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In der Invalidenstraße in Berlin-Mitte ereignete sich im Oktober 2019 ein Verkehrsunfall mit mehreren Toten.

© Kai-Uwe Heinrich

Update

Berliner Gericht entscheidet: Poller-Radweg statt Lieferzone auf Invalidenstraße ist rechtmäßig

Der Radweg an der Invalidenstraße darf gebaut werden, entscheidet das Verwaltungsgericht. Ein ansässiger Weinhändler hatte zuvor einen Eilantrag eingereicht.

Die Einrichtung eines mit Pollern geschützten Radfahrstreifens auf der Invalidenstraße in Berlin-Mitte ist "einstweilen nicht zu beanstanden". Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren am Mittwoch entschieden.

Der Antragsteller, Marcus Baumgart, betreibt seit 18 Jahren in der Invalidenstraße eine Weinhandlung. Bislang befand sich in der Nähe seines Geschäfts eine Lieferzone. Im Zuge des Umbaus der Invalidenstraße soll diese Lieferzone ebenso wegfallen wie Parkmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge zugunsten eines durch Poller abgegrenzten Radfahrstreifens. Die 11. Kammer hat seinen hiergegen gerichteten Eilantrag zurückgewiesen. Die Anordnung sei aller Voraussicht nach nicht zu beanstanden.

Im September hatte die gleiche Kammer des Verwaltungsgerichtes eine größere Zahl von Pop-Up-Radwegen in Berlin für rechtswidrig erklärt. Den Eilantrag hatten Abgeordnete der AfD gestellt. Die Verkehrsverwaltung hat die nächste Instanz angerufen, bis zu der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts dürfen die sogenannten Corona-Radwege bleiben. In der Invalidenstraße soll ein dauerhafter Poller-Radweg entstehen, das ist ein Unterschied. 

In der Invalidenstraße hatte ein Autofahrer vermutlich durch einen Krampfanfall im Oktober 2019 vier Menschen getötet, als er mit seinem Geländewagen auf den Gehweg raste. Nach dem Unfall hatte eine breite Debatte um mehr Sicherheit begonnen, es hatte sich eine eigene Bürgerinitiative gegründet. Der Bezirk hatte schnell zugesichert, die Situation zu verbessern – eben mit einem Radweg zwischen Brunnenstraße und Gartenstraße. Dafür entfielen die Parkplätze am Fahrbahnrand. Der Bau begann vor wenigen Wochen

Nach Angaben des Gerichts erlaube die Straßenverkehrsordnung den Straßenverkehrsbehörden, die Benutzung bestimmter Straßen aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs zu beschränken oder zu verbieten. Die gesetzlich geforderte Gefahrenlage sei hier gegeben und die besonderen Umstände machten die Maßnahme auch zwingend erforderlich.

ADAC: Betroffene Anwohner müssen besser eingebunden werden

Der ADAC forderte am Mittwoch, dass die von derartigen Projekten betroffenen Anwohner und Gewerbetreibenden mehr einbezogen werden. Seit Jahren und Jahrzehnten gebe es berlinweit keine Lösung für den Lieferverkehr, kritisierte Volker Krane, Verkehrsvorstand im ADAC Berlin-Brandenburg, bei der Vorstellung einer Studie zur Berliner Verkehrspolitik am Mittwoch. 

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Nach Angaben des Gerichts ist die Invalidenstraße in diesem Abschnitt einschließlich der Straßenbahnschienen lediglich 11,32 Meter breit. In der Vergangenheit sei es bei einer hohen Kfz-Belastung der Straße immer wieder zu Unfällen mit Radfahrern gekommen.

Der Radweg sei geeignet, diese Gefahren zu reduzieren, entschied das Verwaltungsgericht nun. Der Wegfall der Parkplätze führe zu einer größeren Übersichtlichkeit und damit zugleich zur Reduzierung der besonders folgenschweren sogenannten „Türöffner-Unfälle“.

Die zeitgleiche Beseitigung der Ladezonen sei verhältnismäßig. Zwar werde der Lieferverkehr für die Weinhandlung des Antragstellers erschwert; angesichts der in den Seitenstraßen vorgesehenen Ladezonen könne der Antragsteller weiterhin beliefert werden.

Ein Anspruch auf Beibehaltung optimaler Belieferungsmöglichkeiten bestehe nicht, stellte das Gericht fest. Gegen die Entscheidung ist bereits Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt worden. 

Gericht: Kein Anspruch auf optimale Belieferungsmöglichkeiten

Weinhändler Baumgart muss seine 800-Kilogramm-Paletten mit den Weinflaschen, die er mehrmals die Woche geliefert bekommt, durch den Wegfall der Lieferzone in der Nähe seines Geschäfts nun entweder auf der gegenüberliegenden Elisabethkirchstraße ausladen und über die Straße schieben – oder über den Gehweg von der Zone in der nahegelegenen Ackerstraße.

"Das grenzt an Geschäftsbehinderung. Viele Kunden parken auch hier, alte Leute kommen mit dem Taxi", sagt Baumgart dem Leute-Newsletter aus Mitte.

Er fühlt sich übergangen. Mit der Bürgerinitiative für mehr Verkehrssicherheit habe die Senatsverwaltung ausführlich diskutiert. "Die Händler wurden vor vollendete Tatsachen gestellt", sagt Baumgart.

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Nicht nur der Weinhändler ist betroffen. Der Radweg führt an mehreren Geschäften vorbei – darunter eine Apotheke, ein Supermarkt, ein Blumenladen, ein Späti und eine Fleischhandlung. Viele sind genervt von der neuen Situation.

Für Lieferwägen wurden nun vier extra Zonen eingerichtet – in der Acker-, der Berg- und der Elisabethkirchstraße. Letztere ist eine Spielstraße. Der Verkehrsverwaltung zufolge werden die bisherigen Lieferzonen damit kompensiert – "wenn auch verlegt", sagt Sprecher Jan Thomsen auf Nachfrage. "Für einige Händler:innen werden die Wege kürzer, für andere länger, teils bleiben sie gleich."

Dass die Invalidenstraße nun einen Radweg bekommt, habe nicht nur mit dem Unfall vor einem Jahr zu tun, erklärt Thomsen. Es käme immer wieder zu Fahrradunfällen. Ein Radweg mache auch Schulwege sicherer. Im Umfeld liegen die Papageno-Grundschule und mehrere Kitas. Außerdem sei ein Radweg eines der Hauptanliegen einer Petition aus dem Kiez gewesen, die mittlerweile 17.000 Unterschriften habe. Die hatte ein Familienvater nach dem Unfall gestartet.

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