Anwesenden präsent.

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Befürchtungen, dass mancher Solidaritätsakt im Programm im festlichen Ambiente des Hotels Adlon am Ende peinlich wirken könnte, erwiesen sich als unbegründet. Die großartige Sandmalerin aus Odessa und die Gründerin des Charity-Projekts „Bake for Ukraine“ zeigten mehr noch mit Gesten als mit Worten, wie wichtig Aufmerksamkeit ist, und wie gut sie tut. Das unterstrich die stellvertretende Vorsitzende des Vereins der Auslandspresse, Nataliia Fiebrig. Die ukrainische Journalistin erzählte von einer Kollegin, die am Abend zuvor unter Raketenbeschuss in ihrer Wohnung gestorben sei.

Richtiges Signal

Dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Teilnahme abgesagt hatte und sich stattdessen aufs Spenden für die gute Sache beschränkte, war trotzdem wohl ein richtiges Signal, weil es ein in der Bevölkerung verbreitetes Gefühl aufgriff, dass die Zeiten nicht auf Feiern stehen. Dieser symbolhaften Geste des Staatsoberhauptes hätten die Bundesminister vielleicht nicht unbedingt folgen müssen. Natürlich weiß jeder Spitzenpolitiker, dass die Kombination vom Champagnerglas in der Hand und einem Lächeln auf dem Gesicht gegen ihn verwendet werden kann.

Guten Willen anerkennen

Eine so schwierige Zeit verlangt aber vielleicht mehr danach, ehrlichen guten Willen anzuerkennen, wo er da ist. Es geht bei solchen Veranstaltungen ohnehin meist nicht um ausgelassenes Feiern. Dazu eignen sich private Partys viel besser. Wie riesig der Hunger ist nach persönlichem Austausch, ließ sich freilich gut beobachten. Und es geht jetzt gleich weiter mit den Festlichkeiten.

Charity-Auktion der Bürgerstiftung

Am kommenden Freitag lädt die Berliner Bürgerstiftung zum Art Dinner mit Charity Auktion ein. Auch hier wird der Erlös unter anderem geflüchteten ukrainischen Kindern zugutekommen. Der beliebte Auktionator Kilian Jay von Seldeneck feierte auf dem Bundespresseball seinen Geburtstag. Hans-Bahne Hansen, der Berliner Mercedes-Chef, der als Sponsor an beiden Veranstaltungen beteiligt ist, gratulierte ebenso wie KPM-Chef Jörg Woltmann, der selbst die lange Zeit der Pandemie mit zwei Festen im letzten Jahr mutig aufgelockert hat.

Wielers Anwesenheit beruhigt

Dass der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, zum Ball gekommen war, mag manchen Gast beruhigt haben, der das tiefsitzende Gefühl nur schwer überwindet, es könne noch zu gefährlich sein, sich wieder in Gesellschaft zu begeben. Manches hat sich verschoben in den letzten zwei Jahren.

Ob es ein Tanz auf dem Vulkan ist, der zur neuen Normalität wird, das wird man wohl erst lange hinterher wissen.

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