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72 Meter über Schönefeld. Der BER-Tower ist seit dem Frühjahr 2012 in Betrieb. Die Lotsen arbeiten neben der Baustelle.

© Ralf Hirschberger/dpa

Berliner Flughafenbaustelle: Kommt es zu einer Teileröffnung des BER?

Michael Müller kann sich eine vorzeitige Inbetriebnahme des Flughafens vorstellen – vor Fertigstellung des Hauptterminals. Neu ist die Idee nicht.

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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat überraschend eine stufenweise Eröffnung des neuen Hauptstadt-Flughafens in Schönefeld ins Spiel gebracht. Und das nur wenige Wochen, nachdem der Oktober 2020 als neuer BER-Eröffnungstermin bekannt gegeben worden war.

Die Aussagen nähren Befürchtungen, dass auch dieser Eröffnungstermin ins Rutschen geraten könnte. Nach Tagesspiegel-Informationen verzögert sich aktuell tatsächlich das Ende der Bauarbeiten im Terminal auf den Jahreswechsel 2018/2019, was kalkulierte Puffer im Terminplan minimiert. Bislang sah der Bauplan ein Ende der Arbeiten im August 2018 vor.

„Vielleicht wird es eine schrittweise Eröffnung geben“, hat Müller nun in einem „Morgenpost“-Interview gesagt. Die Idee: Schon vor der Inbetriebnahme des Hauptterminals im Herbst 2020 könnten Passagiere im Billig-Terminal T1E im Frühsommer 2020 einchecken. „Politisch können wir uns das vorstellen.“

Brandenburg ist von Müllers Vorstoß überrascht

In der Geschichte des Milliardenprojektes waren Teilinbetriebnahmen immer wieder Thema – etwa in Zeiten von Flughafenchef Hartmut Mehdorn. Der hatte einst dem „Spiegel“ erzählt: „Wir überlegen, zum Jahresende mit einem Probebetrieb am Pier Nord zu starten. Vielleicht nur mit zwei kleinen Airlines, 1500 Fluggästen, sechs oder acht Flugzeugen am Tag.“ So könne man testen, wie etwa die Gepäckabfertigung funktioniere. Und weiter: „Ich persönlich glaube schlicht nicht, dass es möglich ist, BER von null auf hundert in einer Sekunde zu starten.“ Der Wortbeitrag stammt aus dem Jahr 2013.

Fünf Jahre später taucht nun wieder der Gedanke einer BER-Teileröffnung auf. Überrascht auf die aktuellen Aussagen Müllers, der bis Frühjahr 2017 immerhin Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft war, reagierte Brandenburg als zweiter BER-Haupteigner. „Uns sind keine aktuellen Planungen in diese Richtung bekannt“, sagte Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke) am Sonntag dem Tagesspiegel.

Er verwies auf Aussagen von Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup im Brandenburger Landtag vor wenigen Tagen, wo der BER-Chef den Eröffnungstermin im Oktober 2020 bekräftigt und von einem Umzug des Flughafens Tegel nach Schönefeld in zwei Schritten „innerhalb von 14 Tagen“ gesprochen hatte.

Lütke Daldrup spricht sich bisher gegen eine Teileröffnung aus

Auch hierzu lohnt ein Blick ins Archiv: Zur einst geplanten BER-Eröffnung im Juni 2012 hätte der Umzug in einer Nacht stattfinden sollen – mit einer komplett gesperrten Stadtautobahn zwischen TXL und BER. 600 Lkw wären nachts im Einsatz gewesen. Lange her, alles verflogen. Jetzt blickt Berlins Regierender ebenfalls auf das Nord-Terminal T1E, das für sechs Millionen Passagiere neben dem Nordpier bis Frühjahr 2020 errichtet wird – und somit früher fertig wäre als das Hauptterminal. „Die Experten müssen aber entscheiden, ob das fachlich Sinn macht“, sagte Müller der „Morgenpost“.

Zu den Experten gehört Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup, der vor dem Wechsel zum Flughafen BER-Koordinator im Roten Rathaus war. Er hatte solchen Überlegungen auch im Zusammenhang mit den etwa von Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erhobenen Forderungen nach einem „Plan B“ bislang eine Absage erteilt.

