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Im Labyrinth. Blick in den „A Maze Space“, bei dem Besucher virtuell durch ein Veranstaltungshaus laufen und neue Spiele ausprobieren können zum Beispiel. Illustration: A Maze

© A Maze (Promo)

Berliner Computerspielfestival "A Maze" ganz virtuell: Besuchen wir Veranstaltungen bald nur noch als Avatare?

Viele Veranstaltungen finden dieser Tage nur im virtuellen Raum statt. Beim Computerspielfestival A Maze wird es besonders realistisch. Geht so die Zukunft?

Hohe Wände, verwinkelte Gänge, Rampen, Treppen, Plattformen – und alles augenscheinlich aus Beton: Der Festivalort besticht durch brutalistische Architektur. Sie steht im Kontrast zu den zarten und betont bunten Geschöpfen, die hier durch die wenig beleuchteten Gänge huschen. Neonfarbene Flamingos bleiben vor Kunstwerken stehen, lauschen der Elektromusik und chatten miteinander. Willkommen im „A Maze Space“.

Das Berliner Computerspielfestival A Maze findet in diesem Jahr komplett digital statt. Die Veranstalter haben sich entschieden, auf ein physisches Event zu verzichten – denn das wäre wegen Corona nur unter strengen Auflagen möglich gewesen. Also findet A Maze nicht wie noch zuletzt im 1981 eröffneten Sport- und Erholungszentrum SEZ an der Landsberger Allee in Friedrichshain (hier eine Bilderstrecke vom SEZ) statt, sondern in einem virtuellen Raum – in besagtem „A Maze Space“.

Wer das Festival zwischen Mittwoch und Samstag besuchen möchte, kann die Software von 2020.amaze-berlin.de herunterladen, sie auf dem Computer installieren und sich dann unters Festivalvolk mischen. Beziehungsweise unter Flamingos: Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten bunte Vogel-Avatare – und können dann im virtuellen Raum feiern, Fachvorträgen lauschen und die Games-Ausstellung erkunden.

Sein Debüt feierte A Maze bereits 2009. (Lesen Sie hier einen Bericht von 2015). Seitdem hat es sich einen Namen als internationale Plattform für Games und „Playful Media“ gemacht. Die Übersetzung „spielerische Medien“ trifft es ganz gut, denn A Maze setzt seinen Schwerpunkt auf Computerspiele im weitesten Sinne. Festival-Organisator und künstlerischer Leiter Thorsten S. Wiedemann rückt künstlerische, oft konzeptionelle Arbeiten in den Mittelpunkt – ob das nun digitale Spiele, Virtual-Reality-Erfahrungen oder digitale Installationen sind.

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In den letzten Jahren hat sich A Maze zudem zu einem internationalen Netzwerk entwickelt: Festival-Ableger gab es in Johannesburg, Cluj-Napoca (Rumänien), Ramallah, Abu Dhabi, Pristina, Charkiw (Ukraine), Nairobi und Havanna. Eine Stärke des Festivals ist der unmittelbare Austausch von KünstlerInnen und Publikum. Doch lässt sich dieses Gemeinschaftsgefühl auch in einem rein digitalen Event erzeugen?

Zur 2019er Auflage des A Maze Computerspiele Festivals in Berlin-Friedrichshain durfte man noch als echter Mensch schlangestehen.
Zur 2019er Auflage des A Maze Computerspiele Festivals in Berlin-Friedrichshain durfte man noch als echter Mensch schlangestehen.

© A Maze (Promo)

Nicht nur die Computerspiele-Branche sucht gerade nach der richtigen Antwort auf diese Frage. Aber sie ist womöglich eine der ersten, die praktikable Antworten findet. Virtuelle Räume und Erlebnisse zu gestalten – das ist ihr Tagesgeschäft! Seit Ausbruch der Pandemie wurden fast alle Festivals und Kongresse abgesagt. Andere fanden in digitaler Form statt, zum Beispiel das Zürich Game Festival („Ludicious“) Anfang Juli. Besonders die großen Messen, die normalerweise Hunderttausende Besucher anziehen, leiden unter den Corona-Folgen.

Die größte Spielemesse der Welt, die Gamescom in Köln, wird Ende August ebenfalls nur online stattfinden können – für Fachbesucher gibt es dann digitale Vorträge und Business-Meetings, für die Spielefans Online-Shows und Live-Streams. Die trubelige Messe-Atmosphäre wird das nicht vollständig ersetzen können: Viele Gamerinnen und Gamer sind bisher nach Köln gereist, um Stars zu treffen, fantasievolle Cosplay-Verkleidungen zu bewundern und das Bad in der Menge zu genießen. Das geht derzeit nicht.

