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Das Interview mit Theresa Brückner ist ein Auszug aus dem Ringbahn-Podcast "Eine Runde Berlin".

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Berliner Digitalpfarrerin Theresa Brückner: „Man sollte sich aktuell wirklich in Liebe begegnen“

Ein Gespräch über Weihnachten in der Pandemie, Nächstenliebe im Netz, Sexismus in der Kirche und die Frage, warum Gott kein alter, weißer Mann ist.

Frau Brückner, wie blicken Sie in diesem Jahr auf das Weihnachtsfest?

Beruflich wird es eine totale Herausforderung. Ich werde einen oder mehrere Gottesdienste halten, wahrscheinlich draußen mit unterschiedlichen Stationen, an denen wir Musik haben, ein Krippenspiel per Beamer zeigen, die Weihnachtsgeschichte lesen oder – wenn wir nicht zu viele sind – mit Abstand und Maske „Oh du Fröhliche“ am Feuer singen. Außerdem wollen wir Giveaways verteilen und Sterne an den Weihnachtsbaum hängen, auf die Leute ihre Hoffnungen schreiben können. Aber wir planen aktuell so, dass es sein kann, dass vorher nochmal alles umgeschmissen oder abgesagt wird und nichts mehr stattfinden kann.

Und privat?

Dass Leute wirklich einsam sind, schmerzt mich am meisten – gerade auch bei uns in der Familie. Ich weiß nicht, ob wir meinen Papa zu Weihnachten sehen können, weil er im Krankenhaus arbeitet und regelmäßig mit Corona-Patientinnen und -Patienten zu tun hat. Für unser aller Schutz ist es sinnvoll, dass wir uns nicht sehen. Meine Oma ist im Pflegeheim. Wir waren seit Februar nicht mehr in ihrem Zimmer. Und so geht es ja ganz vielen.

Ich finde es wichtig zu akzeptieren, dass diese Zeit bei allen so extrem ist. Jeder ist gerade in einem emotionalen Tal, weil es keinen richtigen Fixpunkt gibt, auf den man sich freuen kann. Deshalb sollte man sich aktuell auch wirklich in Liebe begegnen.

Als Digitalpfarrerin halten sie Gottesdienste via Zoom und machen Seelsorge bei Instagram. Wie klappt das?

Ich habe oft erlebt, dass ich Leute zwei, drei Jahre über Instagram kannte, und als wir uns zum ersten Mal getroffen oder telefoniert haben, war es, als würden wir uns völlig normal kennen. Außerdem kann man schnell in Kontakt treten. Die sozialen Netzwerke bieten eine Mischung aus Persönlichem und Anonymität. Das ist für viele eine wunderbare Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen.

[Das Interview ist ein Auszug aus dem "Tagesspiegel-Checkpoint"-Podcast "Eine Runde Berlin". Die ganze Folge finden Sie auf SpotifyApple Podcasts oder Tagesspiegel.de]

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Sie wurden im Netz als Selbstdarstellerin bezeichnet und aufgefordert eine Taufe nackt durchzuführen.

Das kam so extrem erst mit der Stelle als Digitalpfarrerin. Ich habe das Jahr 2019 genutzt, um mich damit auseinanderzusetzen und mich mit Frauen in Kontakt begeben, die in der Öffentlichkeit stehen und solche Nachrichten regelmäßig bekommen. Mittlerweile ist es mir ehrlich gesagt egal. Man hat sich irgendwie daran gewöhnt…

Was schlimm ist…

…was schlimm ist. Auf jeden Fall. Aber es tangiert mich nicht mehr. Manchmal mache ich noch Screenshots, weil mir Leute nicht glauben, dass sowas kommt. Sexismus hat per se leider nicht nur etwas mit Kirche zu tun, sondern ist gesellschaftlich etabliert. Wenn du dich als Frau in die Öffentlichkeit begibst, hast du immer verloren, weil mit Frauen viel zu sehr umgegangen wird, als wären sie Objekte.

Sie haben mal gesagt, dass Kirche Vorreiterin in Sachen Feminismus werden sollte.

Ich finde, gerade beim Thema Sexismus und Feminismus, kann Kirche wirklich auch einen Schutzraum bieten. Ich darf als Pfarrerin offen darüber reden, was sexistische Sprüche für mich bedeuten. Andere Frauen können das in ihrem Beruf nicht. Das schreiben sie mir auch oft.

Interview in der Ringbahn: Tagesspiegel-Redakteurin Ann-Kathrin Hipp im Gespräch mit Theresa Brückner.
Interview in der Ringbahn: Tagesspiegel-Redakteurin Ann-Kathrin Hipp im Gespräch mit Theresa Brückner.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

2020 war für viele ein Krisenjahr: Mit welchen Sorgen haben sich die Menschen an Sie gewandt?

Gerade im ersten Lockdown wurde ich unglaublich viel zu den Themen Krankheit und Sterben gefragt. Die Leute haben sich Sorgen gemacht, hatten Angst. Was ich als einen der wichtigsten Punkte erlebe, ist, dass die Möglichkeit Abschied zu nehmen, gerade ganz stark eingeschränkt ist. Zum Teil dürfen die Leute nicht ins Krankenhaus. Zum Teil laufen die Abschiede über einen letzten Videoanruf. Das verändert den Trauerprozess enorm und muss gut begleitet werden. Für mich heißt das in allererster Linie da zu sein, mit den Menschen ins Gespräch zu gehen und ihnen zu signalisieren, dass Trauer nichts ist, was nach drei Monaten vorbei ist. In unserer Leistungsgesellschaft geht es oftmals darum, dass man funktioniert. Das kann man aber im Zusammenhang mit Trauer nicht immer.

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Christinnen und Christen verbindet der Glaube an das Leben nach dem Tod…

Ich weiß für mich, dass ich ohne diese Hoffnung und ohne diesen Glauben nicht leben könnte. Ich habe schon zu viele Leute in meinem engsten Umfeld verloren. Wenn ich wüsste, dass ich sie nie wiedersehen würde – und bei zwei Leuten sind Dinge einfach noch ungeklärt – würde mich das echt kaputt machen.

Haben Sie sich dieses Leben danach mal ausgemalt?

Es ist auf keinen Fall voll mit diesen Wolken. Das ist zu klischeehaft und passt auch nicht. Wenn mich Leute fragen, wie es mit dem Himmel ist, sage ich immer: Nimm dir die schönste Situation in deinem Leben und stell dir vor, so ist es immer. Nimm dir den liebsten Ort, den du hast, und so ist es. Ohne dass man zwischendrin Ärger oder Stress hat, auf die Toilette muss oder krank wird. Ich denke am Meer ganz oft: Das müsste für mich im Himmel auf jeden Fall gleich erreichbar sein.

Wenn die Wolken ein Klischee sind, ist Gott dann auch kein alter, weißer Mann?

Nein, auf keinen Fall. Dann hätte ich ein echtes Problem. Leute sind total oft verunsichert, wenn man Gott mit sie anspricht. Gerade in der Gebetssprache. Aber Gott ist wenn dann geschlechtslos und mal Mutter und mal Vater und mal irgendeine Form dazwischen.

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