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Hinter dem Jonny Knüppel steht ein Kollektiv, dazu gehören Jakob Turtur (r.), Johannes Heereman (l.) und Lorenz Bethmann. Momentan ruht der Clubbetrieb, weil der Umbau für die geforderten Auflagen läuft.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Club-Kultur: "Jonny Knüppel" braucht Geld

Der Kreuzberger Anarcho-Club bangt um sein Bestehen und hofft auf Crowdfunding. Eine Geschichte von Freiheit - und woran sie scheitern könnte.

Man kann gerade nur erahnen, wie es hier bei laufendem Betrieb einmal aussah. Aktuell hat man auf dem Gelände des Clubs Jonny Knüppel auf der Lohmühleninsel in Kreuzberg den Eindruck, sich auf einem Schrottplatz zu befinden. In einem Behälter liegen alte Fahrradwracks, in einer Ecke Autoreifen, man stolpert über Holzlatten und Metallteile. Seit Herbst letzten Jahres ist der Laden geschlossen und nun ist man mitten im Umbau.

Jonny Knüppel gibt es noch nicht sehr lange, erst seit zweieinhalb Jahren. An der Grenze zu Treptow, in direkter Nachbarschaft zu anderen Clubs wie dem , Birgit & Bier und dem Club der Visionäre hatte man noch ein freies Fleckchen gefunden. „Hier war vorher nichts außer einer alten Autowerkstatt“, sagt Johannes Heereman, einer der Jonny-Knüppel-Aktivisten.

Alles – die Fahrrad- und Künstler-Werkstätten auf dem Gelände, die kuriosen Bauten, die überall zu sehen sind, sogar ein alter Wohnwagen, der auf einem Container thront sowie natürlich die Dancefloors für den Clubbetrieb – habe man selbst aufgebaut. Mit wenig Geld, dafür mit umso mehr kollektivem Enthusiasmus.

Kabelbrand setzte der Anarchie ein Ende

„Einfach mal machen“, hieß die Devise, erzählt Heereman. Er und Mitstreiter Jakob Turtur betonen, dass sie letztlich weniger einen Club betreiben, als vielmehr ein selbstbestimmtes Projekt mitgestalten. Möglichst ohne Hierarchien, ohne Chefs und ohne kommerzielle Absichten. Niemand wolle hier reich werden, sagen sie – ein Ansatz, der ihren Laden von den anderen Clubs um die Ecke und letztlich auch von den meisten in Berlin unterscheiden würde.

Doch die Zukunft der Club-Kommune ist ungewiss. Heereman sagt, dass man immer gemacht habe, was man wolle. „Unser Treiben schien die Behörden nicht zu interessieren“ – bis die Anarchie ein jähes Ende nahm: Letzten Sommer brannte ein Kabel durch, in einem Container kokelte es, Feuerwehr und Polizei rückten an. Jetzt liegen diverse Auflagen für Lärm- und Brandschutz vor. Und solange die nicht erfüllt werden, bleibt das Jonny Knüppel geschlossen.

Jakob Turtur führt in den Schuppen, in dem letzten Sommer noch wild getanzt wurde und der jetzt mit Kram vollgestellt ist. Er zeigt aus dem Fenster auf die Brandschutzmauer hinter dem Gebäude, mit deren Bau bereits begonnen wurde. Direkt dahinter, auf dem Gelände der angrenzenden Zementfabrik, breiten sich Sandberge aus. Turtur versteht nicht, warum es einen Brandschutz geben müsse, obwohl derzeit direkt neben dem Club nicht einmal ein Gebäude steht – aber gut, Auflagen seien Auflagen.

100 000 Euro für den Erhalt einer Utopie

Der Lärmschutz wiederum sei notwendig, weil sich Anwohner von gegenüber beschwert hätten, sagt er und zeigt auf das Wohnhaus, das einsam und allein zwischen Zementfabrik und Club steht. Wohnhäuser in Gewerbegebieten gibt es nur in absoluten Ausnahmefällen, doch das Haus steht hier bereits seit über hundert Jahren. Und auf die Mieter muss Rücksicht genommen werden.

Die Lage für das Jonny Knüppel ist dramatisch, aber noch gibt das Team nicht auf. Um die Kosten für alle erforderlichen Maßnahmen zu stemmen, gibt es nun eine Crowdfunding-Kampagne. 60 000 Euro seien das Minimum, um überleben zu können, 100 000 Euro wären noch besser, erzählen die Clubbetreiber.

Zwar gab der Senat gerade erst bekannt, eine Million Euro für Schallschutzmaßnahmen in Clubs bereitzustellen und um die, sagt Jakob Turtur, wolle man sich auch bemühen. Doch noch sei überhaupt nicht klar, wer genau diese Gelder wie verteilen dürfe und das Jonny Knüppel brauche eben jetzt Geld.

Die Miete will schließlich gezahlt werden, es gebe aktuell keinerlei Einnahmen, man müsse trotzdem schon am Schallschutz arbeiten, um möglichst bald wieder eröffnen zu können. Vielleicht im April, spätestens aber irgendwann im Sommer.

„Vielleicht war es am Ende nur ein naiver Versuch, einen besonderen Ort zu schaffen“

Es sind nicht nur die Umbaumaßnahmen und die Finanzierungsfrage, die das Jonny-Knüppel-Kollektiv auf Trab halten. Es geht um weit mehr, um die Frage nach einer Zukunft hier an der Mündung des Landwehrkanals in die Spree, nach einer Perspektive. Den Großteil des Geländes auf der Lohmühleninsel habe inzwischen ein Investor aufgekauft, sagt Jakob Turtur.

Der sei jedoch kein Liebhaber von Clubs, die aussehen wie eine Villa Kunterbunt für Erwachsene. Vielmehr habe er Interesse daran, „Teil von Mediaspree“ zu werden, glaubt Jakob Turtur – hier also teure Immobilien zu entwickeln. Das werde nicht so schnell passieren, habe das Bauamt Friedrichshain-Kreuzberg zwar bestätigt. Dennoch sei der Investor nicht bereit, bestehende Mietverträge für mehr als zwei Jahre zu verlängern.

Solange das Jonny Knüppel nur ein Spielplatz für ein paar Freaks war, ohne dramatische Investitionskosten, gab sich das Kollektiv mit der Zwischennutzerrolle zufrieden. Doch was ist, wenn die Crowdfunding-Kampagne erfolgreich verläuft, die Brandschutzmauer steht, sich die Nachbarn nicht mehr gestört fühlen und der Investor plötzlich sagt: Gut gemacht, ihr müsst jetzt aber trotzdem gehen.

„Vielleicht war es am Ende nur ein naiver Versuch, einen besonderen Ort zu schaffen“, sagt Jakob Turtur. „Vielleicht werden wir irgendwann sagen: Es war schön, aber das war es jetzt.“ Noch hält er an seinem Stückchen selbstgeschaffenem Berlin fest.
Die Crowdfunding-Kampagne läuft noch bis 5. Februar unter startnext.com/jonny-knueppel.

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