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Rödgers Notfallpaket: Desinfektionsmittel und vorgetränkte Tücher, Sprühmittel und Shampoos

© Lysoform

Berliner Firma im Kampf gegen Coronavirus: „Viren haben kein Wochenende“

Wenn Krankenhäuser sich gegen das Coronavirus wappnen, rufen sie Jan-Philipp Rödger an. Sein Fachgebiet: Desinfektionsmittel.

Jan-Philipp Rödger ist auf alles gefasst. Für seine Kunden, Firmen aus Deutschland, Pakistan oder Indien, hat er eine Notrufnummer eingerichtet – seine eigene Handynummer, unter der er Tag und Nacht erreichbar ist. So nimmt Rödger auch am frühen Freitagabend einen Anruf an. Das Deutsche Rote Kreuz.

Sie bitten Rödger, sich bereit zu halten für Nachschub, aber für Notfälle sei er immer im Bereitschaftsdienst. „Viren haben kein Wochenende“, sagt er. Rödger ist Geschäftsführer der Firma Antiseptica, sein Vater Hans-Joachim Rödger leitet die Berliner Mutterfirma Lysoform. Beide sind auf Desinfektionsmittel spezialisiert.

Am Sonntag sind 20 deutsche Rückkehrer aus Wuhan in Berlin eingetroffen, das Deutsche Rote Kreuz (DRK) stellt sie für 14 Tage in einer Köpenicker Klinik unter Quarantäne. Also bat die DRK Rödger vorab, ein Allround-Paket mit Desinfektionsmitteln zusammenzustellen.

Eigentlich war das Lager schon geschlossen, aber der 41-Jährige fährt nach Steglitz ins Lager der Firma Lysoform; er lädt Desinfektionsmittel für Hände und Flächen in seinen Wagen, vorgetränkte Tücher, Sprühmittel, Reinigungsschaum, Shampoos und Hautcremes, insgesamt 20 Rationen, ausreichend für etwa eine Woche. „Das Auto war komplett voll.“ Er fährt die Produkte persönlich, das betont er, am Samstagmorgen zu einem DRK-Sammelpunkt in der Nähe des Flughafens Schönefeld. Von dort aus wird das Paket nach Köpenick geliefert.

„Hände sind der häufigste Übertragungsweg für alle Bakterien und Viren“

„Hände sind der häufigste Übertragungsweg für alle Bakterien und Viren“, sagt Rödger. Also spezialisierten Rödger und sein Vater sich auf entsprechende Desinfektionsmittel. „Das ist auch unser Bestseller“, sagt er.

Die Firma Lysoform, die sein Vater leitet, schult Mitarbeiter von Krankenhäusern und Pflegewohnheimen auch darin, wie man Hände richtig desinfiziert. „Das Training und das Bewusstsein, warum Hände überhaupt desinfiziert werden müssen, fehlt”.

20 Rückkehrer aus Wuhan brachte diese Bundeswehr-Maschine zurück nach Berlin Tegel.
20 Rückkehrer aus Wuhan brachte diese Bundeswehr-Maschine zurück nach Berlin Tegel.

© AFP

Inwiefern Desinfektionsmittel vollkommen gegen das Coronavirus schützen, ist noch nicht untersucht. Dazu müsse man die Viren anzüchten und testen. „Dazu ist das Coronavirus zu neu“, sagt Hans-Joachim Rödger. Der 71-Jährige ist Arzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie.

„Händedesinfektion ist besser als Händewaschen“

Die Wirksamkeit von Desinfektionsmittel ziehe man aus Schlüssen vom Umgang mit ähnlichen Viren. Das Coronavirus sei „behüllt“, sagt Rödger Senior, das heißt: Eine Lipidschicht umhüllt den Gen-Kern. „Die behüllten Viren sind chemisch leichter zu deaktivieren als unbehüllte“, sagt er.

Bei denen reiche es, die Hülle anzugreifen. Dann können sich die Viren nicht mehr in einer Zelle vermehren. „Verblüffend, oder?“, sagt Rödger. „Genau andersrum als man denkt.“

Dazu brauche man das richtige Desinfektionsmittel. Nicht jedes wirkt gleich, sagt Hans-Joachim Rödger. „Ethanol ist hochwirksam gegen Viren.“ Er verfügt über ein breites viruzides Spektrum, das heißt: Er tötet viele Viren ab. Gleichzeitig ist Ethanol auch am verträglichsten für die Haut, eignet sich für Hände und für Oberflächen.

Who you gonna call? Jan-Philipp Rödger und sein Vater Hans-Joachim sind Experten für Desinfektionsmittel
Who you gonna call? Jan-Philipp Rödger und sein Vater Hans-Joachim sind Experten für Desinfektionsmittel

© privat

„Schnaps reicht leider nicht aus“, sagt Rödger und lacht, erforderlich seien etwa 81 Volumenprozent – etwa hochprozentiger Absinth. Das reiche für den normalen Haushalt aus. Für Normalverbraucher empfehle er Produkte, die vom Robert-Koch-Institut gelistet sind.

Jan-Philipp Rödger erklärt, wie man vorgehen sollte. Handflächen innen und außen benetzen, auch die Fingerspitzen, dann 30 bis 60 Sekunden einwirken lassen.

„Händedesinfektion ist besser als Händewaschen“, sagt er. Das Wasser trockne die Haut aus, auch Seife sei oft zu aggressiv. „Und danach trocknet man nicht richtig die Hände ab.“ Bei Desinfektionsmittel für Hände habe man das Problem nicht. „Mit einem guten Rückfetter kann sich eine Krankenschwester 50 bis 60 Mal die Hände desinfizieren, ohne Hautprobleme zu haben.“

"Es geht nicht darum, das Produkt herumzuschütten wie verrückt"

Gleichzeitig warnen die Rödgers vor grundlos übermäßigem Gebrauch. „Leute, die ihre ganze Wohnung mit Alkohol einsprühen – das ist gefährlich. Vor allem, wenn Kinder im Haus sind“, sagt Jan-Philipp Rödger. „Wäre ich immungeschwächt und mein Partner hätte die Grippe, dann würde ich mich desinfizieren.“

Wer aber nicht gefährdet ist, brauche sich nicht zu desinfizieren. „Es geht nicht darum, das Produkt herumzuschütten wie verrückt, sondern dann anzuwenden, wenn’s notwendig ist“, ergänzt sein Vater. Deshalb rate er auch davon ab, sich übermäßig einzudecken. „Eine Flasche Desinfektionsmittel für den Fall des Falles, das reicht.“

Während man in China Desinfektionsmittel an Geschäfte sprüht, reicht hierzulande Händewaschen und desinfizieren.
Während man in China Desinfektionsmittel an Geschäfte sprüht, reicht hierzulande Händewaschen und desinfizieren.

© dpa

Das Geschäft mit Desinfektionsmitteln boomt laut Rödger jedenfalls. Mit seiner Firma Antiseptica belieferte er auch die Kaserne im rheinland-pfälzischen Germersheim, wo Anfang Februar bereits mehrere Rückkehrer aus China einquartiert wurden. Obwohl das Geschäft gut läuft, kritisiert Rödger die Vorratshaltung von Desinfektionsmitteln in deutschen Kliniken.

„Die Mengen an Desinfektionsmittel im Krankenhaus oder im Altenheim sind einfach zu wenig“, sagt Jan-Philipp Rödger. Es könne nicht sein, dass Krankenhäuser erst mit dem Ausbruch des Coronavirus mehr bestellen. „Die sollten eigentlich voll ausgerüstet sein“, sagt Rödger.

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