Hofreiter hatte im Dezember dem Tagesspiegel gesagt: „Man sollte in Schönefeld einfache Low-Cost-Terminals im Umfeld bauen. So könnte man den BER schon teilweise in Betrieb nehmen, auch ohne Hauptterminal. Mit der Teileröffnung könnte man den Flugverkehr in der Hauptstadt absichern und Tegel entlasten. Auch in Tegel wurden ja nachträglich einfache, aber funktionelle Erweiterungen gebaut. Was dort funktioniert hat, sollte auch am BER gehen.“

Flughafengesellschaft: "An unseren Planungen hat sich nichts geändert"

Die Idee: An die fertiggestellten Nord- und Südpiers von BER könnten preiswerte Leichtbauhallen für die Abfertigung angedockt werden. Zusammen mit dem Erweiterungsterminal 1-E und Schönefeld-Alt könnte der Airport in Betrieb genommen werden. Die Flughafengesellschaft bemühte sich nach der Intervention der Politik um ein diplomatisches Dementi. „An unseren Planungen hat sich nichts geändert“, sagte Flughafensprecher Hönemann. „Die Eröffnung des BER ist im Oktober 2020.“

Sollte sich herausstellen, dass etwas früher fertig werde, könne man dies in Überlegungen einbeziehen. Hinzu kommt, dass auch das Frühjahr 2020 als Fertigstellungstermin für das neue Terminal für Billigairlines, das die Flughafengesellschaft für 100 Millionen Euro errichten will, bislang nur auf dem Papier steht – es gibt noch keinen Bauantrag und erst recht keinen Bauauftrag. Der Zeitplan ist ehrgeizig. Im Tagesspiegel hatte Lütke-Daldrup jüngst angekündigt, für das Ausbauprogramm zur Erweiterung des zu kleinen BER eine Projekt- und Baugesellschaft gründen zu wollen.

SPD-Experte: "Großes Risiko, dass mega-komplexe Technik nicht funktioniert"

Die Gedanken in der Flughafen-Politik gehen aber weiter. Denn falls der BER auch im Herbst 2020 nicht eröffnet werden kann, müsse man über bauliche Alternativen nachdenken – und zwar sofort. Das sagt der Berliner SPD-Flughafenexperte Jörg Stroedter. Nicht die endgültige Finanzierung des Airports sei das größte Problem, sondern das Risiko, „dass die Genehmigungsbehörde in Brandenburg in zweieinhalb Jahren die grünen Stempel verweigert“, hatte Stroedter dem Tagesspiegel gesagt – vor den neuen Aussagen von Michael Müller.

Denn erst im Frühjahr 2020, so Stroedter, sei nach dem geltenden Zeitplan klar, ob der Bau des Terminals vom Landratsamt Dahme-Spree abgenommen werde. „Und wenn nicht – was dann?“ Wenn es dazu käme, so Stroedter, müssten Berlin, Brandenburg und der Bund vorbereitet sein, um den Flughafen innerhalb eines halben Jahres auch ohne funktionierendes Hauptterminal zum Winterflugplan 2020/21 eröffnen zu können.

Noch ist es eine Minderheit in der rot-rot-grünen Koalition, auch wenn dem Vernehmen nach Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen diese Forderung nicht abwegig findet. Mitte Februar, nach den Winterferien, wird sich der Koalitionsausschuss von SPD, Linken und Grünen erneut mit der endgültigen Finanzierung des Flughafens BER, aber auch mit einem Notfallplan beschäftigen. Der SPD-Mann Stroedter leitet den Beteiligungsausschuss des Abgeordnetenhauses.

Die Fifty-Fifty-Chance

Stroedter nennt es einen „Vorsorgeplan“, auf den die Gesellschafter nicht verzichten dürften. „Die öffentliche Debatte darüber müssen wir aushalten.“ Das Hauptterminal sei seit Jahren im Reparaturbetrieb. Flughafenchef Lütke Daldrup mache gewiss eine sehr gute Arbeit, „aber das Risiko, dass die mega-komplexe Technik letztlich nicht funktioniert, ist groß“. Der SPD-Politiker schätzt die Chance, dass das Hauptterminal im Herbst 2020 eröffnet wird, als „fifty-fifty“ ein. Dies einfach so hinzunehmen, sei ein Lotteriespiel.

Der Beteiligungsausschuss des Abgeordnetenhauses wird am 15. März, gleich nach der BER-Aufsichtsratssitzung, eine weitere Anhörung veranstalten. Geladen sind neben Bretschneider, Lütke Daldrup und Finanz-Vorstand Heike Fölster ein Vertreter der finnischen Baufirma Caverion (zuständig für die Sprinkleranlage) und der Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa.

Dann geht es auch noch mal um die Restfinanzierung des Terminals. Stroedter geht davon aus, dass die drei Gesellschafter noch einmal für jeweils etwa 200 Millionen Euro bürgen müssen. „Eine direkte Finanzspritze wird es eher nicht geben.“

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