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Das Wahrzeichen der Charité in Berlin-Mitte: der Bettenturm.

© Kai-Uwe Heinrich

Berliner Charité: Keimausbruch bleibt wohl für immer ungeklärt

Vor einem Jahr beunruhigte die Serratien-Krise auf einer Frühchenstation der Charité viele Eltern. Ein Abschlussbericht konnte nicht klären, wie sich die Keime verbreiteten. Und in den Bezirksämtern, die bei Keimausbrüchen und Seuchenschutz eingreifen sollen, fehlen Ärzte.

Die Krise nach dem Keimausbruch an der Charité ist ein Jahr her – aber erst am Freitag wurde bekannt, was im internen Abschlussbericht steht, den die Universitätsklinik und externe Ermittler für den Senat erstellt haben. Hintergrund ist der Befall eines Kindes mit Serratien im Juli 2012 auf der Weddinger Neonatologie, also der Frühchenstation. Das ist nicht ungewöhnlich, der Darmkeim stammte von der Mutter des Kindes. Bis zum 18. Oktober 2012 wurden aber 25 weitere Kinder in der Charité und dem nahen Herzzentrum von Keimen besiedelt, elf davon infiziert. Die Fälle wurden öffentlich, nachdem ein betroffenes Kind gestorben war – eine Obduktion ergab, dass es aber an einem Herzfehler gestorben ist.

Keime durch Mensch-zu-Mensch-Übertragung?

In dem Charité-Bericht heißt es, man habe keine nachweisbare Ursache für die Verbreitung der Keim gefunden; sämtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind eingestellt. In dem Bericht soll jedoch eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung durch Angehörige oder Mitarbeiter als nicht unwahrscheinliche Möglichkeit aufgeführt sein. Die Klinik äußerte sich nicht zum Inhalt des Berichts. Das zuständige Gesundheitsamt Mitte hatte damals eine Isolation der betroffenen Kinder und einen Aufnahmestopp verfügt. Eltern waren beunruhigt, Rettungskräfte mussten mehrere Kliniken fragen, ob es bei ihnen noch freie Betten auf den Frühchenstationen gebe. Als Konsequenz kündigte Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) am Freitag an, seine Verwaltung werde 2014 ein digitales Bettenregister für Frühchenstationen einführen, um beim Schließen von Stationen „einen schnellen Überblick über neonatologische Betten in anderen Kliniken zu bekommen“. Das Register wäre 24 Stunden am Tag einsehbar.

Charité: Wir haben Personalschlüssel eingehalten

In dem Bericht soll dem Vernehmen nach auch erwähnt worden sein, dass eine angespannte Personallage einen Ausbruch begünstigen könnte. Frühchenstationen müssen mit verhältnismäßig viel Personal besetzt werden.

Eine Frau drückt ein Frühchen mit Ringelmütze an ihre Brust
Jedes Gramm zählt. Für die Versorgung zu früh geborener Kinder können Kliniken bis zu 77 000 Euro kassieren.

© picture alliance / dpa

Eine Charité-Sprecherin sagte, man habe den empfohlenen Schlüssel eingehalten, die Personalsituation habe mit der Keimverbreitung nichts zu tun gehabt. Derzeit verhandeln Gewerkschaft und Klinikvorstand über mehr Schwestern und Pfleger in der Charité.

Bezirksämter schlecht für Seuchenfall ausgestattet

Kenner in der Gesundheitsverwaltung und in Ärzteverbänden wiesen anlässlich des Berichtes auch auf die Bedeutung der Bezirksämter hin. Der Personalmangel in deren Gesundheitsämtern drohe im Katastrophen- und Seuchenfall sowie bei der Bedürftigenversorgung zur Gefahr zu werden – etwa, wenn Menschen in Schulen und Flüchtlingsheimen geimpft werden müssen. Insgesamt sind Dutzende Medizinerstellen in den Ämtern der Stadt nicht besetzt. Nach wie vor besonders betroffen ist ausgerechnet Mitte, wo neben der Charité das Bundeswehrkrankenhaus und viele Ministerien ihren Sitz haben und es regelmäßig Massenveranstaltungen gibt. Von den 40 Arztstellen im Amt sind laut Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD) elf unbesetzt. Neben einem amtsärztlichen Leiter fehlen seit Monaten drei Hygieneärzte.

In Mitte fehlen Hygieneärzte

Das Bezirksamt bezahle nun notgedrungen eine freie Ärztin auf Honorarbasis, die die wichtigsten Aufgaben übernehme. Weil sich bislang niemand gefunden hat, darf das Bezirksamt Mitte bei Neuanstellungen die Tarifstufen überspringen – das heißt, Ärzte verdienen hunderte Euro mehr im Monat als sonst laut Tarif vorgesehen. Während in den Behörden bislang oft mit weniger als 4000 Euro brutto angefangen wird, bekommen Klinikärzte oft 1000 Euro mehr. Die Lücke schließt sich langsam, weil kaum Mediziner bereit sind, unter den alten Bedingungen in den Ämtern zu arbeiten.

Viele Mediziner fordern, auch in den Behörden grundsätzlich die Gehälter zu bekommen, die von der Ärztegewerkschaft Marburger Bund für Kliniken ausgehandelt wurden. Für den Posten des amtsärztlichen Leiters will Bürgermeister Hanke jemanden von den verbliebenen Ärzten im Bezirksamt weiterbilden lassen.

Auch Lichtenberg braucht Mediziner

In Lichtenberg übernimmt das Gesundheitsamt die Tuberkulose-Bekämpfung für ganz Berlin. Drei Ärzte fehlen derzeit im Amt, darunter ein Kinderarzt. Die Lichtenberger Gesundheitsstadträtin Sandra Obermeyer (parteilos, für Linke) wünscht sich außerdem mehr Mitarbeiter, etwa um die Übertragungswege bei Tuberkulose zu ermitteln.

Der Tagesspiegel-Klinikführer 2013 enthält einen Schwerpunkt zur Klinikhygiene. Er kostet 12,80 Euro (für Abonnenten 9,80 Euro) und ist unter der Nummer 030/29021-520 erhältlich. Siehe auch http://www.gesundheitsberater-berlin.de/

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