Auch Arthouse-Festivals wie A Maze leben von der Interaktion. Viele Exponate sind nur körperlich voll erfahrbar: In den letzten Jahren präsentierte A Maze unter anderem Flipperautomaten zum Selbstzeichnen und Hüpfspiele mit Bewegungssteuerung. Diese physische Komponente fällt beim diesjährigen Festival natürlich weg. Gleichwohl bietet der „A Maze Space“ beste Voraussetzungen für ein spannendes, interaktives Festival. Das virtuelle Bauwerk von Moshe Linke, Gianluca Pandolfo und Stephan Insam bietet Platz für rund 1000 Flamingo-Besucher.

Thorsten S. Wiedemann, künstlerischer Leiter des Festivals A. Maze.
Thorsten S. Wiedemann, künstlerischer Leiter des Festivals A. Maze.

© A Maze/Promo.

In der zentralen Halle werden Vorträge, Shows und Konzerte auf einer digitalen Leinwand gestreamt. In den Ausstellungsräumen im Obergeschoss kann man Spiele und Installationen direkt per Mausklick starten und ausprobieren. Darüber hinaus bietet der A Maze Space einen digitalen Club, ein Kino, einen Business-Bereich und einen weitläufigen Garten, in dem Besucher unter pinkfarbenen Wolken gepflegt chillen können. Besucher können per Text-Chat kommunizieren, teilweise wird auch Voice-Chat über die Software Discord eingebunden. Die Festival-Streams sind auch direkt auf Youtube abrufbar, Workshops laufen über den Videokonferenz-Dienst Zoom und Business-Meetings über die Plattform MeetToMatch.

„Unser Ziel ist es, möglichst viele Leute zusammenzubringen“, sagt Thorsten S. Wiedemann. Das digitale Format biete die Chance, noch mehr Internationalität ins Festival zu bringen – „ohne Grenzen, ohne Visa-Reglements“. Natürlich sei der persönliche Austausch nicht zu ersetzen, sagt Wiedemann, der auf ein physisches Festival im kommenden Jahr hofft. Bei A Maze 2020 werde man aber wertvolle Erfahrungen für künftige Mischformen sammeln können. „Außerdem lässt sich der ’A Maze Space’ künftig für weitere Festivals, Konferenzen und Ausstellungen nutzen.“

Weitere Ansicht aus dem "A Maze Space", durch den Besucher mit ihren Avataren "laufen" können.
Weitere Ansicht aus dem "A Maze Space", durch den Besucher mit ihren Avataren "laufen" können.

© A Maze

Wie wichtig A Maze für Berlin als Games-Standort ist, hat sich längst gezeigt. 2019 gewann das Festival den Sonderpreis beim prestigeträchtigen Deutschen Computerspielpreis. Und dank seines weltweiten Netzwerks gelingt es A Maze immer wieder, Spieleentwicklerinnen und -entwickler nach Berlin zu locken, die dann Gaming-Start-ups gründen. Um so unverständlicher war, dass die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa dem Festival 2019 einen Zuschuss versagt hatte. Nur durch eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne, die Unterstützung des Medienboards Berlin-Brandenburg und weiterer Sponsoren konnten Wiedemann und Co. weitermachen.

Für die Macher ist das Festival auch digital eine organisatorische Herausforderung. Diskussionsteilnehmer loggen sich ja aus verschiedenen Kontinenten und Zeitzonen ein. Wie es klappt, kann man ab Mittwochnachmittag erleben, sobald die ersten Flamingo-Gäste eintrudeln.

Service: Das Festival läuft unter dem Motto "Total Digital" von Mittwoch 16 Uhr bis Samstagnacht. Alle Infos gibt es unter 2020.amaze-berlin.de. Der Zugang zum virtuellen Veranstaltungsort "A Maze Space" ist gratis. Weitere, kostenpflichtige Tickets gibt es für einige Workshops, sie sind auf der Website erhältlich. Zu den Highlights des Festivals zählt die "A Maze Award Show" (Freitag 20 Uhr), bei der die besten Games des Festivals geehrt werden. Für den Award sind insgesamt 25 Beiträge nominiert, die sich im "A Maze Space" größtenteils auch anspielen lassen.

Ebenfalls auf dem Programm stehen Fachvorträge, Diskussionsrunden, ein Markt für digitale Inhalte ("A Maze Bazaar"), Koch-Shows und Konzerte. Das Festival bietet dabei eine Bühne für rund 80 KünstlerInnen aus aller Welt. Die Software für den virtuellen Veranstaltungsraum "A Maze Space" steht auf der Website zum Download bereit. Viele Inhalte des Festivals werden auch direkt über 2020.amaze-berlin.de gestreamt.

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