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Im Leih-Scooter bald inklusive: Der Verleiher Tier präsentierte am Montag in Berlin einen Roller mit einer elektronisch gesicherten Box, die so einen faltbaren Helm enthält.

© Kevin P. Hoffmann

Berliner E-Scooter-Vermieter Tier: Wie ein neuer E-Roller Fahrer vor Unfällen schützen soll

Das Berliner Start-up Tier Mobility bringt im September einen Roller mit besonderen Eigenschaften auf Europas Straßen. Und eine neuartige Stromtankstelle

Eine Klingel gab es schon, bald haben die Roller auch Blinker und einen Sturzhelm an Bord: Das Berliner Mobilitäts-Start-up Tier Mobility möchte mit einer Offensive für mehr Sicherheit im Straßenverkehr seine europäische Marktführerschaft beim Leihen von Elektro-Tretrollern festigen. Das erklärte Tier-Gründer Lawrence Leuschner am Montag bei der Präsentation seines neusten Roller-Fabrikats in der Firmenzentrale in einem Hochhaus am Potsdamer Platz.

Knapp zwei Jahre seit der Gründung und gut eines nach der Zulassung der Roller für den Straßenverkehr in Deutschland ist offenbar noch nicht ausgemacht, ob diese Fahrzeugkategorie – auch E-Scooter genannt – sich dauerhaft etablieren wird. Kurz nach der Zulassung im Juni 2019 schienen größere Teile der Bevölkerung mit diesem neuen Verkehrsmittel überfordert: In den Innenstadtbezirken wurden Roller kreuz und quer auf den Geh- und Fahrradwegen abgestellt und so zum Hindernis.

Auch dokumentierten die Medien Fälle von Vandalismus, beziehungsweise Unfälle durch ungeübter Fahrer. Zudem dominierten negative Erfahrungsberichte aus den USA, wo die Scooter schon länger zugelassen sind, die Schlagzeilen und nährten Zweifel an der sozialen und ökologischen Verträglichkeit dieser Fahrzeuge.

So müssen Tier-Mitarbeiter (anders als Kollegen anderer Firmen in Amerika) zwar keine Roller abends mit dem Lieferwagen einsammeln, um diese in der privaten Wohnung über Nacht mit Strom aufzutanken. Wie die Konkurrenten habe aber auch Tier die Roller zunächst zum Laden in ein Lagerhaus vor den Toren der Stadt fahren müssen, bestätigte Leuschner. Mit der Einführung einer Austausch-Batterie im Oktober 2019 nahm das Unternehmen schrittweise Abschied von dieser teuren und ökologisch fragwürdigen Praxis. Bei immerhin 90 Prozent seiner Roller könnte Tier nun an Ort und Stelle die Batterien wechseln. „Somit haben wir unseren CO2-Ausstoß um rund 50 Prozent gesenkt“, sagte Leuschner.

Tier-Mobility-Gründer Lawrence Leuschner präsentiert in Berlin die neuste Scooter-Generation: Sie verfügt über Blinker und eine Box, in der sich ein vollwertiger Schutzhelm befindet.
Tier-Mobility-Gründer Lawrence Leuschner präsentiert in Berlin die neuste Scooter-Generation: Sie verfügt über Blinker und eine Box, in der sich ein vollwertiger Schutzhelm befindet.

© Kevin P. Hoffmann

Der Winter und der Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr nahmen etwas Tempo aus der Debatte, da Anbieter wie Tier, Lime, Bird oder Circ ihre Roller zunächst von den Straßen holten – in Erwartung, nun würden sie nicht gebraucht. Tatsächlich aber habe man schnell eine steigende Nachfrage registriert, da viele Pendler offenbar eine Alternative zu Bussen und Bahnen suchen. Auch Land Berlin und Bezirke haben sich mittlerweile besser auf die neuen Roller eingestellt und Zonen definiert, in denen diese nicht abgestellt werden dürfen, beziehungsweise abgestellt werden müssen.

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Tier hatte im Februar den Anbieter Coup - eine Tochter von Bosch - übernommen, beschäftigt mittlerweile rund 500 Mitarbeiter und hat nach Angaben des Gründers rund 46 000 Roller in 70 Städten Europas verteilt. 2000 der Scooter stehen innerhalb des Berliner S-Bahn-Ringes. Damit es noch mehr werden, geht Tier in die Offensive mit einem Produkt, das sich von den Fahrzeugen der Konkurrenz merklich unterscheidet: Ab Dienstag kommender Woche führt Tier zunächst in der finnischen Stadt Tampere einen Roller ein, der über Blinker an der Lenkerstange verfügt und einen faltbaren Helm. Noch im September sollen die ersten Roller dieses Typs auf die Straßen in zehn deutschen Städten kommen, darunter auch Berlin.

Tier-Gründer Lawrence Leuschner am Montag bei der Präsentation seines neuen Rollers, der im September auch nach Berlin kommen soll.
Tier-Gründer Lawrence Leuschner am Montag bei der Präsentation seines neuen Rollers, der im September auch nach Berlin kommen soll.

© Kevin P. Hoffmann

Der Schutzhelm ist – samt einem Haarnetz – in einer Box an der Lenkerstange verstaut, die Kunden über die Tier-App entsperren. Das Modell des Pariser Herstellers Overade lässt sich mit zwei bis drei Handgriffen auseinander- beziehungsweise zusammenfalten und sei „kein Spielzeugprodukt“, wie Leuschner betonte, sondern ein vollwertiger und solider Kopfschutz. „Wir hoffen, dass wir mit Helm und Blinkern einen positiven Druck auf die anderen Anbieter auslösen, unserem Beispiel zu folgen“, sagte er. Man sei bereit, dieses Konzept auch den Wettbewerbern bereitzustellen. Gratis dürfte dies nicht sein, da sich Tier das Konzept gerade patentieren lässt.

Und noch eine Neuerung dieser Berliner Firma soll helfen, die E-Scooter auf den Straßen zu etablieren. So wird Tier bei Partnern im Einzelhandel und der Gastronomie kleine Ladestationen deponieren. Es handelt sich um Module in der Größe von drei bis vier Getränkekisten, die jeweils vier Wechselbatterien enthalten, die etwa sieben Kilogramm schwere sind. Kunden, die eine leere Batterien aus ihrem Roller gegen eine geladene austauschen, werden mit Guthaben im Wert einer Freifahrt belohnt.

Händler oder Café-Betreiber, die diese Ladestationen aufstellen, erhalten den Strom bezahlt, aber zunächst kein Extrageld – dafür aber vielleicht Rollerfahrer als Kunden. „So schaffen wir es, eine neue Ladeinfrastruktur aufzubauen, ohne dafür auch nur ein neues Stromkabel verlegen zu müssen“, warb Leuschner.

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