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„Man muss tief zu seinem inneren Kern vordringen und herausfinden, wer man ist", erläutert Schiller sein Erfolgsgeheimnis.

© Foto: Mike Wolff

Berliner Elektromusiker Schiller: In der Stille liegt die Kraft

Er ist ein Weltstar und reicht doch höflich Wasser: Zu Besuch im Studio von Christopher von Deylen, besser bekannt als Schiller.

Vor der Tür lärmt eine Baustelle. Ein Bagger, zwei Schlaghammer, fünf Bauarbeiter toben sich auf dem Gewerbezentrum am Salzufer in Moabit aus. Im vierten Stock jedoch, hinter einer dicken, grauen Stahltür, herrscht Stille. Willkommen im Reich des Elektromusikers Schiller.

Locker an die Bar gelehnt, eine einfache Holzkonstruktion, mit einer Kaffeemaschine versehen, steht der Produzent im Eingangsbereich seines Berliner Tonstudios. Neben dem 48-Jährigen sitzt sein Manager auf einem Barhocker. Handschlag, Tour durch die Örtlichkeiten.

In diesem Berliner Studio hat Schiller sein neues Album „Morgenstund“ aufgenommen, das vor wenigen Wochen auf Platz eins der deutschen Charts eingestiegen ist. Eine Erfolgsgeschichte, die Schiller selbst manchmal nicht glauben kann.

Durch Zufall begann seine Karriere in den neunziger Jahren in Berlin, als der Hamburger über seine Eltern den Berliner Musikverleger Peter Meisel kennenlernte. Meisel war begeistert von Christopher von Deylen, wie Schiller mit bürgerlichen Namen heißt. Nach vielen Jahren der Arbeit in Tonstudios folgte 1999 der erste Hit „Das Glockenspiel“. In seiner Karriere konnte er seitdem sechs Nummer-eins-Alben verzeichnen.

Von der Kaffeebar geht es durch einen Proberaum mit meterhohen Decken in einen Aufnahmeraum. Dort wirkt alles, wie Hollywood es oft verkauft: Riesige Mischpulte, ein Sofa und Lampen mit schweren Schirmen zieren den Raum. In seinem Kreativ-Space produziert Schiller modernen Elektropop für Menschen ab 30, jenseits des Berghains und der Berliner Clubkultur. Er sitzt vor einem der Mischpulte in einem schwarzen engen Sakko, darunter ein schwarzes T-Shirt zu schwarzer Jeans und schwarzen Lederschuhen. Auch die Brille ist schwarz.

Vieler seiner Platten sind in Berlin entstanden

Schon im Alter von sechs Jahren musste Christopher von Deylen Klavierunterricht nehmen. „Mein Opa hat mir ein Klavier geschenkt. Das war toll, um Krach zu machen. Das war’s aber auch.“ Er sträubte er sich gegen den Unterricht und somit auch gegen die Musik. 1982 dann, mit zwölf Jahren, entdeckte er die Berliner Elektroband Tangerine Dream, die alles änderte. Christopher begann, den Berlinern nachzueifern. Die Faszination für Elektronikmusik war geweckt.

Stiller spielt am 8. Juli 2014 in Berlin beim Classic Open Air auf dem Gendarmenmarkt.
Stiller spielt am 8. Juli 2014 in Berlin beim Classic Open Air auf dem Gendarmenmarkt.

© Paul Zinken/dpa

Viele seiner Platten, wie „Berlin Moskau“, „Sonne“ und „Mitternacht“, sind in Berlin entstanden. Am 25. Mai spielt er ein Konzert in der Mercedes Benz Arena. Mit dem Konzert feiert Schiller die deutsche Hauptstadt als eine seiner Inspirationsquellen: „Berlin war mir lange Zeit zu alternativ. Irgendwann wusste ich aber genau das zu schätzen.“ Mitte der nuller Jahre zog Schiller nach Friedrichshain. Heute ist er allerdings nur noch zum Arbeiten in der Stadt, meist bereist er die Welt und lebt aus dem Koffer.

Heute arbeitet Schiller mit großen Stars zusammen

Verloren hat sich Schiller selten, auch nicht in wilden Nächten in Berliner Clubs, dafür umso öfter selbst gefunden. Wie hat er das geschafft? „Man muss tief zu seinem inneren Kern vordringen und herausfinden, wer man ist. Und nicht, wer man sein möchte. Dann findet man seinen Platz, seine Nische in der Welt.“

Heute arbeitet Schiller mit großen Stars zusammen. Künstler wie Nena, die auf dem Titelsong über Selbstfindung singt, Pink-Floyd-Drummer Gary Wallis, Rebecca Ferguson oder auch Legenden wie Mike Rutherford von Genesis, Bassist Doug Wimbish oder die persische Dotar-Spielerin Yalda Abbasi kommen auf „Morgenstund“ zusammen.

Der Erfolg scheint Schiller nicht zu Kopf gestiegen zu sein, ganz im Gegenteil. Immer wieder fragt er höflich nach, ob es noch etwas Wasser sein dürfte. Es scheinen tatsächlich Gegensätze zu sein, die sich hier anziehen: das raue, schroffe Berlin und der ruhige, höfliche Erfolgsproduzent. Für das neue Album hat sich Schiller in Berlin auch einen lang gehegten Wunsch erfüllt: Eine Session mit Tangerine Dream, den Helden seiner Jugend. Ohne sie würde es Schiller wohl heute nicht geben.

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